Hält einen der wenigen verfügbaren Grippeimpfstoffe in der Hand: Michael Wißner von der Schlüssel-Apotheke in Lahr mit einer Packung, die für einen Kunden reserviert ist. Foto: Sadowski

Gesundheit: Große Nachfrage bei Apotheken und Ärzten / Nachlieferungen fraglich

Lahr - Die Grippesaison hat gerade begonnen, in Lahr und der Region wird aber schon der Impfstoff rar. Viele Arztpraxen und Apotheken warten dringend auf Nachschub. Ob der überhaupt kommt und in welcher Menge, weiß keiner genau.

Impfstoff ist in Apotheken schon jetzt knapp

Wer sich pünktlich zu Beginn der Grippesaison in Lahr und Umgebung impfen lassen möchte, guckt aktuell in die Röhre: Der Impfstoff ist in weiten Teilen der Region vergriffen. Aufgrund der Corona-Krise und steigender Nachfrage warten viele Apotheken auf Nachschub. Und das, obwohl bundesweit mit knapp 26 Millionen Impfdosen deutlich mehr bestellt wurde als im Vorjahr (rund 14 Millionen).

Wer sich impfen lassen möchte, muss zunächst zu seinem Hausarzt. Dort wird der Patient entweder direkt geimpft oder erhält ein Rezept, mit dem er in einer Apotheke den Impfstoff bekommt. Für gesetzlich versicherte Patienten ist die Grippeimpfung kostenlos, wie Pressereferentin Swantje Middeldorff von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg auf LZ-Anfrage erklärt.

Wir haben uns in den Apotheken umgehört, ob sie den Grippeimpfstoff noch vorrätig haben.    

Schlüssel-Apotheke in Lahr 

Seit gut zehn Tagen habe man keinen Impfstoff mehr, erklärt Inhaber Michael Wißner. Derzeit sei alles fraglich. Keiner könne sagen, ob und wann die nächste oder gar schon die letzte Lieferung mit dem Impfstoff, auch die Vakzine genannt, ankommt. Zumindest die Erstbestellung aus dem Frühjahr sei aber zu hundert Prozent pünktlich geliefert worden. Das Problem sei nur, dass davon schon alles weg ist. "Wir wurden alle von der großen Nachfrage überrascht. Das konnte keiner vorhersehen", sagt Wißner. Selbst er nicht. Der Inhaber hatte bereits etwa 30 Prozent mehr Impfstoff bestellt als in den Jahren zuvor. Trotzdem reichte es nicht aus.   

Zentral-Apotheke im Einkaufspark Arena

"Positiv überrascht" ist dagegen Inhaberin Sybille Löffler-Zipfel. Im Moment sei der Grippeimpfstoff da. Auch Nachbestellungen, die sie in den vergangenen Wochen geordert hatte, seien zu Teilen schon geliefert worden. Derzeit sichten sie und ihre Kollegen die verschiedenen Kundenanfragen. Rund ein Drittel mehr Bestellungen seien in diesem Jahr eingegangen. Reichen werde das aber trotzdem nicht, prognostiziert die Inhaberin. Das mit dem Grippeimpfstoff sei immer so eine Sache, erklärt Löffler-Zipfel. Da müsse man eigentlich "immer in den hohlen Bauch bestellen". In den vergangenen Jahren sei die Tendenz dann die gewesen, eher zu viel zu ordern statt zu wenig.    

Engel-Apotheke in Lahr

Die Situation habe sich jetzt mehr oder weniger beruhigt, berichtet Inhaber Rainer Kammesheidt. Vor ein paar Wochen sei das noch anders gewesen. Da habe er täglich mehr als 20 Anrufe mit Fragen zum Grippe-Impfstoff bekommen. In dieser Zeit hätte er locker Impfdosen im dreistelligen Bereich verkaufen können, berichtet er. Inzwischen seien die Vorräte aufgebraucht. Eine letzte Charge kam im Oktober. Mehr erwartet Kammesheidt in diesem Jahr nicht mehr. "Jedes Jahr ist es mit der Grippeimpfung das Gleiche. Man weiß nie, was man machen soll", sagt er. Im vergangenen Jahr habe er zu viele bestellt und musste einige Dosen vernichten.  

 Ried-Apotheke

Ebenfalls Flaute in der Ried-Apotheke. Die Vakzine sind allesamt weg. Und das seit Mitte Oktober. Eine Nachbestellung sei ebenfalls aufgegeben, berichtet die Angestellte Sabine Leuthner. Man habe die Apotheke auf eine Wartelisten eingetragen. Sie gehe davon aus, dass Impfdosen noch geliefert werden. Genaueres könne aber auch sie nicht sagen. "Mit dem Grippe-Impfstoff ist es eigentlich jedes Jahr dasselbe", sagt Leuthner. In diesem Jahr wegen Corona eben nochmal verschärfter.   

Marien-Apotheke in Ettenheim

Filialleiterin Manuela Claußen macht der Regierung keinen Vorwurf, dass der Bedarf an Impfdosen deutlich höher ist als der tatsächlich bestellte Bestand. Sie beklagt jedoch die fehlende Kommunikation. Etwa bei Gesundheitsminister Jens Spahn, der noch vor Wochen "großspurig" verkündet habe, dass es nur temporär zu einem Engpass kommen könnte.

In ihrer Filiale hat Claußen seit Anfang Oktober keinen Impfstoff mehr vorrätig. 20 bis 30 Prozent mehr habe sie im Vergleich zu den Jahren davor bestellt. Von einem momentanen Engpass sei sie also weit entfernt. Claußen hat sich auf Wartelisten eingetragen, weiß aber nicht, ob sie noch etwas erhält. Eine kleine Charge habe sie Ende Oktober sogar schon bekommen. Die sei binnen eines Tages sofort vergriffen gewesen, erzählt die Filialleiterin.

Das Schlimme sei für sie "diese Warterei im Schwebezustand". Wünschenswert seien daher verlässliche Aussagen, etwa über die genaue Anzahl an noch vorhandenen Impfdosen. Dann müssten auch keine unnötigen Wartelisten geführt werden. Claußen findet es dennoch gut, dass sich viele gegen die Grippe schützen wollen. Denn so könnten Krankenbetten für Corona-Fälle freigehalten werden.

Auch in Arztpraxen erhöhte Nachfrage 

Auch in den Arztpraxen macht sich die erhöhte Nachfrage nach Grippeimpfungen bemerkbar. "Der Impfstoff ist schon sehr knapp. Man merkt, dass sich viele zumindest gegen Grippe und auch Pneumokokken impfen lassen wollen, wo es aktuell keine Impfung gegen Corona gibt", erzählt Hausärztin Amelie Hanke aus Mahlberg. Zeitweise habe sie in ihrer Praxis keinen Impfstoff mehr zur Verfügung gehabt. Zu entscheiden, wer sich wirklich gegen Grippe impfen lassen soll, findet sie schwierig. "Eigentlich könnte sich jeder impfen lassen, denn es kann nur helfen. Dann wären aber nicht genug Dosen für die Älteren und chronisch Kranken da". Und diese Gruppe sollte zuerst immunisiert werden.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Friesenheim: Hausarzt Tobias Allgaier musste bereits Impfstoff nachbestellen, die Nachfrage sei besonders hoch, sagt er. "Der Impfstoff wird nicht für alle reichen", sagt er. Noch habe er in der Praxis keinen Influenza-Fall gehabt, die Hochsaison beginne aber auch eher im Januar.