Für Eltern wird es im Ortenaukreis immer schwerer, einen Arzt für ihre Kinder zu finden. Foto: Symbolfoto: Gollnow

Die kinder- und jugendärztliche Versorgung in der Ortenau ist aktuell so schlecht, dass in den Praxen regelmäßig Eltern abgewiesen werden müssen, sagt der Kinderarzt Markus Wössner. Um das zu ändern, hat er sich an die Politik gewandt.

Ortenau - Die Lage sei prekär: "Es gibt immer wieder Eltern mit Neugeborenen, die keine Versorgung finden", erklärt Markus Wössner im Gespräch mit unserer Redaktion. Neben seiner Tätigkeit als Kinderarzt in einer Praxis in Achern ist er auch Obmann der Kinder- und Jugendärzte im Ortenaukreis. Die Anzahl der Ärzte würde aber nicht ausreichen, um alle Kinder zu versorgen. Nicht nur bei ihm in der Praxis, sondern auch bei Kollegen, müssten immer wieder Familien abgewiesen werden, die in der Folge häufig lange Anfahrten in Kauf nehmen müssten. "Das ist belastend", so der Kinderarzt.

Die Zunahme der Zahl an Kindern, die sich ändernden Auflagen für die Ärzte, der immer breiter werdende Aufgabenbereich und der immer größer werdende Wunsch nach Beratung seien Gründe für die derzeitige Lage. Es sei "höchste Eisenbahn" an dieser Situation etwas zu ändern, so Wössner.

Verbundweiterbildung als Lösung

Deshalb hat er sich an die Politik, genauer an die Landtagsabgeordneten Bernd Mettenleiter (Grüne) und Willi Stächele (CDU), gewandt. Gemeinsam haben sie eine Anfrage an das Sozialministerium gestellt, um Informationen zur derzeitigen Situation zu erhalten und mögliche Lösungen für den Ortenaukreis zu diskutieren. "Die Anfrage sollte einen Impuls geben. Was sich danach ergibt, wird man sehen", erklärt Bernd Mettenleiter auf Nachfrage der LZ.

Im Antwortschreiben des Ministeriums wird die Kinderarzt-Versorgung von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) zwar mit 110 Prozent – rechnerisch überversorgt – angeben, jedoch räumt die Vereinigung auch ein, dass die "vor Ort wahrgenommene Versorgungssituation oftmals von der bedarfsplanerisch gemessenen Situation abweicht". Die Anerkennung, dass die Situation auf Papier nicht immer mit der realen Situation übereinstimmt, hält Wössner für bemerkenswert. "Die Anerkennung ist ein erster Schritt, um Abhilfe zu schaffen", sagt er.

Ein zentrales Anliegen der Anfrage war auch eine neue Form der Facharztausbildung für angehende Kinder- und Jugendärzte. Bei dieser "Verbundweiterbildung" absolvieren diese ihre Ausbildung nicht nur in der Klinik, sondern zusätzlich in den Praxen der niedergelassenen Ärzte. Dieses Programm gebe es zwar schon länger, allerdings nicht im Ortenaukreis.

Eltern wollen immer mehr Beratung

"Die Ausbildung ist eine konkrete Möglichkeit, um vier bis fünf neue Kollegen zu haben", so Wössner. Die Verbundweiterbildung werde seit einiger Zeit vom Land gefördert. Willi Stächele erhofft sich dadurch, dass die ambulante Versorgung gestärkt wird und die angehenden Fachärzte Einblicke in den ambulanten Praxisbetrieb bekommen. Eine weitere Möglichkeit, die Versorgungslage zu verbessern, sei die Einrichtung eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in der Ortenau, in dem behinderte und schwerkranke Kinder behandelt werden. "Das ist längst überfällig", sagt Wössner. Die Ortenau sei eine der wenigen Landkreise, die noch kein SPZ hätten. "Dies würde die ortsnahe Versorgung behandlungsintensiver Kinder verbessern und gleichzeitig die niedergelassene Ärzteschaft entlasten", so Mettenleiter. Das Sozialministerium begrüße die Einrichtung eines SPZ, heißt es im Antwortschreiben, jedoch würde die Entscheidung bei den Krankenhausträgern in der Ortenau liegen.

Weitere Möglichkeiten, die zu Entlastungen führen können, sind laut Ministerium die Bildung größerer Praxiseinheiten oder die Delegation von medizinischen Leistungen auf andere Berufsgruppen. "Für diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung bestehen keine einfachen Lösungen", heißt es. "Politik muss sich um das Thema kümmern. Daher sind solche Initiativen, die Öffentlichkeit schaffen, wichtig", ist für Wössner klar. "Es ist Einiges in Bewegung", sagt er und erwartet jedoch, dass sich erst mittel- oder langfristig etwas ändern wird.

Versorgungslage im Ortenaukreis

Ende des Jahres 2020 gab es in der Ortenau etwas mehr als 75 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Diese Zahl nimmt weiter zu, teilen die Abgeordneten mit. Gleichzeitig steht bei den niedergelassenen Ärzten ein Generationswechsel bevor.