Jörg Burow ist bei den Heimspielen der SG Oberreichenbach/Würzbach in der Kreisliga A immer gerne vor Ort. Beim SV Würzbach war er einige Zeit Spielertrainer.  Foto: Stark

Es ist längst ein echter Klassiker. Seit März 1971 wählen die Fernsehzuschauer das "Tor des Monats". Am Sonntag, 28. März, blickt die ARD-Sportschau ab 18.30 Uhr zurück auf 50 Jahre "Tor des Monats" und würdigt dabei unter anderem auch den sporthistorischen Freistoßtreffer des inzwischen in Calw beheimateten Jörg Burow.

In der 50-jährigen Geschichte der Zuschaueraktion der ARD-Sportschau konnte sich ein einziges Mal ein Spieler der DDR-Oberliga ins Rampenlicht rücken: Jörg Burow, damals für den FC Carl Zeiss Jena aktiv, erzielte am 12. September 1986 im Spiel beim 2:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Stahl Brandenburg einen Freistoßtreffer, den die Zuschauer zum "Tor des Monats" gewählt haben. Die Medaille konnte er allerdings erst nach der Wende entgegennehmen, weil ihm 1986 von den DDR-Behörden die Reise nach Köln verwehrt worden war.

Den im thüringischen Zeulenroda geborenen und aufgewachsenen Jörg Burow hat es nach der Wende nach Baden-Württemberg verschlagen. Über einen Arbeitskollegen bei einem großen Unternehmen der Automobilindustrie mit Stern fand er zum SV Würzbach. Dort war er zum Ende seiner aktiven Fußballer-Laufbahn als Spielertrainer tätig.

Der ehemalige Erstligaspieler blickt in einem Interview mit dem Schwarzwälder Boten zurück auf seine aktiven Jahre in der DDR-Oberliga, auf das "Tor des Monats", die späte Preisverleihung und auf seine Zeit danach beim SV Würzbach.

Herr Burow, erst einmal nachträglich herzlichen Glückwunsch von der Sportredaktion des Schwarzwälder Boten zum "Tor des Monats", auch wenn es inzwischen schon eine Weile her ist. Erinnern Sie sich noch an das Spiel und an den Freistoßtreffer?

Ja klar. Das war für uns das letzte Punktspiel in der Oberliga vor dem Europapokalspiel gegen Uerdingen – also so etwas wie die Vorbereitung auf das Europapokalspiel. Deshalb ist das Spiel auch aufgenommen worden. Wir haben 2:0 gewonnen. Mit dem Freistoß habe ich meine Mannschaft 1:0 in Führung geschossen.

Wussten sie damals überhaupt, dass es das "Tor des Monats" in der ARD-Sportschau gibt? Immerhin mussten Sie ja West-Fernsehen schauen.

Natürlich wusste ich das. Wir haben damals im DDR-Fernsehen unsere eigenen Spiele angesehen, aber jedes Wochenende auch die Sportschau. Ich war damals in Jena. In Thüringen war es kein Problem, West-Fernsehen zu schauen.

Wie und wann hatten Sie damals mitbekommen, dass Sie zu den Kandidaten für das "Tor des Monats" zählen?

Geschossen habe ich das Freistoßtor 1986 im September. Etwas später ist es dann in der Sportschau in die Auswahl gekommen. Ich war erst einmal überrascht, aber ich habe mich natürlich gefreut. Das war eine schöne Geschichte.

Ein DDR-Oberligaspieler im Westfernsehen und das in einer so beliebten Sendung – durfte das überhaupt sein? Gab es besondere Reaktionen von Seiten des Vereins oder vielleicht gar von staatlicher Seite?

Nein. Es war ja sogar geplant, dass ich nach Köln fahre und dort die Medaille bekomme. Aber zwei Tage später hatte sich das Ganze schon erledigt. Ich durfte nicht fahren. Begründet wurde die Entscheidung nicht.

Wie waren die Reaktionen unter den Kameraden beim FC Carl Zeiss Jena und im persönlichen Freundeskreis?

Die waren alle positiv überrascht und haben sich für mich gefreut.

Sie konnten damals ja gar nicht geehrt werden, da Sie nicht nach Köln reisen durften? Was war das für ein Gefühl? Hatten die staatlichen Stellen vielleicht Bedenken, dass ihnen ein guter Fußballer abhandenkommen könnte, wenn Sie nach Köln fahren?

Erst einmal war es eine Enttäuschung. Aber danach hat keiner gefragt. Ich hatte das so hinzunehmen. Ob da jemand Bedenken hatte, ich weiß es nicht - vielleicht. Aber wie gesagt, eine Begründung für die Ablehnung gab es nicht. Ich musste die Entscheidung so hinnehmen.

Hatten Sie zu dieser Zeit jemals damit gerechnet, dass Sie ihre Medaille vielleicht doch noch erhalten würden? 

Eigentlich nicht mehr. Aber dann, 1990, wir waren bei guten Freunden in Hildrizhausen, hat es doch noch geklappt. Da ist extra jemand aus Berlin angereist und hat mir die Medaille überreicht – also knapp vier Jahre später, nachdem ich das Tor geschossen hatte.

