Zahlreiche Landwirte um den Lahrer BLHV-Chef Klaus Dorner (Mitte mit Heugabel) protestierten am Montag am Sulzer Kreuz gegen die Agrarpolitik der Regierung. Foto: Köhler

Kritisch, aber friedlich und fast ohne Zwischenfälle – so lief der Protesttag in und um Lahr. Mittelpunkt war das Mahnfeuer am Sulzer Kreuz, wo sich rund 50 Bauern versammelt hatten und den Verkehr ausbremsten. Von vielen Seiten gab es Unterstützung.

Ein Hupkonzert, dass die Ohren dröhnen, Plakate mit Sprüchen, die zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregen sollen, und Traktorkolonnen, die den Verkehr ausbremsen: Der Protest der Landwirte war am Montag am Sulzer Kreuz nicht zu übersehen. Wie an vielen anderen Orten im Ortenaukreis und im ganzen Land machten rund 50 Bauern ihrem Ärger über die Regierung Luft.

 

Um 9 Uhr am Morgen sind die Auswirkungen des Protests bereits in Kippenheim zu spüren: Auf Höhe der Schule staut sich der Verkehr. In gemächlichem Tempo geht es auf der B 3 hinter den Treckern her, die schließlich kurz vor dem Abzweig nach Sulz auf den Landwirtschaftsweg abbiegen und sich auf dem Feld am Straßenrand sammeln. Dort stehen rund 30 mit bunten Plakaten versehene Schlepper. „Zu viel ist zu viel“, heißt es dort etwa. Oder: „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“. Auch das Verkehrsleitschild ist überklebt.

Aus Richtung Lahr kommt derweil bereits die nächste Delegation: Die Traktoren ziehen eine Schlange an Fahrzeugen hinter sich her, die bis zur Abfahrt nach Mietersheim reicht. Im Schleichtempo zückt mancher Autofahrer rasch das Handy, um die Szenerie per Foto oder Video festzuhalten.

Landwirte bauen einen Traktor mit Anhänger aus Strohballen

Ein paar Meter hinter den Traktoren auf dem Feld beim Sulzer Kreuz prasselt das Mahnfeuer, an dem sich einige Landwirte bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aufwärmen. Unter ihnen auch Klaus Dorner, Vorsitzender des Lahrer Kreisverbands des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) und Organisator der Protestaktion: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so früh schon so viele sind“, zeigt er sich im Gespräch mit unserer Redaktion sehr erfreut über den Zulauf. „Wir sind hier die zentrale Anlaufstelle für den Protest in der Region“, erklärt er. So reisen Landwirte aus dem gesamten Altkreis Lahr an, aber auch aus Herbolzheim und Emmendingen. Einige bringen Strohballen, aus denen im Laufe des Tages ein Traktor und ein Anhänger gebaut werden. Das Gebilde soll nun einige Tagen stehen bleiben und den Protest darstellen, erläutert der BLHV-Kreisvorsitzende.

Traktor-Kolonnen bremsten den Verkehr bei Lahr aus. Foto: Köhler

Die Bauern pendeln am Montag mit ihren Traktoren regelmäßig zwischen Lahr und Kippenheim hin und her. „Wir wollen nicht blockieren, nur verlangsamen“, versichert Dorner. Auch innerorts sind im Laufe des Tages immer wieder Fahrzeuge unterwegs, wie gegen Mittag in der Lahrer Stadtmitte.

Regierung soll von Sparplänen abrücken

Das Ziel des Widerstands ist klar: Die Landwirte fordern, dass die Regierung von ihren Sparplänen im Agrarbereich abrückt. Auch wenn nun, nach einem Rückzieher der Ampel-Koalition, der Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge vom Tisch ist und der Agrardiesel nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise bis 2026 teurer werden soll, sei das kein Grund, den Protest zu stoppen, verdeutlicht Dorner: „Es ist Misstrauen da. Wahrscheinlich wird dann an anderer Stelle gespart“. Zudem seien die Bauern bereits in den vergangenen Jahren „überdurchschnittlich belastet“ worden. Für Bernd Angler, Landwirt aus Münchweier, geht es auch um das „ganze Paket. Wir Landwirte sollten eigentlich nach dem Wetter arbeiten – nicht nach Vorschriften“.

