Symbolfoto: Stratenschulte Foto: Lahrer Zeitung

Schiedsrichter-Chef im Bezirk Offenburg über den teilweise rauen Ton gegen Unparteiische und gravierende Nachwuchsprobleme

"Ausgelöst durch einen tätlichen Angriff auf einen unserer Schiedsrichter vor zwei Wochen und vermehrte Gewaltübergriffe auf Schiedsrichter in den letzten Monaten, hat der Verbandsschiedsrichterausschuss einen Schiedsrichterstreik für den 13. bis 15. September beschlossen." Mit diesen Worten beginnt die Pressemitteilung des Saarländischen Fußballverbands, die deutschlandweit für Wirbel sorgt. Nachdem ein Unparteiischer nach einem Jugendspiel angegriffen wurde und ins Krankenhaus musste, wollte der Verband auf die Situation der Schiedsrichter aufmerksam machen. Denn ist es kein Einzelfall, was im Saarland passiert ist. Wie die Situation hier in der Region ist und wie sich die Lage auf den Sportplätzen auf den Schiedsrichternachwuchs und den Spielbetrieb auswirkt, erzählt Wilfried Pertschy. Der 53-Jährige ist Bezirksschiedsrichterobmann des Bezirks Offenburg und pfeift für den SV Niederschopfheim Spiele bis in der Bezirksliga.

Herr Pertschy, im Saarländischen Fußballverband haben am Wochenende die Schiedsrichter gestreikt, um auf die Gewalt gegen Unparteiische aufmerksam zu machen. Haben Sie im Bezirk Offenburg die Probleme auch?

Auch wir haben in den letzten zwölf bis 24 Monaten eine Verrohung der Sitten und eine Zunahme der Gewalt auf den Fußballplätzen beobachtet. Allerdings halten sich die tätlichen Angriffe eher in Grenzen, das passiert zwei- bis dreimal pro Spielzeit. Ein größeres Problem sind dagegen die verbale Gewalt und Drohungen, die gegen Schiedsrichter ausgesprochen werden.

Wer sind die Hauptaggressoren?

Die Aggressivität nimmt auf und neben dem Platz zu.

Wie reagieren Schiedsrichter darauf?

Gegen die am Spiel beteiligten, also Spieler, Trainer und Betreuer, habe ich als Schiedsrichter ja Sanktionsmaßnahmen in Form von Gelben und Roten Karten. Zudem gibt es im Nachgang dann auch die Sportgerichte des Bezirks. Schwerer wird es, wenn die Beleidigung von den Zuschauern kommt.

Sie sind selbst aktiver Schiedsrichter. Wie geht man mit Beleidigungen von außen um?

Man muss da in gewisser Weise abschalten. Aber wenn auf dem Platz nur 50 Zuschauer da sind, nimmt man Beleidigungen intensiver wahr als bei mehreren Hundert oder noch mehr.

Ist es ein Unterschied, in welcher Liga man pfeift?

In den oberen Ligen, wenn mehr Zuschauer da sind, gehen die einzelnen Beleidigungen unter. Und bei den Spielern ist es in den höheren Klassen, in denen auch Geld bezahlt wird, so, dass sie ja von einer Sperre auch einen persönlichen Schaden hätten. Sie würden dann keine Auflauf- und Punktprämie bekommen.

Sind Sie nach dem Spiel schon bedroht, beleidigt oder angegriffen worden?

Ich selbst wurde nach Spielschluss auch schon tätlich attackiert, das ist aber schon etwa 25 Jahre her. In aller Regel ist es aber so, dass sich nach dem Spiel die Emotionen auch schnell wieder beruhigt haben.

Wirkt sich die Verrohung der Sitten auch auf die Nachwuchsgewinnung im regionalen Schiedsrichterwesen aus?

Ja, ganz klar. Die Rekrutierung ist für uns ein wichtiges Thema und wird dadurch erschwert. Denn 98 Prozent der überwiegend jungen Leute, die Schiedsrichter werden wollen, kennen das Sportplatzgeschehen. Da stellt man sich dann ja schon die Frage: Tue ich mir das an? Und warum?

Gibt es schon Nachwuchsprobleme?

Ja, die normale Fluktuation können wir schon nicht mehr mit den Schiedsrichtern abdecken, die als Einsteiger nachkommen.

Das dürfte dann auch Konsequenzen für den Spielbetrieb haben.

Hat es schon. Seit der letzten Saison können wir die beiden Reservestaffeln der Kreisliga A schon nicht mehr besetzen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, kann es sein, dass es weitere Staffeln trifft, wobei wir versuchen, dass es keine Jugendspiele trifft.

Was machen Sie, um mehr Jung-Schiedsrichter zu gewinnen?

Wir bemühen uns derzeit stark, Konzepte zur Nachwuchsgewinnung zu entwickeln. Dazu stehen wir in Kontakt mit anderen Bezirken und Verbänden, denn fast jeder hat dieses Problem. Der Südbadische Fußballverband hat im Rahmen des DFB-Masterplans zudem einen Vereinsdialog gestartet, denn wir wollen das Problem gemeinsam mit den Vereinen lösen. Als konkretes Mittel ist außerdem zum 1. Juli eine Spesenerhöhung (Anm. d. Red.: siehe Text unten auf der Seite) zwischen 20 und 30 Prozent in Kraft getreten. Auch das Schiedsrichter-Soll pro Verein wurde grundlegend reformiert.

Fragen von Felix Gieger