Der vor Kurzem bei der Bild-Zeitung erschienene Artikel und der LZ-Artikel vom 7. Juni 2019 Foto: Bild/LZ/Geitlinger

„Weltweit einmalig dank QR-Technik: Neue Straßenschilder machen schlau“ titelte die Bild-Zeitung über ein Studentenprojekt in Hannover. In Ettenheim sorgt das für Verwunderung: Dort läuft ein ähnliches Projekt bereits seit 2018. Der Unterschied liegt im Detail.

18 Straßenschilder sind es, zu denen Passanten seit Donnerstag in Hannover Informationen bereit gestellt bekommen. An jedem von ihnen hängt nun ein Schild, das einen QR-Code ausweist. Scannt man diesen mit dem Handy oder Tablet, wird man zu einer Internetseite weitergeleitet, auf der man weitere Infos zum Straßennamen erhält – etwa zu der Person, nach der sie benannt ist oder zu den Ereignissen, die dort geschahen.

Hannoveraner Projekt verwendet moderne Technik

Dass dies laut der Bild-Zeitung eine „weltweit einmalige Idee“ sein soll, nimmt in Ettenheim auf den ersten Blick etwas Wunder. Denn dort begannen Sigmar Schuler und Klaus Schade bereits 2018 auf Anregung der Stadt die Straßennamen mithilfe von QR zu erklären. Design und Ausführung hatten sie damals selbst erfunden. Auf einer 15 mal 15 Zentimeter großen Plakette unter dem Straßenschild werden Passanten die Namensgeber der Straße kurz vorgestellt, darunter findet sich ein QR-Code. Dieser leitet einen auf die Seite der Stadt um, wo man sofort weitere Infos zur Straße erhält. Die Lahrer Zeitung berichtete schon Juni 2019 darüber. Inzwischen haben die beiden noch Unterstützung von Michael Hecht bekommen.

So werden in der Stadt Hannover die Straßennamen erläutert. Foto: Marlene Nendza

Die Grundidee ist also nicht neu. Der Unterschied wird erst deutlich, wenn man den Straßennamen tatsächlich aufruft. In Hannover ist die Gestaltung moderner und nimmt bewusst die jüngere Zielgruppe in den Blick. Klickt man in Ettenheim auf die Seite, findet man dort einen Text mit Bild, in Hannover hat der Studiengang „Visuelle Kommunikation“ das gehörig aufgepeppt: 3D-Elemente, Ton und Text lassen den Ort lebendig werden. Ähnlich wie man es etwa von der App „Pokemon Go“ kennt, wo auf dem Bild, das die Kamera auf dem Handy zeigte, plötzlich bunte Monster auftauchten. In Fall von Hannover sind es dann Schlachten, Gegenstände oder andere Elemente, wodurch der Betrachter auch emotional angesprochen werden und die Geschichte quasi erleben soll. „Augmented Reality“ – erweiterte Realität – heißt dieses Konzept. „Wir haben ein halbes Jahr dazu geforscht und probiert“, erklärt Professorin Maiken Laackmann der Hochschule Hannover in der „Bild“ dazu. Um es also auf den Punkt zu bringen: Die Idee und die QR-Technik ist nicht neu, die Ausführung allerdings schon.

So werden in der Stadt Ettenheim die Straßennamen erläutert. Foto: Geitlinger

Ettenheimer Projekt ist um einiges umfangreicher

Doch auch wenn die Hannoveraner Lösung der Ettenheimer technisch überlegen sein mag, verstecken muss sich die Rohanstadt nicht. In Hannover sollen nach den 18 bereits erfassten Straßennamen vorerst keine weiteren mehr folgen. In Ettenheim sind es schon jetzt 150 – und weitere 100 sollen noch dazu kommen.

„Das Schöne an Ettenheim ist, dass dort die meisten Straßen eine Bedeutung haben. Es gibt hier relativ wenig ,Blumennamen’ oder Ähnliches, sondern viele Bezüge zur Stadtgeschichte, die wir durch unser Projekt deutlich machen“, so Schuler. Das motiviere auch ihn, Schade und Hecht das Projekt zu Ende zu bringen – und dazu, von Anfang an in größeren Dimensionen zu denken.

So sind in Ettenheim die Straßennamen in verschiedene Kategorien eingeteilt und auch untereinander verlinkt. Hat eine Straße etwa ihren Namen einem Gewässer zu verdanken, findet man bei der Erklärung auch den Link zu weiteren Ettenheimer Straßennamen, bei denen das ebenso ist. So kann man auch eine unterhaltsame Reise durch die Geschichte Ettenheims machen. Etwa dann, wenn man die Straßen, die nach den 1848er-Revolutionären benannt und alle vollständig erfasst sind, durchklickt.

Da ein Bild oft mehr als 1000 Worte sagt, hat jede Straßennamen-Erklärung ein Bild, das einen Bezug zur Straße hat. So findet sich etwa bei der Chavoen-Straße eine Nachbildung der Schlacht, bei der der 1848er-Revolutionär Augustin Chavoen ums Leben kam.

Drittens war es Schade und Schuler wichtig, dass die Aussagen, die sie über die Straßen treffen, belegbar und überprüfbar sind. So finden sich bei jeder Erklärung auch die Quellen, aus denen sie stammt. Eine große Hilfe ist ihnen und Hecht dabei die Datenbank des katholischen Pfarrers Jörg Sieger. Bei alten Flurnamen sei es schwer gewesen, belegbare Informationen darüber zu bekommen, woher sie stammen, erklärt Schuler. So habe man dort auch Mutmaßungen und Überlegungen älterer Mitbürger aufgenommen. „Das ist Wissen, das sonst vielleicht verloren gehen würde, durch das Projekt wird es bewahrt“, so Schuler.

Projekte verfolgen unterschiedliche Intentionen

Zusammengefasst ist in Ettenheim das Projekt also umfassender und zur Wissensbewahrung angelegt, in Hannover soll es in erster Linie Impulse für die jüngere Generation geben, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen.

Umstrittene Straßenschilder

Da in Ettenheim alle Schilder erfasst werden sollen, hat man sich dort auch überlegt, wie man mit den Menschen umgeht, nach denen man vom moralischen Standpunkt aus heutiger Sicht eventuell keine Straße mehr benennen würde. In Freiburg gab es etwa den Ansatz, für solche Straßen eine Umbenennung zu beantragen – sie quasi aus der Erinnerung zu löschen. In Ettenheim haben sich Schuler und Schade für einen aktiven Umgang mit der Geschichte entschieden. In der Erläuterung zur Straße thematisieren sie, warum der Name mittlerweile problematisch sein könnte.