Der ehemaliger Pfarrer Alfred Haas gibt im Oberharmersbacher Missbrauchsfall "Vertuschung" zu. Foto: Report Mainz

Der ehemalige Oberharmersbacher Pfarrer Alfred Haas hat öffentlich eingeräumt, den Missbrauch an Kindern durch seinen Vorgänger zunächst vertuscht zu haben. "Ich wollte keinen Skandal", erklärt der 82-Jährige nun dem Politmagazin Report Mainz.

Oberharmersbach - Der ehemalige Pfarrer Alfred Haas aus Oberharmersbacher hat im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Report Mainz ausgepackt: Bei einem privaten Gespräch habe ihm Amtskollege Franz B. bereits 1991 den Missbrauch von Messdienern angedeutet. "Ich war sehr betroffen. Und meine erste Reaktion war, so schnell wie möglich die Platte putzen, beziehungsweise den Ort wechseln, damit hier nichts mehr geschieht", erklärt er in der Sendung am Dienstagabend. "Das war naiv meinerseits." Auf Nachfrage, ob er vertuschen wollte, sagt er: "Vertuschen im Grunde genommen auch, meinerseits. Ich wollte keinen Skandal."

Franz B. wird noch zum Ehrenbürger ernannt

Der Fall hatte erstmals 2018 für Schlagzeilen gesorgt: Oberharmersbachs Pfarrer Franz B. missbrauchte ab 1968 in der Kirchengemeinde Dutzende Kinder und Jugendliche. Konsequenzen hatte sein Handeln erst spät: Juristische Schritte folgten, als ein Betroffener sich 1995 an die Polizei wandte.

Da hatte Franz B. die Gemeinde bereits verlassen. Er musste – vorgeblich krankheitsbedingt – die Pfarrei in ein Altenheim in Titisee umziehen. Die Gemeinde Oberharmersbach machte ihn zum Abschied zum Ehrenbürger – galt er doch als fürsorglicher Pfarrer. Die späteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauerten nicht lange. Am 4. August 1995 entzog sich B. der Aufarbeitung der Vorwürfe durch Suizid – die Ermittlungen wurden eingestellt.

Robert Zollitsch wird Anfang 1992 informiert

Haas’ "Vertuschung" rächte sich später, auch sein eigener Neffe wurde Opfer. Den pädophilen Pfarrer durch die Versetzung kaltzustellen, hatte offenbar nicht funktioniert. Auch noch im Heim missbrauchte er Jungen, die ihn besuchten. Die Erzdiözese hatte eine Fortsetzung des Missbrauchs offenbar zumindest für möglich gehalten und ihm den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen explizit untersagt gehabt.

Haas habe schlussendlich Anfang 1992 Robert Zollitsch, den damaligen Personalreferenten der Erzdiözese Freiburg, persönlich darüber informiert, berichtet Report Mainz. Der spätere Erzbischof wollte offenbar einen schnellen Schlussstrich unter die Sache ziehen: "Nach unserer Auffassung geht es nun darum, den Schaden möglichst zu begrenzen", heißt es in einem Brief Zollitschs von 1995, den Report Mainz zitiert. "Herr Pfarrer B. ist tot und hat keine Möglichkeit mehr, Stellung zu nehmen oder sich zu wehren. Man sollte ihn in Ruhe lassen."

Missbrauchsbericht erst für April erwartet

Aufklärung in der Frage, wie tief Zollitsch und die Erzdiözese tatsächlich im Missbrauchssumpf stecken, sollte eigentlich der "Bericht zu Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg" bringen. Der hatte ursprünglich am Dienstag erscheinen sollen. Die Veröffentlichung wurde wegen "rechtlicher Gründe" jedoch um sechs Monate verschoben.

Zollitsch selbst war für eine Stellungnahme am Mittwoch nicht zu erreichen. Er hatte sich aber Anfang Oktober in einem Video bei den Opfern entschuldigt – blieb jedoch wage. "Ich habe mit meinem damaligen Verhalten und Handeln, Dokumentieren und Entscheiden gravierende Fehler gemacht und die Gefahren – auch von erneutem Missbrauch – verkannt", so Zollitsch.

Haas entschuldigt sich für sein Verhalten

Michael Hertl, Leiter Stabsstelle Kommunikation und Medien der Erzdiözese, erklärte auf Anfrage unserer Redaktion: "Die Verbrechen in Oberharmersbach und ihre Vertuschung sind schmerzlich, beschämend und unentschuldbar." Die Zeit, die es nun zusätzlich braucht, um diesen Bericht rechtssicher und vollständig veröffentlichen zu können, "müssen wir leider in Kauf nehmen", so Hertl.

Die Opfer von Franz B. leiden derweil weiter unter den Folgen des Missbrauchs und dem langen Schweigen der Kirche. "Dieser Mann hat Leben zerstört, er hat Familien zerstört, er hat Kinder zerstört und das bis heute", erklärt der ehemalige Messdiener Raphael Hildebrandt im Gespräch mit Report Mainz. Der heute 51-Jährige war es gewesen, der seinen Peiniger 1995 angezeigt hatte. Dass die Veröffentlichung der Berichts verschoben wurde, sorgt für totales Unverständnis. Man habe das Gefühl als kämpfe die Kirche "um jede Minute, um jede Stunde, um jeden Tag", die das Ausmaß des Missbrauchs nicht ans Licht komme, so Hildebrand gegenüber dem Politmagazins. Die Arbeit am Missbrauchsbericht laufe doch bereits seit Jahren, wirft der 55-jährige Robert Maier, ebenfalls Opfer von B., ein. Er verstehe nicht, "was man da noch alles klären muss, um ihn zu veröffentlichen." Sie müssen nun weiter warten.

Pfarrer Haas bereut sein Verhalten aus dem Jahr 1991 mittlerweile und bat laut Report Mainz in Oberharmersbach um Entschuldigung: "Ich habe gesagt, es war dumm und einfältig von mir, weil ich den Skandal in der Gemeinde, in unserer schönen Pfarrgemeinde, verhindern wollte und mir eben nicht bewusst war, dass ich damit dann auch vertusche und den Opfern nicht helfe", erklärte er in der Sendung am Dienstag.