Bleiben die Corona-Infektionszahlen auf niedrigem Niveau, sitzen die Schüler im Ortenaukreis schon bald wieder ohne Maske im Unterricht. Das Vorhaben der Landesregierung stößt in der Region auf Kritik. Foto: Balk

Ortenau - Die Maskenpflicht an Schulen soll in Regionen mit geringen Infektionszahlen fallen. Das hat die Landesregierung am Dienstag angekündigt. Im Ortenaukreis wären die Voraussetzungen erfüllt – was Lehrer und Eltern beunruhigt.

Weil das Coronavirus auf dem Rückzug scheint, werden die Forderungen nach Lockerungen lauter. So wird seit Tagen darüber diskutiert, in welchen Bereichen das Tragen eines Mund-Nasenschutzes noch vonnöten ist (siehe Info). Für Baden-Württemberg hat Gesundheitsminister Manfred Lucha die Frage zumindest teilweise beantwortet: In einer Neuauflage der Corona-Verordnung soll festgeschrieben werden, dass Schüler und Lehrer in Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 künftig "oben ohne" gehen können, kündigte der Grünen-Politiker nun an.

Was bei vielen Kindern und Jugendlichen buchstäblich für Aufatmen sorgen dürfte, erfüllt Lehrer- und Elternvertreter in der Region mit Sorge. "Ich persönlich freue mich sehr auf die Zeit ohne Maske, ich weiß aber nicht, ob diese schon gekommen ist", sagt Matthias Biegert, Ortenauer Co-Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ähnlich äußert sich Christine Marrek, Gesamtelternbeiratsvorsitzende in Lahr, gegenüber unserer Zeitung: "Damit setzen wir in den verbleibenden sechs Wochen bis zu den Sommerferien alles bisher Erreichte aufs Spiel."

Der Ortenaukreis liegt seit Wochen unter der maßgeblichen 35er-Marke – Tendenz sinkend. Bleibt das so, würde nach dem Plan der Landesregierung die Maskenpflicht noch diesen Monat in allen Schularten fallen. Die neuen Pandemie-Regeln sollen voraussichtlich ab dem 28. Juni greifen.

Schüler kommen mit Masken und Tests gut klar

"Ich bin überzeugt, dass die Maßnahmen an den Schulen mit zu der guten Entwicklung beigetragen haben", sagt Biegert. Es gebe keine Not, diese voreilig zu lockern: "Auch wenn es jetzt heiß wird und mancher stöhnt – der Großteil der Schüler kommt mit dem Maskentragen und den regelmäßigen Tests sehr gut klar." Die größte Sorge des GEW-Manns, der selbst Lehrer an der Grundschule in Kippenheim ist: "Dass die Infektionszahlen wieder hochgehen und am Ende wieder die Schulen geschlossen werden."

Ein Szenario, das auch Elternvertreterin Marrek um jeden Preis verhindern will: "An einem hessischen Gymnasium ist jetzt die Delta-Variante aufgetreten." Solange diese als deutlich ansteckender geltende Mutante des Coronavirus’ "im Raum schwebt", kommt für die Krankenschwester ein Ablegen des Mund-Nasen-Schutzes im Klassenzimmer nicht infrage: "Meine drei Söhne werden die Maske definitiv aufbehalten. Diese Wahlmöglichkeit bleibt auch bei Wegfall der Pflicht bestehen."

Während Marrek auch den Schutz der Lehrer im Blick hat, "die immer noch nicht alle geimpft sind", sorgt sich Biegert um die Gesundheit der Eltern: "Das ist die Generation, die in weiten Teilen noch nicht die Gelegenheit hatte, sich immunisieren zu lassen." Zwar sieht der Gewerkschafter Kinder nicht als Pandemie-Treiber. "Wenn es aber Ansteckungen gibt, werden diese anders als bei Erwachsenen spät oder gar nicht erkannt, was für die Angehörigen sehr gefährlich werden kann."

Das Vorhaben der Landesregierung ist aus Sicht Biegerts im Übrigen "Wasser auf die Mühlen" von Maskenverweigerern. "Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten bei vielen Eltern große Überzeugungsarbeit leisten müssen". Diese würde jetzt untergraben. "Ich weiß nicht, wie groß die Bereitschaft wäre, wenn es irgendwann wieder heißt: Masken wieder aufsetzen."

Weitere Lockerungen

Neben der Inzidenz im jeweiligen Landkreis soll für den Wegfall der Maskenpflicht nach dem Willen der Landesregierung auch die Situation an jeder Schule maßgeblich sein. Sobald es einen punktuellen Ausbruch gebe, werde die Maskenpflicht sofort wieder angeordnet, erklärte Gesundheitsminister Manfred Lucha am Dienstag in Suttgart – und stellte gleichzeitig auch in anderen Bereichen Lockerungen vom Mundschutz-Tragen in Aussicht. Etwa an offenen Bahnhöfen und Bushaltestellen. Im Handel, in Einkaufszentren oder bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen soll die Maske im Land indes weiterhin Pflicht sein, ebenso bei größeren Sportveranstaltungen.