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Fußball-Deutschland atmet auf - und darf sich auf den Klassiker gegen England freuen.

Johannesburg - Mit Zittern und viel Mühe hat die junge deutsche Nationalmannschaft die extreme Drucksituation gegen Ghana gemeistert und kann nach dem 1:0 (0:0) im Vorrunden-Finale mit neuen Hoffnungen in das Achtelfinale der Weltmeisterschaft gegen den Erzrivalen von der Insel gehen. Nach dem satten Schuss des Bremers Özil in den Torwinkel (60.) vor 83.391 Zuschauern im Soccer City Stadion von Johannesburg sind auch die Diskussionen um die Zukunft von Bundestrainer Joachim Löw erst einmal hinfällig.

Klassiker gegen England am Sonntag

Jetzt gilt die ganze Konzentration dem 32. Duell mit den Engländern am Sonntag (16.00 Uhr) in Bloemfontein. Zu einem Problem könnte in diesem K.o.-Spiel allerdings eine Blessur des starken Bastian Schweinsteiger werden, der sich zehn Minuten vor dem Ende an den linken Oberschenkel griff und gegen Toni Kroos ausgewechselt werden musste. Eine weitere Gelbe Karte handelten sich die fünf vorbelasteten deutschen Spieler in der Partie gegen die Ghanaer, die als fünftes Team aus Afrika aus dem Turnier ausschieden, nicht ein. Die Angst vor einem Versagen schien der deutschen Mannschaft im Alles-oder-Nichts-Spiel lange Zeit die Beine zu lähmen, einer schob die Verantwortung auf den anderen, dann wurde ausgerechnet Özil noch Vorarbeit des jüngsten deutschen Spielers Thomas Müller zum Matchwinner. Der Bremer, der in der ersten Halbzeit eine Riesenchance ausgelassen hatte, jagte das Zuspiel des Münchners aus 18 Metern unhaltbar in den Torwinkel. Neun Minuten zuvor hatte nur eine Klasseparade von Torhüter Manuel Neuer gegen Andre Ayew im Spiel gehalten.

Verlorene Kopfball-Duelle

Löws Schützlinge schienen dem nervlichen Druck kaum gewachsen, das galt nicht nur für die jungen Spieler, sondern auch einen Routinier wie Per Mertesacker. Der Bremer erwies sich mehr als Abwehrrisiko denn als Abwehrstütze und eröffnete den Ghanaern mit verlorenen Kopfball-Duellen mehrfach die Chance zum Tor. Gut, dass Neuer bei den Unsicherheiten seiner Vorderleute die Übersicht behielt und mehrfach auf dem Posten war. Auch Jerome Boateng, der auf der linken Abwehrseite anstelle von Holger Badstuber zum Zuge, lieferte in der Partie gegen das Team seines Halbbruders Kevin-Prince eine solide Vorstellung.

In der Offensive lief das deutsche Spiel alles andere als rund. Zehn Tage nach dem gefeierten 4:0 gegen Australien zum WM-Auftakt drohte auch Özil ein Opfer seiner Nerven zu werden, ehe er sich mit dem goldenen Treffer zum Matchwinner aufschwang. Schweinsteiger war lange Zeit der einzige, der sich im deutschen Mittelfeld um Struktur bemühte, doch dem Münchner fehlte die Unterstützung. Cacau als Vertreter des gesperrten Miroslav Klose und Lukas Podolski waren in ihren Aktionen zu ungenau. Und die Standardsituationen des DFB-Teams verpufften wie eh und je wirkungslos.

Nervöse deutsche Elf

Bei den „Stars“ unterstrich Kevin-Prince Boateng, dass er in wenigen Wochen schon zum Leistungsträger seiner Mannschaft gereift ist. Der frühere Berliner, der mit seiner bösen Attacke Michael Ballack um die WM-Teilnahme gebracht hatte, war zentrale Anspielstation und leistete sich nicht ein einziges Foul. Bei optimalen Bedingungen, aber empfindlicher Abendkühle waren die ersten Aktionen der deutschen Mannschaft von übergroßer Nervosität geprägt. Wie schon im Serbien-Spiel wurden die Angriffe meist zu zaghaft vorgetragen, nur selten ging es zielstrebig nach vorne. Dennoch wäre in der 10. Minute beinahe das Führungstor gefallen.

Nach einer scharfen Hereingabe von Podolski verhinderte nur eine Blitzreaktion von Ghanas Keeper Richard Kingson ein Eigentor von Jonathan Mensah, der den Ball in Richtung kurze Ecke abgefälscht hatte. Fünf Minuten später beschwor ein Stellungsfehler von Mertesacker erste Gefahr vor dem deutschen Tor herauf, Schweinsteiger klärte nach dem Solo von Kwadwo Asamoah in höchster Not vor dem einschussbereiten Asamoah Gyan. Nach einem mustergültigen Zuspiel von Cacau lief Özil (25.) allein auf das ghanaische Tor zu und hätte das 1:0 machen müssen, doch der Bremer zielte anstatt den Ball zu lupfen mit seinem Flachschuss genau auf den Körper von Kingson.

Überhastete Konter

In der nun hin- und herwogenden Partie rettete im direkten Gegenzug Lahm beim Kopfball von Gyan auf der Torlinie und vereitelte einen Rückstand. Davor hatte erneut Kopfball-Riese Mertesacker ein Luftduell verloren. Ein Freistoß von Schweinsteiger (41.) brachte den unsicheren Kingson noch einmal in Bedrängnis, doch für den Abpraller war niemand zur Stelle. Die Unsicherheiten im deutschen Spiel setzten sich im zweiten Durchgang fort. Auch nach der Führung durch Özils Knaller spielten sich mehrfach bedrohliche Situationen vor Schlussmann Neuer ab. Ihre Konter trug Löws Elf dagegen häufig überhastet vor und verpasste damit das alles entscheidende 2:0.