Verena und Helmut Wider waren in den vergangenen Jahren mit dem Fahrrad in der ganzen Welt unterwegs. Im Dezember 2011 beispielsweise am Grenzübergang von Argentinien nach Chile in den Anden auf einer Höhe von 4320 Metern. Foto: Familie Wider

Radsportverein Unterbränd wird 100 / Ein Mitglied bescherte ihm besondere Erfolge: Noch mit 82 Jahren tritt Helmut Wider gern in die Pedale

Der 82-jährige pensionierte Kriminaldirektor fuhr viele Erfolge für den Verein ein. Noch heute tritt er gern in die Pedale.

Der Unterbränder Radsportverein wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Die Entscheidung der Generalversammlung am 6. Februar 1954, jüngere Mitglieder aufzunehmen, bescherte dem Verein nicht nur neue Mitglieder. Sie war auch der Startpunkt einer kurzen, intensiven Radrennfahrerkarriere. Damals trat nämlich der fast 15-jährige Helmut Wider dem Verein bei.

Der 82-jährige pensionierte Kriminaldirektor fuhr viele Erfolge für den Verein ein. Noch heute tritt er gern in die Pedale.

Bräunlingen-Unterbränd. "Das Fahrrad war Mitte der 50er-Jahre das wichtigste Fortbewegungsmittel. Mittlerweile gab es zwar zwei Autos im Ort, doch alle anderen stiegen aufs Rad, um mobil zu sein. Fast jeder hatte ein Fahrrad, und der Radfahrverein war neben der Feuerwehr der einzige Verein im Dorf", blickt Helmut Wider zurück. Die Hauptaktivität des Vereins war das Korsofahren. Man fuhr zu Kreis-Bezirks- und Verbandsfesten. Doch Helmut Wider interessierte sich schnell für eine andere Art von Radsport: Im Rahmen dieser Feste gab es sonntags oft ein Radrennen.

Sein erstes Rennen bestritt Helmut Wider als Jugendfahrer in Biesingen. Dieses Rennen konnte er gleich gewinnen, was seinen Ehrgeiz beflügelte. Die Begeisterung ihres Sohnes für Radrennen stieß bei den Eltern nicht gerade auf Gegenliebe. "Du stirbst einmal wie dein Onkel", prophezeiten sie ihm. Berthold Wider, der Bruder seines Vaters, hatte in den 1920er-Jahren Radrennen gefahren und war in jungen Jahren an Tuberkulose gestorben.

Ein mühsamer Weg

"Es war sehr umständlich und anstrengend, zu den Rennen zu kommen, und es war auch eine finanzielle Angelegenheit", sagt Wider. Schließlich lernte er bei einem der Korsofeste den Vater von Heinz Müller kennen, der damals bereits Rad-Profi war. Der Vater betrieb in einer Scheune in Tuningen einen Handel mit Fahrrad-Teilen. Aber was viel wichtiger war: Müller gab den Jugendlichen Trainings-Tipps. Mit dabei seien damals auch drei Gleichaltrige aus Bräunlingen und Donaueschingen gewesen, die auch Rennen fuhren.

Im Jahr 1956 nahm Helmut Wider fast an jedem Sommer-Wochenende an einem Rennen in Südbaden teil, mit wechselhaftem Erfolg.

Ein Beispiel für ein typisches Rennwochenende im Jahr 1956 blieb Helmut Wider in Erinnerung: "Am Samstagnachmittag bin ich mit dem Fahrrad von Unterbränd in den Raum Offenburg gefahren. Die Straßenrennen fanden damals verkehrsbedingt immer am Sonntagmorgen um 5 Uhr statt. Es gab damals keine kleinen Rundkurse, sondern man hat lange Distanzen auf der Straße zurückgelegt. Bei dem Rennen bin ich dann gestürzt und war auch verletzt. Ich war verärgert und bin mit dem Fahrrad am späten Sonntagvormittag von Offenburg nach Freiburg und schließlich nach Reute geradelt, weil ich wusste, dort ist noch ein Wettrennen. Ich habe dann das Rennen bestritten und bin am Abend von Reute wieder nach Unterbränd zurückgefahren."

