Nach der Verhandlung, die auf ein großes Medieninteresse gestoßen war, gab Anette Franz Interviews. Foto: Schabel

Anette Franz hat ihren Prozess vor dem Landesarbeitsgericht verloren und darf nicht mehr als Polizeiärztin arbeiten. 

Freiburg/Lahr - Das Land hatte der bekennenden Kritikern der Corona-Maßnahmen wegen angeblich fehlender Verfassungstreue gekündigt. Die 54-Jährige ist Initiatorin der samstäglichen Corona-Demos auf dem Lahrer Museumsplatz, die bei der Verhandlung in Freiburg auch eine Rolle spielten.

Wie lief das Verfahren ab?

Die Lahrerin betrat den Gerichtssaal, in dem zahlreiche Medienvertreter warteten, mit einem leichten Lächeln, nahm den Rummel um ihre Person erstaunt zur Kenntnis. Sogar das SWR-Fernsehen war gekommen, um über ihren Fall zu berichten. Eine Maske trug die vehemente Streiterin gegen die Corona-Regierungspolitik nicht. Erst als die Vorsitzende Richterin Birgit Zimmermann sie darauf hinwies, dass sie so nicht im Saal bleiben darf, setzte Franz eine Maske auf, die sie vom Gericht erhielt. Danach wurde eineinhalb Stunden durchaus mit harten Bandagen gestritten.

Worum ging es?

Nachdem sie im November 2020 in einer kostenlosen Ortenauer Sonntagszeitung eine Anzeige gegen das Infektionsschutzgesetz veröffentlicht hatte, erhielt Franz im Februar 2021 vom Land Baden-Württemberg die ordentliche Kündigung. Ihre Klage dagegen wies das Arbeitsgericht in Offenburg im August ab. Gegen dieses Urteil hatte Franz Berufung eingelegt, die am Mittwochmorgen in Freiburg verhandelt wurde.

Konkret wollte die Lahrerin als Polizeiärztin weiterbeschäftigt werden, ein Posten, den sei seit November 2019 hatte. Im Rahmen dieser 50-Prozent-Stelle hatte Franz zum Beispiel in der Polizeihochschule in Lahr Berufsanwärter auf ihre körperliche Tauglichkeit hin untersucht. Franz wurde im November 2020 nach Erscheinen der Anzeige freigestellt und erhielt ihr Gehalt dann noch bis März 2021.

Was war der Knackpunkt der Verhandlung?

Im Wesentlichen ging es um die Zeitungsanzeige. "Infektionsschutzgesetz = Ermächtigungsgesetz" stand als Überschrift über der Annonce. Damit habe Franz den Staat in die Nähe der NS-Diktatur gerückt, so Anwalt Benjamin Weller. Franz verteidigte sich damit, dass im Gesetzestext die Regierung mehrfach wörtlich zu Maßnahmen gegen die Pandemie "ermächtigt" werde, somit habe man es doch mit einem Ermächtigungsgesetz zu tun. Die Nazi-Zeit habe sie nicht im Sinn gehabt.

Doch die Vorsitzende Richterin Birgit Zimmermann nahm ihr das nicht ab – jeder Mensch mit normaler Schulbildung müsse bei dem Begriff an die NS-Diktatur denken, betonte sie. Prozessbeobachter ahnten an der Stelle, dass das Verfahren für Franz nicht gut ausgehen würde.

Welche Rolle spielten die Kundgebungen in Lahr?

Eine Vertreterin des Präsidiums Technik, Logistik, Service, dem Arbeitgeber von Franz als Polizeiärztin, kam auf die Demonstrationen auf dem Museumsplatz zu sprechen. Dabei habe es "teilweise Ausschreitungen" gegeben, woraufhin Polizisten intern die Sorge geäußert hätten, bei diesen Kundgebungen verletzt und danach von der Demo-Organisatorin Franz behandelt zu werden. Auch deshalb sei sie als Polizeiärztin nicht mehr tragbar.

Gegen diesen Vorwurf wehrte sich Franz. Sie habe bisher insgesamt 84 Samstags-Kundgebungen in Lahr organisiert, die alle friedlich verlaufen seien. Mit der Stadtverwaltung und der Polizei in Lahr gebe es keine Probleme. Die Beamten würden sich gern von ihr behandeln lassen, einer habe danach sogar die Sprechstunde ihrer Praxis für Osteopathie in Lahr aufgesucht.