Haben Sie selbst schon mal abgestimmt, wenn es um das "Tor des  Monats" geht? 

Ich schau mir das gerne an, aber selbst habe ich noch mitgemacht.

Wenn Sie heute zurückblicken auf Ihre Zeit in der DDR-Oberliga. Welche Höhepunkte kommen Ihnen dabei gleich wieder in Erinnerung?

Wir hatten viele große Spiele. In der Oberliga waren meist Zweiter oder Dritter, aber unvergesslich waren einige Europapokalspiele. 1988 standen wir im FDGB-Pokalfinale. Das gab’s damals noch.

Woran denken Sie jetzt, wenn Sie vom Europapokal und den großen Zeiten des FC Carl Zeiss sprechen?

Damals war die Aufteilung ja noch ein bisschen anders. Es gab den Europapokal der Landesmeister und den Europapokal der Pokalsieger. Wir standen in der Saison 1980/81 in Düsseldorf im Europapokal-Finale der Pokalsieger gegen Dinamo Tiflis. Das war eine ganz große Sache. Leider haben wir 1:2 verloren, aber das Spiel bleibt für alle, die dabei waren, unvergesslich. Zuvor hatten wir gegen AS Rom, den FC Valencia und Benfica Lissabon gewonnen. Unser Trainer bei Carl Zeiss damals war übrigens Hans Meyer. Der war ja später in Nürnberg und bei Borussia Mönchengladbach.

Hans Meyer ist ja inzwischen so etwas wie eine Kultfigur. Mit welchen bekannten Spielern haben Sie in einer Mannschaft gespielt?

Ich danke an Konrad Weise, der hat ja über 80 Länderspiele gemacht und war ja auch 1994 bei der Weltmeisterschaft dabei, und an Lothar Kurbjuweit. Der hatte auch eine ganze Menge Einsätze in der Nationalmannschaft und ist später Trainer geworden.

Waren für Sie als junger Spieler die Begegnungen im Westen etwas Besonderes?

Eigentlich nicht. Wir haben über Jahre immer international gespielt. Die Spiele waren damals immer mittwochs. Wir sind einen oder auch zwei Tage vorher angereist und nach den Spielen gleich wieder abgereist.

Sie haben im Alter von 18 Ihren Einstand beim FC Carl Zeiss Jena in der DDR-Oberliga gegeben. Wann haben Sie mit dem Fußball begonnen?  

Ich habe schon sehr früh die Chance bekommen, ganz oben zu spielen. Angefangen habe ich bei der BSG Einheit Triebis. Damals war ich vier oder fünf. Mit 14 wurde ich dann delegiert auf die Sportschule nach Jena. Heute würde man von einem Nachwuchsleistungszentrum sprechen. Das war gut organisiert. Ich ging dort weiter zur Schule und habe anschließend eine Ausbildung zum Feinmechaniker gemacht.

In der Junioren- und in der Nachwuchs-Nationalmannschaft durften Sie als Stürmer die DDR vertreten – gegen wen?

Ich weiß noch, dass wir mal gegen Norwegen gespielt haben. Überwiegend haben wir immer wieder gegen Mannschaften aus den Ostblockländern gespielt, gegen die Sowjetunion und gegen Polen.

Wie sind die Verbindungen zum SV Würzbach zustande gekommen?

Das hat sich irgendwie so ergeben. Ich habe die erste Zeit, als ich nach Baden-Württemberg gekommen bin, in Waldenbuch gewohnt. Siegfried Gwinner, ein Arbeitskollege beim Daimler, hatte mich damals angesprochen. Er hat einen Trainer für den SV Würzbach gesucht. Wir sind dann recht schnell zusammengekommen. Meine Verbindung dorthin ist nie abgebrochen. Mein Sohn Pierre hat dort ja auch in der Jugend gespielt. Jetzt ist er bei der SG Oberreichenbach/Würzbach Spielertrainer. Ich schaue mir die Spiele in Oberreichenbach oder in Würzbach immer wieder gerne an.

Noch einmal zurück zum "Tor des Monats". Ihr Freistoßtreffer von damals dürfte am Sonntag in der ARD-Sportschau zu sehen sein. Was ist das für ein Gefühl?

Ich habe das Tor inzwischen schon so oft gesehen. Für mich ist das nichts Besonderes mehr. Dass ich mit diesem Tor im Fernsehen bin, freut mich natürlich schon

Wer von der ARD-Sportschau hat sich bei Ihnen gemeldet?

Claus Lufen. Er hat schon von Fußball-Weltmeisterschaften und von Olympischen Spielen berichtet.

Wie ist das abgelaufen, und wo wurde der kleine Film für die Sportschau gedreht?

Wir haben einen Termin ausgemacht und uns im Sportheim in Oberreichenbach getroffen. Das ist zurzeit wegen Corona zwar geschlossen, aber der SV Oberreichenbach ist uns dankenswerterweise entgegengekommen und hat aufgemacht. Wir sind rund eine Stunde zusammengesessen. Auf dem Fußballplatz haben wir dann die Freistoßszene von damals nachgestellt. Ich glaube, das kommt ganz gut rüber.