Sich selbst treu bleiben und das Gegenüber in seinem So-Sein akzeptieren ist die Kernbotschaft von Kinky Boots. Foto: Kern/Kern

Beeindruckende schauspielerische Leistungen, temporeiche Choreographie, schrille Kostüme und ein tolles Bühnenbild in der Hornberger Stadthalle: Mit dem Stück Kinky Boots ist ein richtig großer Wurf gelungen.

Erst nach mehreren Vorhängen beruhigte sich das hingerissene Publikum, das mit stehenden Ovationen und nicht enden wollendem Applaus in der ausverkauften Stadthalle die Inszenierung feierte.

Die Geschichte der „Scharfen Stiefel“, die übrigens auf einer wahren Begebenheit beruht, ist relativ simpel. Keiner will mehr Schuhe, die ein Leben lang halten, sondern modisch orientiert jedes Jahr günstige Importware kaufen.

Das englische Traditionsunternehmen Price & Son kann da nicht mithalten und droht, pleite zu gehen. Nachfolger Charlie (Maik Schwendemann) ist hin und her gerissen zwischen den Erwartungen seines Vaters, die Fabrik zu retten, und seiner Partnerin Nicola (Kim Haas), die in London leben will.

Vorgeschichte wird mit Videoprojektion in Szene gesetzt

Charlie und Lola (Marvin Polomski) lernen sich kennen, als die Drag-Queen attackiert wird. Der bedrohliche Ablauf wird dramaturgisch mit einer Videoprojektion scherenschnittartig genial in Szene gesetzt. Letztendlich mündet die Begegnung zunächst in einer Geschäftsbeziehung und Lola wird Chefdesignerin der Schuhfabrik.

Was es braucht in der Drag-Queen-Szene sind Stilettos für erwachsene Männer – scharfe, hochhackige Stiefel eben. Die im Musical präsentierte bunte Bandbreite von mörderisch hohen Overknee-Stiefel ist fast eine Schau für sich und bemerkenswert ist auch, mit welcher Anmut sich alle Darsteller in dem erotischen Schuhwerk bewegen und tanzen. „Wir produzieren 75 Zentimeter puren Sex“, singt Lola.

Das gängige Männerbild wird in Frage gestellt

Bei der Belegschaft der Schuhfabrik indes teilen nicht alle die Begeisterung für die Neuausrichtung. „Schwuchtelsklaven haben sie uns genannt“, meutert Don (Noah Imhof). Er verkörpert den Macho vom alten Schlag mit Tattoo auf dem stattlichen Bizeps. Seiner Ansicht nach wollen Frauen einen „richtigen Kerl“.

Wer oder was aber bestimmt, wie das auszusehen hat? Eines der zentralen Themen des Stücks ist das gängige Männerbild. Darüber hinaus jedoch ist die Botschaft klar, dass niemand auf der Welt ist, um den Erwartungen von jemand anderem zu entsprechen.

Das wird deutlich in dem sehr berührenden Duett von Charlie und Lola „Der Sohn, der ich nie war“. Beide können die vom Vater in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen und beide erkennen schmerzlich: „Ich kann nicht der sein, der ich nie war.“

Mit unwiderstehlichem Charisma spielen Marvin Polomski und Maik Schwendemann ihre Rollen und beherrschen die Bühne mühelos. Absolut perfekt und mit bestechender Bühnenpräsenz interagiert das gesamte Ensemble sowohl in Dialog als auch Gesang und Tanz. Es gelingt den Künstlern, bei allem bonbonfarbenem Zauber der glanzvollen Aufführung trotzdem, die deutlich weniger glamouröse Wirklichkeit mitschwingen zu lassen.

In einem langen Dankesreigen würdigte Maurizio Fabiano, stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins, die Leistung des Ensembles samt Backstage-Team.

Unter großem Beifall wurden die einzelnen Akteure noch einmal vorgestellt, allen voran Marvin Polomski (künstlerischer Leiter), Maik Schwendemann (musikalischer Leiter) und Susi Dangl (Choreografie).

Weitere Termine

Bis Samstag, 11. November, sind insgesamt sieben Aufführungen von „Kinky Boots“ vom Historischen Verein Hornberg angesetzt. Karten sind unter www.freilichtbuehne-hornberg.de/ erhältlich.