Totz allem haben Matthias, Catherine und Jeanette Ott viel Spaß zusammen. Foto: privat

Soziales : Catherine Ott ist eines der beiden diesjährigen Bärenkinder

In wenigen Tagen feiert Catherine Ott ihren 16. Geburtstag – und das, obwohl die Ärzte ihr maximal drei Jahre zu leben gaben. Catherine hat das Down-Syndrom und mehrere andere gesundheitliche Probleme. Sie ist eines der zwei Bärenkinder.

Hausach/Bad Rippoldsau-Schapbach - Catherines Eltern Jeanette und Matthias kommen ursprünglich aus Berlin, leben aber seit 32 Jahren im Schwarzwald. Seit zwei Jahren ist Bad Rippoldsau-Schapbach ihre neue Heimat. Ihre Familie ist ungewöhnlich und das in mehrerlei Hinsicht. Nicht nur, dass die gelernte Herrenmaß-Kostümschneiderin und der Schreiner zusammen elf Kinder haben. Ihr zehntes, Catherine, ist etwas Besonderes. "Ein Geschenk", wie ihre Eltern betonen. Ihre Begeisterung und ihr Strahlen machten sie zu etwas Außergewöhnlichem.

Catherine sollte ihr letztes Kind werden, so erzählt das Paar. In der 27. Schwangerschaftswoche wurde festgestellt, dass das erwartete Kind einen Chromosomendefekt haben würde. Welchen, ob Trisomie 13, 18 oder 21, war zu dem Zeitpunkt aber noch nicht klar. Nur bei Letzterem hätte das Kind eine Überlebenschance gehabt. Trotz allem Drängen seitens der Ärzte entschieden sie sich, Catherine nicht abzutreiben, denn sie sind der Meinung: "Gott schenkt uns die Kinder und er nimmt sie uns wieder, man weiß nur nicht, wann. Uns Menschen steht es nicht zu, über Leben oder Tod zu entscheiden."

Catherine kam als Frühchen mit Trisomie 21 zur Welt. Doch das war nicht das einzige Problem. Es gab bei ihr keinen Durchgang vom Magen zum Darm. Außerdem hatte sie eine Störung im Atemzentrum. Bereits an ihrem zweiten Lebenstag wurde Catherine operiert. Im Laufe ihres Leben sollte sie auf mehr als 50 chirurgische Eingriffe kommen.

Dass Catherines Chancen schlecht waren, war ihren Eltern und Geschwistern bewusst; eine Nottaufe war organisiert. "Aber wir hatten von Anfang an das Gefühl, sie will kämpfen. Und wenn sie kämpft, kämpfen wir mit", berichtet Mutter Jeanette. Und zu kämpfen hatte die kleine Catherine viel. Neben dem ihr schon mitgegebenen "Paket" kam noch hinzu, dass ihre Luftröhre während einer Bauchspiegelung massiv verletzt wurde. Als Folge der nachfolgenden Komplikationen muss Catherine 24 Stunden am Tag beatmet werden.

Dass Catherine trotz der schlechten ärztlichen Prognosen in einigen Tagen ihren 16. Geburtstag feiert, erklären ihre Eltern mit ihrem unbändigen Lebenswillen und mit dem starken familiären Zusammenhalt. Viele hätten prophezeit, dass die Ehe von Jeanette und Matthias die Belastung mit einem Kind wie Catherine nicht überstehen würde und die Familie auseinanderbrechen würde, doch das Gegenteil war der Fall: "Uns hat das alles noch mehr zusammengeschweißt. Letztendlich sind wir daran gewachsen", meinen die Beiden. Alle Kinder, auch wenn nur noch vier, Catherine mit eingeschlossen, bei den Eltern leben, stehen hinter den Eltern; früher und heute – auch, was Catherine betrifft. So hätten alle Kinder beispielsweise einen Crashkurs in Reanimation belegt. Das älteste Kind ist 34 Jahre alt, das jüngste 14.

Die Kinder unterstützten das Paar auch, als klar wurde, dass es in dem lange bewohnten und in liebevoller Eigenarbeit hergerichteten Haus auf Dauer nicht mehr wohnen konnte. Denn neben Catherine saß nun auch Mama Jeanette aufgrund einer Krankheit, die Gelenke versteift, Nerven und Organe angreift und sich im ganzen Körper ausbreitet, im Rollstuhl. Außerdem wurde festgestellt, dass Papa Matthias an Parkinson erkrankt war. Eine neue Bleibe musste her. Nach langem Suchen mit fast 100 Besichtigungen fanden sie das Haus in Bad Rippoldsau-Schapbach. In einiger Hinsicht ist es ideal: Es bietet Platz für einen eigenen Bereich für Catherine und die Wohnung der Eltern ist behindertengerecht. Auch wenn der Lift aufgrund fehlender Reparaturteile momentan außer Betrieb ist.

Allerdings stellen die recht abgeschiedene Lage und der generelle Personalmangel in der Pflege die Otts vor weitere Probleme. Nachdem der Alltag mit Catherine mit zwei Pflegediensten lange Zeit gut organisiert werden konnte, brach diese Hilfe aufgrund von Krankheit und beruflicher Umorientierung weg. "Ich habe bestimmt 20 Pflegedienste abtelefoniert, aber wir waren entweder zu weit weg oder es gab zu wenig Personal", berichtet Jeanette Ott. Mittlerweile greift die Familie auf einen Pflegedienst aus dem Balkan zurück. Doch dessen Mitarbeiter sprechen kein Deutsch, die Sprachbarriere ist groß. Catherine macht die fehlende Möglichkeit zur Verständigung Angst und sie lässt sich von den Pflegern nicht anfassen. Oft übernehmen Catherines Eltern.

Auch für den Besuch der Schule in Heiligenbronn benötigt Catherine aufgrund ihrer Beatmung die ständige Begleitung einer ausgebildeten Fachkraft. Da auch hier nicht genügend Personal vorhanden ist, kann die 15-Jährige meistens nur zwei Mal pro Woche zur Schule fahren, was für sie besonders hart ist. "Sie liebt die Schule. Für sie sind die Ferien eine Strafe", sagt Jeanette Ott.

Neben der Schule lässt sich Catherine von Rallyes und Autorennen begeistern. Mit ihrer Mutter teilt sie die Liebe zum Theater und zu Musicals. "Das ist unsere gemeinsame Leidenschaft", sagt Mama Jeanette und verrät einen großen Wunsch, den sie beide haben: "Wir würden so gerne noch einmal den ›König der Löwen‹ in Hamburg sehen."

Erwin Moser, der Organisator des Bärenadvents, der jährlich Familien kranker oder behinderter Kinder durch Spenden unterstützt, wurde auf Catherine und ihre Familie durch eine Zeitungsartikel und das dazugehörige Bild aufmerksam. Catherine war nämlich zusammen mit ihrem jüngeren Bruder konfirmiert worden. Bis zu Mosers Anruf kannten Jeanette und Matthias Ott die Aktion nicht. Bisher hat die Familie noch nie öffentlich von sich erzählt und wurde schon oft "in Schubladen gesteckt", wie Jeanette Ott erzählt. "Aber nun haben wir die Nase voll davon, uns zu verstecken", sagt sie. Sie wollen anderen Familien Mut machen und zeigen, "dass es sich lohnt, sich für ein solches Kind zu entscheiden."