SPD-Kreisvorsitzender Karl-Rainer Kopf fungierte zum ersten Mal als Gastgeber des Heringsessens. Foto: Haberer Foto: Lahrer Zeitung

Heringsessen: SPD in der südlichen Ortenau hat die Wahlen im Mai im Blick / Kritik an Kramp-Karrenbauer

Knapp drei Monate vor der wichtigen Kommunal- und Europawahl hat die SPD in der südlichen Ortenau ihren politischen Gestaltungswillen unterstrichen. 70 Genossen nahmen am traditionellen Heringsessen im "Hirschen" in Ringsheim teil.

Lahr. Vor einem Jahr wurde durchaus mit Bauchgrummeln über den frisch ausgehandelten Koalitionsvertrag mit der CDU diskutiert. Die diesjährige Zusammenkunft, bei der erstmals der Kreisvorsitzende Karl-Rainer Kopf als Gastgeber fungierte, hat gezeigt, dass sich das Bauchgefühl der Genossen bestätigt hat.

Die SPD habe in der ungeliebten "Groko" die wichtigen Impulse gesetzt, unter dem Strich aber nur wenig profitiert. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner ließ deshalb auch klar erkennen, dass die gemeinsamen Schnittmengen mit der Union für ihn eher weniger werden. Die neue Vorsitzende der CDU stünde für einen Ruck nach rechts, in Berlin werde aber weiterhin der Wille zur politischen Gestaltung vermisst. Man müsse überlegen, ob es so weitergehen könne, sich aber auch darüber im Klaren sein, dass ein Bündnis mit den Grünen nicht einfacher geworden ist. Fechner brachte es auf den Punkt: "Der Karren der CDU ist in der Werkstatt sicherlich gut aufgehoben, bei der SPD reicht ein Besuch der Waschanlage, damit das Rot wieder kraftvoll leuchtet."

Natürlich ging es am Mittwoch auch um die anstehende Europawahl. Dem Wähler müsse vermittelt werden, dass es am 26. Mai um eine Richtungsentscheidung für Europa gehe. Man dürfe das Europaparlament nicht politischen Hassadeuren, Nationalisten und Rechtsauslegern überlassen. Es gehe um die Zukunft des Kontinents und den Frieden in Europa. Es sei schizophren, wenn die AfD Sitze in einem Parlament anstrebe, dass sie eigentlich abschaffen wolle. Gefahr drohe aber vor allem von Männern wie Viktor Orbán, die offen ein anderes Europa anstreben würden. Fechner und der frühere Europa-Abgeordnete Dietrich Elchlepp forderten die Konservativen auf, hier endlich einen klaren Schnitt zu vollziehen. Peter Dreßen forderte aber auch klare Worte in Richtung Polen und anderer Länder Osteuropas.

Dorothea Hertenstein würdigte die von der Norwegerin Greta Thunberg angestoßenen Proteste junger Klimaaktivisten, kritisierte die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat. Sabine Wölfle wetterte gegen die Ablehnung eines Volksbegehrens zur Abschaffung der Kindergartengebühren in Baden-Württemberg und kündigte eine Klage der SPD an. Walter Caroli thematisierte die Vermögensun-gleichheit in Deutschland, die in kaum einer anderen Indus-trienation gravierender sei. Roland Hirsch erinnerte an die Geschichte der SPD.

Wolfgang Miessmer setzte wieder einmal den humorvollen Schlusspunkt. Er erläuterte das Wesen der Fastnacht. Annegret Kamp-Karrenbauer habe viele gute Büttenreden gehalten, er wäre froh, An-drea Nahles würde ähnliche Talente besitzen. Er setzte Spitzen gegen die Feinstaubdiskussion, die kalte Enteignung von Dieselfahrern und eine Bundeswehr, die in Panzern für Schwangere geeignete Innenraumwerte anstrebe.

Klare Worte, garniert mit eingelegtem Hering und Salzkartoffeln: Darum geht es beim Heringsessen der SPD. Die vor 100 Jahren begründete Tradition des politischen Aschermittwochs hat Walter Caroli und Roland Hirsch vor mittlerweile 42 Jahren dazu inspiriert, mit den Genossen aus der südlichen Ortenau und dem Landkreis Emmendingen einmal im Jahr in geselliger Runde die politische Gemengelage zu beleuchten und zu kommentieren.