Der Vorwurf, dass ihr Verhältnis zu den von ihr behandelten Polizisten "zerrüttet" sei, ließ sich in dem Verfahren somit letztlich nicht belegen. Tatsächlich hat es bei den von Franz in Lahr organisierten Demos auch keine Ausschreitungen gegeben.

Wurden weitere Vorwürfe gegen Franz laut?

In dem Verfahren gab es noch ein Hin und Her, da Franz sich bei einem Personalgespräch mit Polizeipräsident Thomas Berger im Dezember 2020 gegen Corona-Impfungen ausgesprochen haben soll. Allerdings widersprach die Lahrerin auch hier. Sie würde durchaus Polizisten gegen Corona impfen, sofern sichergestellt sei, dass die Beamten über die möglichen Risiken aufgeklärt seien und freiwillig mitmachen würden.

Was hat Anette Franz sonst noch gesagt?

Sie betonte mehrfach, dass es ihr um Meinungsfreiheit und die Wahrung der Grundrechte geht. Sie stehe auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sei gern Polizeiärztin und wolle es bleiben, da sie diese Einnahmen auch brauche.

Was meinte die Richterin?

Bereits in ihren einleitenden Worten betonte Richterin Zimmermann, wie schwierig die Entscheidungsfindung in diesem Fall sei. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut und gelte natürlich auch für Angestellte des Landes. Die dürften den Staat andererseits aber auch nicht "verächtlich machen". Einmal sprach Zimmermann sogar davon, dass das Gericht sich mit der Entscheidung in diesem Fall "quäle". Im weiteren Verlauf versuchte sie mehrfach, Franz goldene Brücken zu bauen, bat sie, sich in der Sache doch "nicht zu verkämpfen".

Konkret schlug die Richterin vor, sich auf eine Kündigung zum 30. September 2021 zu einigen, was Franz sechs zusätzliche Monatsgehälter eingebracht hätte. Nach Beratung mit ihrer Anwältin lehnte Franz ab, woraufhin ihr eine Kündigung zum 31. Dezember 2021 offeriert wurde – das wären neun zusätzliche Monatsgehälter gewesen. "Sind Sie sicher?", ermahnte Zimmermann Franz, als die auch dieses "finale Angebot" nach einer Bedenkzeit ausschlug. Danach zog das Gericht sich zurück und verkündete knapp drei Stunden später das Urteil, das keine Überraschung mehr war.

Wie wurde das Urteil begründet?

Die Kündigung ist nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts wirksam. Mit der Zeitungsanzeige habe Franz das Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis gleichgesetzt. Damit habe sie gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Landes verstoßen. Insbesondere habe sie gegen die Pflicht verstoßen, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht habe das Gericht nicht zugelassen, sagte ein Sprecher.

Kommentar: Bis zum Äußersten

von Herbert Schabel

Wer bei Daimler arbeitet und in einer Zeitungsanzeige kundtut, dass sein Arbeitgeber schlechte Autos baut, braucht sich nicht zu wundern, wenn er seinen Job bald los ist. Entsprechend hat sich Anette Franz mit ihrer Kritik an der Corona-Regierungspolitik weit aus dem Fenster gelehnt – zu weit, wie das Landesarbeitsgericht jetzt entschieden hat. Ihre Kündigung sei deshalb rechtens gewesen. Mit der Erwähnung des Ermächtigungsgesetzes in ihrer öffentlichen Kritik ist Franz tatsächlich verbal bis zum Äußersten gegangen – so wie sie nun auch vor Gericht nicht zurückgesteckt hat. Denn wenn sie den Vergleichsvorschlag (Kündigung zum 31. Dezember 2021) akzeptiert hätte, wäre sie jetzt um neun Monatsgehälter als Polizeiärztin reicher. Dass sie dieses Angebot ausschlug, obwohl doch eigentlich klar war, dass sie das Verfahren verlieren würde, hat die Prozessbeobachter erstaunt.

Aber Franz gibt offenbar nicht nach. Dieser Haltung kann man durchaus Respekt zollen, ohne ihre Position deshalb zu teilen. Immerhin ist es ihr in dem Verfahren aber gelungen, den Vorwurf zu entkräften, keine vertrauenswürdige Ärztin zu sein. Überhaupt haben die Vertreter des Landes einiges aufgefahren und beim Vorwurf, bei den von Franz organisierten Demonstrationen in Lahr sei es zu Ausschreitungen gekommen, schlicht die Unwahrheit verbreitet. Wer anderen vorwirft, sich verbal zu vergreifen, sollte auch selbst aufpassen, was er sagt.