Wappenpracht am Eingang zum Schlosshof. Foto: Beiter Foto: Beiter

Hirrlingen stehen zwei große Jubiläen ins Haus: Vor 200 Jahren kaufte die Gemeinde das Schloss und 250 Jahre ist es im nächsten Jahr her, dass die St. Martinus-Kirche geweiht wurde. Gefeiert wird gemeinsam. Allerdings erst im Sommer 2022.

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Hirrlingen - Es ist schon verzwickt mit Corona und was dieses kleine Virus alles verhindert. Doch mit etwas Fantasie kann man aus der Not zwar nicht immer eine Tugend, dafür aber manchmal etwas wirklich Großes machen. So geschieht es jetzt in Hirrlingen, wo sich die politische Gemeinde und die Pfarrei St. Martinus jetzt darauf geeinigt haben, die beiden Jubiläen ihrer Residenzen gemeinsam zu feiern.

Dass es dazu kam, obwohl die beiden runden Jahrestage gut ein Jahr auseinanderliegen, hat mit den sehr eingeschränkten Möglichkeiten in diesem Corona-Sommer für festliche Großveranstaltungen zu tun, die trotz der neuerlichen Lockerungen nur möglich sein dürften.

"Natürlich hätten wir das Jubiläum gerne groß gefeiert", ist von Hirrlingens Bürgermeister Christoph Wild zu erfahren. Doch für dieses Jahr hätten alle Festivitäten zum 200. Jahrtag des Schloss-Kaufs am 8. Juni 1821 durch die Hirrlinger Bürgerschaft abgesagt werden müssen.

Dass sich dann in eben diesem Jahr 2022 die Kirchweih der St. Martinus-Kirche zum 250. Mal jährt, ist kein Zufall, sondern schlichte Ortsgeschichte – was die Festplaner auf dem Rathaus und im Pfarrgemeinderat auf die Idee brachte, die Jubiläen doch einfach gemeinsam zu feiern.

Am 24. Juli 2022 kommt auch Bischof Gebhard Fürst nach Hirrlingen

Ein Termin war rasch gefunden, steht dieser doch schon länger im Kalender der Kirchengemeinde und ist eng an den Terminkalender von Bischof Gebhard Fürst der Diözese Rottenburg-Stuttgart gebunden. Dieser besucht am 24. Juli 2022 die Pfarrei des ehemaligen Marktfleckens Hirrlingen – und an diesem Tag soll dann auch das Doppeljubiläum gefeiert werden.

Damit zeigte sich auch der Hirrlinger Gemeinderat einverstanden, der in seiner Sitzung im Mai grünes Licht für die weitere Planung des Jubiläums durch die Gemeinde gab.

Die Zeit bis zum nächsten Sommer möchte Christoph Wild nun nutzen, die Geschichte des Schlosses wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Bisher ist dazu nur eine Abhandlung zum Verkauf und wie es dazu kam im Heimatbuch Hirrlingen des Ehrenbürgers Oscar Kurz nachzulesen. Bürgermeister Wild jedoch schwebt etwas größeres vor: „Wir wollen diesem denkwürdigen Jubiläum auch in dieser Beziehung einen besonderen Rahmen geben."

Denn Wild ist sich über die Tragweite des Ereignisses für die Gemeinde und deren Bürgerschaft durchaus bewusst. An diesem "weitreichenden und richtungsweisenden Bürgerentschluss", das Schloss samt dem gesamten Gut zu erwerben, kann laut Wild durchaus auch das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Hirrlinger abgelesen werden. Die Kaufentscheidung versteht Wild auch als Willensbekundung der Bürgerschaft, "ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen zu wollen." Hirrlingen, so ist er überzeugt, "war damit seiner Zeit weit voraus."

Natürlich sei es für ihn als Bürgermeister etwas Besonderes, in einem Schloss zu residieren, freut sich Wild. "Das sind wunderschöne Räumlichkeiten – allein schon der Sitzungssaal mit seiner Stuckdecke", der leider derzeit wegen Corona nicht genutzt werden könne, schwärmt er. Allerdings stelle das Schloss auch eine "Herausforderung baulicher Art" dar. Es sei halt nun mal nicht als Verwaltungsgebäude gebaut worden – und gleich gar nicht nach den heutigen Anforderungen an ein solches Gebäude.

Verwaltung hat im Schloss auch ein Raumproblem

Mittlerweile habe die Verwaltung im Schloss auch ein Raumproblem. Doch Umbaumaßnahmen seien in einem historischen Gemäuer halt eben nicht so einfach durchzuführen, stöhnt der Schultes. "Wir haben dabei natürlich immer auch mit dem Denkmalamt zu kämpfen." 2003 waren die Räumlichkeiten letztmals grundlegend umgebaut und ein Aufzug eingebaut worden.

Das Hirrlinger Schloss wurde von 1557 bis 1558 von Freiherr Georg VII. von Ow (1517-1575) nach dem Vorbild des Bühler Schlosses im Renaissancestil erbaut. Es ist eines der wenigen ländlichen Renaissanceschlösser im Landkreis Tübingen, das nahezu noch unverändert erhalten geblieben ist.

Die Familie der von Ow-Hirrlinger starb 1709 aus. Das Schloss wurde an Reichsgraf Anton Ferdinand von Attems vererbt, dessen Familie völlig verarmte. Der Kauf des Ritterguts durch die Gemeinde erfolgte am 8. Juni 1812 unter Schultheiß Ulrich Noll. Den Kaufvertrag hatten mit Gemeinderat und Bürgerausschuss insgesamt 152 Personen unterschrieben. Dies ist im Heimatbuch von Oskar Kurz nachzulesen.

1825 wurde im vorderen Teil des Schlosses die Gemeindeverwaltung eingerichtet, darüber die Schultheißenwohnung. Große Teile des Rittergutes veräußerte die Verwaltung an Gemeindebürger weiter. Dennoch dauert es bis ins Jahr 1861, bis die Schuldenlast aufgebracht war.

Im dem historischen Gebäude sind heute die Gemeindeverwaltung, ein Arzt, sowie ein Heilpraktiker untergebracht. Von den früheren Wassergräben, die früher um das Schlossareal führten, ist nur noch der Schlossweiher in der Ortsmitte erhalten.

Info: Die Pfarrkirche St. Martinus

Die Pfarrkirche wurde in den Jahren 1770 bis 1772 erbaut. Baumeister war Christian Großbayer aus Haigerloch. Die Decken- und Wandmalereien stammen von Ignaz Gabriel Thum aus Bezau in Vorarlberg.