die Referentinnen und Referenten (von links) Dorothea Brust-Etzel, Horst Gaiser, Stephan Ziehms, Gunilla Duffner-Rebbe, Melanie Friedrich und Irmtraud MusslerFoto: Dorn Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Vorträge zur "Letzten Hilfe" stoßen auf großes Interesse bei Pflegenden und Angehörigen

Mit knapp 100 Gästen, darunter viele pflegende Angehörige und Mitarbeiter im Pflegebereich, war die Infoveranstaltung "Letzte Hilfe" in Haslach sehr gut besucht. Sechs Referenten berichteten über die Unterstützungsangebote in der Ortenau für Sterbende.

Haslach. Als Erzählerin führte Irmtraud Mussler vom Hospizdienst an einem Fallbeispiel durch den Prozess. Dorothea Brust-Etzel stellte den Hospizdienst der Caritas vor. Im Erstgespräch mit dem Hospizdienst würden viele Fragen geklärt, Kontakte zu Palliativ-Medizinern hergestellt und vor allem Zeit geschenkt. Die Krankenschwestern von der Brückenpflege kümmerten sich um das, was alles bedacht werden muss, wenn ein Krankenhaus-Patient als Sterbender zurück nach Hause kommen soll. Befinden sich beispielsweise im Haushalt alle Pflegemittel vom Toilettenstuhl bis zum Pflegebett.

Gunilla Duffner-Rebbe und ihre acht Kolleginnen sind von 8 bis 16 Uhr mobil erreichbar, ihre Dienste werden über die Krankenkasse abgerechnet.

Wenn Heilung kein realistisches Ziel mehr ist

Stephan Ziems stellte den Beitrag der Hausärzte vor, die oft im langjährigen Vertrauensverhältnis zu den Sterbenden stünden. Ziems sprach über die verschiedenen Schmerz-Dimensionen und die Stufentherapie, um mit den stärker werdenden Schmerzen umgehen zu können. Die Medikamente sind Opium- oder Morphinbasiert, und werden oft in Kombination mit Cortison oder anderen Arzneien, die eigentlich für andere Krankheiten konzipiert sind, in der Palliativ-Medizin aber mitunter gute Wirkungen erzielten, verabreicht. Wenn Heilung kein realistisches Ziel mehr sei, müsse entschieden werden, ob Schmerzen gelindert, Zeit gewonnen oder das Sterben "ausgehalten" werden soll.

Stößt der Hausarzt an seine therapeutischen Grenzen, ist die Indikation beziehungsweise Beantragung einer SAPV (spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung) für maximal vier Wochen durch besonders ausgebildete Teams möglich. Bei der SAPV ist der Hausarzt mit an Bord und wird beispielsweise zur Ethikberatung mit gehört. Umgekehrt kann eine SAPV das Budget der Hausarztpraxis entlasten, wenn Medikamente und Hilfsmittel über die SAPV und nicht den Hausarzt abgerechnet werden.

"Sie können meinen Vater doch nicht verdursten lassen!", konfrontierte Gaiser die Zuhörer nach der Pause mit einem Vorwurf, den sich viele Sterbebegleiter von den Angehörigen in Extremsituationen anhören müssten. Essen und Trinken seien die emotionalsten Themen im Sterbeprozess. Gaiser verwies auf die Folgen von eingelagertem Wasser in den Beinen, welches beim Rückfluss in den Körper zu schmerzhaften Wassereinlagerungen im Bauchraum führen könne. Ein reduziertes Trinkverhalten sei Teil des Sterbeprozesses, nicht dessen Ursache, konstatierte der Mediziner. Mit Fotos des Kaninchens seiner Tochter illustrierte der Mediziner den Sterbeprozess. Im gesegneten Alter von acht Jahren hatte sich das Tier einen Hinterlauf gebrochen. Dem Therapievorschlag "Einschläfern" wollte sich die Tochter als "pflegende Angehörige" nicht anschließen und so waren dem Kaninchen zwei weitere Lebensjahre vergönnt, ehe es im Sterbeprozess Nahrung und Trinken verweigerte. An dieser Stelle verkniff sich Gaiser den Hinweis auf das für nichtig erklärte Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe nicht. Unter 200 palliativ betreuten Sterbenden hätte er erfahrungsgemäß einen, für den Sterbehilfe die bessere Option sei.

Gaiser stellte die Palliativ-Stationen vor, auf die ein Sterbender immer dann überwiesen werden könne, wenn seine Symptomlage unter ambulanten Bedingungen auch für den SAPV nicht mehr behandelbar sei. Auf diesen Stationen sei auch die "palliative Sedierung" ein Therapieansatz. Hierbei wird der Patient mit hohen Medikamentendosen in erholsame Schlafphasen geschickt, aus denen manche Patienten nicht mehr aufwachen.

Als bettenbelegender Klinik-Aufenthalt ist auch die Palliativ-Station nur eine Station auf Zeit. Etwa die Hälfte der Patienten verstirbt, die übrigen können stabilisiert werden und wieder zurück in die häusliche Betreuung. Als letzte Station kommt auch ein Platz im Hospiz "Maria Frieden" im Offenburger Vinzentius-Haus in Betracht.

Sprühflasche ist wichtigstes Hilfsmittel

Dessen Leiterin Melanie Friedrich bestritt den letzten Vortragspart und referierte über die fünf Sterbe-Phasen nach Elisabeth Kübler-Ross. Oberste Prämisse sei auch hier Artikel eins des Grundgesetzes, also die unantastbare Würde des Menschen. Auf 18 Quadratmetern Wohnfläche könnten sich die Sterbenden für mehrere Wochen noch einmal mit persönlichen Gegenständen einrichten, Musik- und Kunsttherapie bieten ein wenig Luxus auf den letzten Metern des Lebenslaufs. Wichtigstes Hilfsmittel im Hospiz ist das Sprühfläschchen, um den Mund feucht zu halten. Ins Fläschen kommt, was dem Sterbenden guttut. Friedrich berichtete von einem Sterbenden, dem Bier-Eiswürfel in den Mund geträufelt worden waren, "Export, kein Pils!", lautete die Anweisung an das Pflegepersonal für die letzten Stunden.

Jeder der Vortragenden packte einen Gegenstand in den Koffer für die letzte Reise, der für seine oder ihre Profession stand. Dorothea Brust-Etzel begann mit Vogelfedern – symbolhaft für die Behutsamkeit, mit der vom Hospizdienst der Erstkontakt mit der Familie gesucht wird., Hausarzt Ziehms wählte ein Stethoskop, sein Kollege vom SAPV das zweiseitige Antragsformular, Gunilla Duffner-Rebbe vom Brückenteam eine Eisenbahnbrücke und Melanie Friedrich Mundsprühflasche, Gedenkstein und Trauerkarte.