Die Preisträger (von links): Willi Keller, Werner Fischer, Sandhya Hasswani, Wendelinus Wurth und Manfred Jung Foto: Haberer

Mundart: Sieger der "Lahrer Murre" stehen fest / Teilnehmerin mit indischen Wurzeln wird ausgezeichnet

Der Mundartpreis "Lahrer Murre" hat sich längst etabliert, in diesem Jahr sind wieder rund 30 Beiträge eingereicht worden. Im Pflugsaal wurden am Montagabend nun die Preisträger, ihre Gedichte und Kurzgeschichten vorgestellt.

Lahr. Acht Jahre, nachdem der nach einem Hefegebäck benannte Literaturpreis erstmals vergeben wurde, hat sich nicht nur bei den drei Juroren Ulrike Derndinger, Ludwig Hillenbrand und Stefan Pflaum eine gewisse Routine eingestellt. Die "Lahrer Murre" spricht dabei zwar bewusst auch Debütanten an, sie will Mut machen zu schreiben, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Der Wettbewerb ist aber längst auch zu einer Plattform für Mehrfachtäter geworden, die regelmäßig Beiträge einreichen. Ab 2022 werden deshalb die Modalitäten geändert. Die Preisträger der "Lahrer Murre" sind ab sofort jeweils für ein Jahr vom Wettbewerb ausgeschlossen.

Unter den Preisträgern des Jahres 2021 sind zwar keine Gewinner des Vorjahres vertreten, der Offenburger Willi Keller, der mit seinem Gedicht "Noch de Mahd" in der Sparte Lyrik mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, ist aber ebenso ein alter Hase wie zwei der Preisträger in der Rubrik Prosa.

Wendelinus Wurth aus Gutach im Schwarzwald und Manfred Jung aus dem Wiesental, sind Schwergewichte der Szene. Sie schreiben nicht nur seit vielen Jahren in der alemannischen Mundart. Jung bietet auch Schreibwerkstätten an und ist wie Wurth als Verleger tätig.

Im Wettbewerb punktete Wurth mit der Kurzgeschichte "Glick" (Erster Preis), einer kleinen Erzählung über eine alte Näherin, die vom Leben nicht unbedingt verwöhnt wurde, obwohl sie in der Schublade ihres Nähtischs eine ganze Schachtel voll vierblättriger Kleeblätter gesammelt hat. Jungs Erzählung "D’Glasvitrine" entführt nach Freiburg, in die Zeit des Zweiten Weltkriegs: Ein Schuhhändler nutzt die Gunst der Stunde, um Schuhe zu Höchstpreisen an den Mann zu bringen, obwohl sein geheimes Lager überquillt. Sein Betrug wird öffentlich, als sein Haus bei einem Luftangriff getroffen wird. Die Menschen, die helfen wollten, stehen vor einem Berg angesengter Schuhe und rühren keinen Finger, um dem Mann und seinen Söhnen zu helfen.

Den zweiten Preis in der Sparte Lyrik musste sich Jung aber mit einer jungen Autorin aus dem Hotzenwald teilen, die sich gerade anschickt, zu den Schwergewichten der Szene aufzuschließen. Sandhya Hasswani hat indische Wurzeln, schreibt aber auf Alemannisch, dem Dialekt ihrer frühen Kindheit. Die gelernte Journalistin und zweifache Mutter hat in Lahr nicht den ersten Literaturpreis abgeräumt. 2020 veröffentlichte sie das Buch "Sagenhafter Hotzenwald", vor wenigen Wochen ist beim Drey-Verlag von Wendelinus Wurth "Chind un andri Ploge wo glücklich moche" erschienen.

Für die "Lahrer Murre" hat sie die Geschichte "Do aacho" eingereicht, eine Anekdote, die das Fremd- und Anderssein thematisiert, etwas, das sie aus ihrer eigenen Kindheit nur zu gut kennt.

Der zweite Preis in der Sparte Lyrik wurde an Werner Fischer aus Meßkirch vergeben, der das Gedicht "ICH“ eingereicht hatte, ein kleines Versepos, das den Menschen wie das Leben selbst zwischen Himmel und Erde verortet.

Die "Lahrer Murre" hat sich in der Szene nicht zuletzt auch deshalb etabliert, weil es kaum vergleichbare Formate gibt. Die Mundart, die in der Regel ein regional begrenztes Schattendasein fristet, findet im klassischen Literaturbetrieb wenig Beachtung. Wer zum Stift greift, seine Verse und Geschichten zu Papier bringt, findet nur schwer eine Plattform, um sie zu Gehör zu bringen oder gar zu veröffentlichen – ein Schicksal, das Mundartautoren teilen.