Seinen größten Erfolg feierte Wider am 13. Januar 1957. Bei der badischen Querfeldein-Rennen-Meisterschaft belegte er den zweiten Platz und war damit für die Deutsche Meisterschaft nominiert. Er musste jedoch absagen, weil diese in Norddeutschland stattfand und eine Teilnahme seine finanziellen Möglichkeiten überstieg.

Bergauf? Aber gern!

Wider war aber nicht nur in der Geraden ein Rennfahrer, sondern auch ein sehr guter Bergfahrer. So belegte er bei verschiedenen Bergrennen ebenfalls vordere Plätze und konnte sich im Sommer 1956 auch für die Deutschen Bergmeisterschaften qualifizieren. Es sei eine große Ehre gewesen, dort teilzunehmen und Helmut Wider packte der Ehrgeiz. So zog es ihn mit seinem Rad in die Alpen. Der damals 17-Jährige habe sein Rennrad mit einem Gepäckträger bestückt, das restliche Gepäck trug er auf dem Rücken. Von Unterbränd ging es in Etappen über verschiedene Alpenpässe bis nach Meran. Einmal habe er in seinem dünnen Zelt im Schnee übernachtet.

Schließlich landete er in Cortina D’Ampezzo, wo ein Schild die Entfernung von 180 Kilometern nach Venedig anzeigte. Kurzentschlossen habe der junge Mann noch einen Abstecher in die Lagunenstadt gemacht. Die Rückfahrt trat er dann über den Brenner an. In Tirol ging ihm schließlich das Geld aus, sodass er die letzte Etappe von 400 Kilometern zurück nach Unterbränd am Stück bewältigte. Doch am Ende sei die Mission Bergtraining kontraproduktiv gewesen. Wider sei einfach platt gewesen und konnte sich gegen die starke Konkurrenz bei der Deutschen Meisterschaft einige Tage später nicht behaupten. Und damit ging seine kurze Karriere als Rennradfahrer zu Ende. Wider bewarb sich bei der Polizei und begann dort im April 1957 seine Laufbahn. Erst in den 1970er-Jahren, als Wider inzwischen in Stuttgart beim Landeskriminalamt war, kam die alte Leidenschaft wieder hoch. Er lernte einen ehemaligen Radrennfahrer kennen, kaufte wieder ein Rennrad. Beide schlossen sich dem Porsche-Werksteam an und fuhren auch wieder Rennen. 1981 wurde Helmut Wider Leiter der Kriminalpolizei in Villingen und schloss sich dem RC Villingen an, dessen Vorsitzender er wurde. Ende der 1980er-Jahre fuhr er wieder Rennen – dieses Mal bei den Senioren.

Zusammen mit seiner Frau Verena entdeckte Helmut Wider eine andere Form des Radfahrens. Mit Fahrrad und Rucksack erkundeten beide die Welt. 2016 unternahmen sie beispielsweise eine viermonatige Radtour durch die Inseln Neuseelands. Seit 1999 hat der heute 82-jährige Helmut Wider über 200 000 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ein Auto besitzt das Ehepaar schon lange nicht mehr.

Helmut Wider wurde im Februar 1939 in Unterbränd geboren. Er ist Vater zweier erwachsener Söhne. Im April 1957 trat er in die Polizei des Landes Baden-Württemberg ein. Nach der Ausbildung verbrachte er seine ersten Dienstjahre in Triberg. Nach der Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst erfolgte Mitte der 1970erJahre seine Versetzung zum Landeskriminalamt in Stuttgart, wo er das erste polizeiliche Rechenzentrum aufbaute und leitete. Nach dem Studium an der Hochschule für Polizei in Münster-Hiltrup und der Beförderung zum Kriminalrat wurde er 1981 Leiter der Kriminalpolizei Villingen-Schwenningen. 1994 wurde er zur damaligen Landespolizeidirektion in Freiburg versetzt, wo er sich als Leiter des kriminalpolizeilichen Führungsstabes mit der Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit mit der Schweiz und Frankreich beschäftigte. Im Februar 1999 wurde er als Kriminaldirektor in den Ruhestand verabschiedet. Seither ist er wieder viel mit dem Rad unterwegs. Eine Dokumentation der Reisen ist unter www.helmutverenaontour.de zu sehen.