Julius Weil starb in Auschwitz. Foto: Fuß

Zum 85. Mal jährt sich am heutigen Freitag die Pogromnacht. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten Synagogen, Geschäfte wurden verwüstet, Juden verhaftet und misshandelt. Auch im Kinzigtal wurden sie das Opfer von Ausschreitungen.

Vor 85 Jahren brannten in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 im gesamten Deutschen Reich Synagogen und weitere jüdische Einrichtungen. Auch in Haslach drangsalierten organisierte Schlägertrupps der Nationalsozialisten jüdische Mitbürger.

Wie Sören Fuß, Leiter und Gründer der Gedenkstätte Vulkan, der sich für die Aufarbeitung der NS-Zeit einsetzt, berichtet, wurde in Haslach in der Sägerstraße 20 die Wohnung der Familie Josef Bloch verwüstet, im Geschäft wurden Öle und Fette ausgeschüttet. Joseph Bloch und sein Sohn Artur wurden für fünf Wochen in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.

Joseph Bloch wurde verschleppt.

Der Dentist Eugen Geismar wurde für einige Wochen im Wolfacher Gefängnis inhaftiert, obwohl er schon lange zum katholischen Glauben übergetreten war. Familie Moses aus der Mühlenstraße 9 war nach Freiburg verzogen, dort war sie noch nicht amtlich erfasst und so konnte sich Alfred Moses der Verhaftung entziehen, indem er mit dem Zug ständig seinen Aufenthaltsort wechselte.

Fritz Mannheimer aus der Engelstraße 25 hatte in Karlsruhe eine Textilgroßhandlung gegründet, von wo er im Novemberpogrom für einen Monat ins KZ Dachau eingeliefert wurde. Julius Weil aus der Hauptstraße 48 war mit Eltern und Geschwistern nach Mannheim übergesiedelt, von dort kam er ebenfalls am 9. November 1938 für einen Monat ins KZ- Dachau. Später haben er, seine Mutter und seine Schwester sowie die jeweiligen Ehepartner Auschwitz nicht überlebt. Eine ganze Reihe weiterer jüdischer Familien sind vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aus Haslach in größere Städte verzogen. Die Männer wurden allesamt nach dem Novemberpogrom für einige Wochen inhaftiert. Danach folgten noch weitere Jahre der Unterdrückung und Gewaltherrschaft, die schließlich in den Holocaust mündeten. Eine große Zahl ehemaliger Haslacher fanden dabei den Tod. Wenigen Haslachern gelang die Flucht. So auch Helmut Moses, der sich vor wenigen Tagen an seinem 95. Geburtstag nach seiner Heimatstadt Haslach erkundigte, der Stadt in der er von 1931 bis 1938 den katholischen Kindergarten und die Schule besucht hatte. Moses lebt mittlerweile in New York.

Artur Bloch kam nach Dachau.

In anderen Kinzigtäler Gemeinden blieb es zum größten Teil ruhig. Laut der Volkszählung von 1933 gab es dort keine Juden. Das bedeutete aber nicht, dass es dort keine Judenfeindlichkeit gab. Dies wird am Beispiel einer Auseinandersetzung um die Jagdverpachtung Hausach-Einbach deutlich. Bei einer Jagdversteigerung im Rathaus gab es neben den bisherigen ortsansässigen Bieter noch Franz Schiele, der Fabrikbesitzer in Hornberg war. Er gab das beste Angebot ab, doch noch ehe Schiele einen rechtskräftigen Zuschlag erhalten hatte, wandten sich seine Konkurrenten an Reichsjägermeister Göring und wiesen ihn darauzf hin, dass Schiele Jude sei. Schiele erhielt mit Rückendeckung des damaligen Hausacher Bürgermeisters Alfred Haas zwar trotzdem den Zuschlag, allerdings wurde Schiele danach so drangsaliert, dass er 1936 um die Aufhebung des Vertrags bat.

Fritz Mannheimer starb im KZ.

Auch in Wolfach gab es um diese Zeit keine jüdische Gemeinde, berichtet der Wolfacher Historiker Frank Schrader. Das heiße aber nicht, dass es keine Juden gab. Er verweist auf einen Artikel, der am 11. November 1938, zwei Tage nach der Reichspogromnacht, in der Wolfacher Tageszeitung „Der Kinzigtäler“ erschien. Darin heißt es: „Zur Verhütung von Ausschreitungen gegen die Juden, die nach der Nachricht vom Ableben des für Deutschland gefallenen Gesandtschaftsrates vom Rath in berechtigter Empörung zu erwarten waren, wurden in den gestrigen Frühstunden sämtliche erwachsenen männlichen Juden in den Amtsbezirken Kehl, Lahr, Offenburg und Wolfach in Schutzhaft genommen“.

Wolfacher Gefängnis

Eine besondere Rolle bei der Verfolgung und Inhaftierung politischer Gengner aus dem Kreis Wolfach spielte im Dritten Reich das 1899 erbaute Wolfacher Amtsgefängnis, das sich bis 1990 auf dem Gelände des heutigen Johannes-Brenz-Heims befand. Dort wurden auch auch Juden, Homosexuelle sowie Sinti und Roma inhaftiert.