Zu Auseinandersetzungen aufgrund des Protests kommt es am Montag am Sulzer Kreuz nicht. Zwei Polizeistreifen behalten die Lage im Auge. Auch abschätzige Kommentare, etwa von genervten Autofahrern, bekommen die Landwirte nicht zu hören, berichtet Dorner. Auch an den anderen Protestorten wie in Meißenheim am Morgen und in Friesenheim am Abend blieb es friedlich.

Auch in Friesenheim haben die Landwirte ein Mahnfeuer veranstaltet. Foto: Bohnert-Seidel

Statt Widerstand erfahren die Landwirte viel Solidarität: Das Gasthaus Schutterblick in Schuttertal etwa bleibt am Mittwoch geschlossen. „Ohne Bauern, keine Lebensmittel“, begründen die Inhaber ihren Streik. Zimmermeister Roland Herzog aus Friesenheim schließt sich der Kritik an der Regierung an. „Grün, Gelb, Rot ist des Handwerks Tod“, heißt es auf einem Plakat in luftiger Höhe an einer Hebebühne, das von der Bahnbrücke in Richtung Schuttern aus nicht zu übersehen ist.

„Warmmacher“ für die Landwirte

Das „Blumehäfele“ in Kippenheim bietet den Landwirten einen „kleinen Warmmacher“ an. Diese können sich dort mit Kaffee und Tee aus Thermoskannen sowie mit Gebäck eindecken. Vor dem Gelände der Firma Zalando am Lahrer Flugplatz wiederum gibt es am Nachmittag einen Autokorso. Mit acht Fahrzeugen protestieren die Teilnehmer gegen die „Ampel“. Auch aus der Lokalpolitik gibt es Unterstützung: Eberhard Roth, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Lahrer Gemeinderat, hat sich auf sein Fahrrad geschwungen und die Landwirte am Sulzer Kreuz besucht. „Ich habe vollstes Verständnis“, sagt er unserer Redaktion. Auch er komme aus einer landwirtschaftlichen Familie.

Einen Wermutstropfen gab es allerdings bei der Aktion am Sulzer Kreuz: Wie die Polizei am Abend auf Nachfrage mitteilte, war kurz vor 17.45 Uhr ein Motorrad mit einem Traktor zusammengeprallt. Nach ersten Erkenntnissen sei dabei eine Person verletzt worden.

Ein Friesenheimer Handwerker solidarisiert sich mit den Landwirten. Foto: Bohnert-Seidel

Weitere Protestaktionen soll es in dieser Woche laut Webseite des BLHV in Lahr nicht geben. Am kommenden Donnerstag ist ab 15 Uhr eine zentrale Großdemo auf dem Offenburger Marktplatz geplant, bei der auch BLHV-Präsident Bernhard Bolkart sprechen soll.

Neben der Unterstützung aus anderen Bereichen nehmen die Landwirte zumindest einen weitere positive Auswirkung der Regierungspläne mit: „Die Ampel hat die Bauern vereint“, sagt Angler. Dorner lacht und ergänzt: „Es gibt kaum einen Landwirt, der nicht mitmacht. So geschlossen und motiviert waren wir noch nie“.

Polizei regelt Verkehr in Reichenbach

Im Zuge ihres Protests hatten Landwirte die B 33 bei Biberach komplett blockiert. Das hatte auch Auswirkungen auf Lahr: Am Kreisverkehr am Dreispitz in Reichenbach waren gegen 11 Uhr Polizisten im Einsatz. Autofahrer, die ursprünglich über den Schönberg fahren wollen, wurden durch die Polizei umgeleitet. „Ihr kommt nicht rüber“, informierte ein Polizist einen Autofahrer. Um 11.20 Uhr, als die Blockade aufgelöst war, hatte sich die Situation wieder geregelt.