Max Schulz (von links) Marvin Cromer, hinten , Matthias Röderer, Leon Oertel und Christian Weschle haben am Karfreitag und Ostersamstag das Glockengeläut durch Rätschen ersetzt. Foto: Bohnert-Seidel

Die Glocken schweigen in der Karwoche – ab dem Gloria der Messe am Gründonnerstag bis zum Gloria in der Osternacht. Stille kehrt ein, weil an den Tod und das Leiden Jesu erinnert wird. Der Glockenruf wird an den beiden Tagen durch Rätschen ersetzt.

Die fünf Freunde Marvin Cromer, Max Schulz, Leon Oertel, Christian Weschle und Matthias Röderer haben gemeinsam bis 2017 am Altar in der Kirche gedient. Als Ministranten standen sie dem Pfarrer zur Seite. Wichtig war ihnen nicht nur der Dienst in der Kirche, sondern auch die Gemeinschaft. Bei einigen waren sogar Väter und Großväter bereits im Ministrantendienst. Dazu gehört seit vielen Jahren auch das Rätschen. „Für uns ist es eine Tradition“, sagt das Quintett zum Treffpunkt morgens um 5.40 Uhr auf dem Grundschulhof. Verschlafen bleibt Oberweier um diese Uhrzeit.

In fünf Schlafzimmern wurde der Wecker auf 5.30 Uhr gestellt. Schließlich sollte bereits wenige Sekunden nach dem letzten Glockenschlag um 6 Uhr die Rätsche ertönen. Christian Weschle war schon am Gründonnerstag kurz auf dem Turm und hat dort gefegt. Übersät war der Glockenboden von Vogelkot und Spinnweben, erzählt er gegenüber unserer Redaktion. Gleich hinter der Bodenluke im dichten Stahlgeäst steht die Karfreitagsrätsche. Frisch geputzt, glänzt sie für ihren wichtigen Auftritt an zwei Tagen. Dem Aussehen nach gleicht sie aus den vorigen Jahrhunderten.

Tradition wird von Generation zu Generation an die Ministranten im Ort weitergegeben

Im Gespräch mit Heimathistoriker Josef Eisenbeis bekannte dieser: „Mit der Historie des Rätschens habe ich mich noch nicht befasst, aber selbst mein Bruder Paul, Jahrgang 1928, hat bereits im Kirchturm gerätscht.“ Im Grunde wurde die Tradition des Rätschens von Generation zu Generation an die Ministranten im Ort weitergegeben.

Das sogenannte Schrapinstrument ist etwa einen Meter lang 40 Zentimeter hoch und 35 Zentimeter breit. Sechs Federblätter liegen über dem Holzkasten. Am Ende sind sie mittels Querlatte verbunden. Über eine Kurbel, die mit einzelnen Zähnen an der Walze bestückt ist, werden beim Drehen die Blätter bewegt und erzeugen einen ohrenbetäubenden Lärm.

Warum die jungen Männer zu fünft auf dem Dachboden der Kirche erscheinen, wird spätestens nach dem ersten Drehmoment deutlich. „Schwung, Kraft und gleichmäßiger Rhythmus erzeugen nahezu einen stetig lauten Ton. Eineinhalb Minuten im Dauerschwung und aus der Hocke heraus, bringen die jungen Männer ganz schön außer Puste. Christian Weschle stellte sich hinten auf den Rand, wo die Zungen gebündelt sind. „So springt uns der Kasten nicht weg“, erklärte der 28-Jährige. Im Laufe der Jahre haben sie ihre besondere Technik entwickelt. Einen Probelauf gibt es natürlich nicht.

Kaum ist die Glocke nach dem sechsten Schlag verstummt, ging es los. Schweigsam, einer nach dem anderen. So ging das sieben Minuten lang in einer Dauerschleife, in der sich die jungen Männer die Kurbel in die Hand gaben. Vergleichbar ist das der Übergabe beim Staffellauf. In der Mittags- und Abendzeit hat das Quintett auch die jungen Ministranten mit ins Boot geholt.

Sieben Mal zu hören

Die Tradition des Rätschens geht im Friesenheimer Ortsteil Oberweier auf viele Generationen zurück. Gerätscht wird am Karfreitag um 6, um 12 und um 18 Uhr. Sowie am Karsamstag um 10.45, um 12, um 18 und um 20.45 Uhr. Das Rätschen ersetzt das kräftige Glockengeläut zum Gottesdienst. Das Ratschen in der Karwoche wurde im Jahr 2015 von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe in Österreich anerkannt.