Erinnern: Emma Riehle setzt sich für ihren zum Tode verurteilten Bruder ein / Albert Fritz 1943 hingerichtet

Vielleicht war sie keine Widerstandskämpferin im eigentlichen Sinne. Aber mit ihrem Engagement für ihren Bruder brachte auch sie sich in Gefahr: Emma Riehle, geborene Fritz (1896 bis 1971), aus Hornberg.

Hornberg. Der 27. Januar ist in Deutschland ein gesetzlich verankerter Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Er bezieht sich auf den 27. Januar 1945, dem Tag an die Rote Armee die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz befreite (siehe Info).

"Manchmal muss man gar nicht so weit gehen, um auf einen Helden zu treffen", schreibt Matthias Breithaupt über Albert Fritz (1899 bis 1943) aus Hornberg. Er ist der Großonkel der Hornbergerin Gisela Breithaupt, die sich mit ihrem Sohn Matthias mit dem Leben und Schicksal ihres Verwandten beschäftigte. Die eigene Familiengeschichte nahm Matthias Breithaupt als Anlass, ein Buch zu verfassen, das jedoch nicht veröffentlicht wurde und die Grundlage dieses Berichts bildet.

Ein Kapitel widmet sich der Hornbergerin Emma Riehle, geborene Fritz, der Großmutter Gisela Breithaupts. Als junge Frau setzte sie sich für ihren Bruder ein, der als Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und einer Widerstandsgruppe um den Mannheimer Georg Lechleiter 1942 inhaftiert und am 24. Februar 1943 in Stuttgart hingerichtet wurde. Eine Dauerstellung im Landgericht und Gedenkstelen vor dem Gebäude erinnern heute an die Opfer der NS-Justiz.

Emma Riehle kam 1896 als zweites von vier Kindern von Johann Albert Fritz (1872 bis 1904) und Amalie Wilhelmine Fritz, geborene Schondelmaier, (1868 bis 1938) auf die Welt. Ihre Geschwister waren Luise (1885 bis 1972), Albert (1899 bis 1943) und Marie (1902 bis 1982).

Wie Matthias Breithaupt in seinem Buch beschreibt, belegen eine Vielzahl von erhaltenen Briefen, wie Emma Riehle vom Zeitpunkt der Verhaftung über den Prozess bis zur Hinrichtung für die Begnadigung ihres einzigen Bruder kämpfte.

Intensive Bemühungen um eine Begnadigung

Ein großes Risiko: Schließlich zählten Kommunisten zum nationalsozialistischen Feindbild und jene, die sich offen zu ihnen bekannten, wurden ebenfalls ins Blickfeld der NS-Justiz genommen. Deutlich machte Emma Riehle dies in einem Brief an einen Hornberger Freund ihres Bruders: "Ich will Dir nur nicht rufen, wenn so viele vorbeifahren, Du weißt ja, nur um Dich nicht in die Mäuler zu bringen. Es ist genug wenn wir die Verbrecher sind."

Emma Riehle war in erster Ehe mit Bruno Kutzerra (Senior) verheiratet, der 1921 sehr jung verstarb. Beide hatten einen gemeinsamen Sohn, Bruno (Junior). 1924 heiratete sie ihren zweiten Mann Karl Riehle. Ihren Bruder Albert Fritz besuchte sie, den Briefaufzeichnungen zufolge, kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis in Stuttgart und bemühte sich noch nach seinem Todesurteil intensiv um eine Begnadigung.

Wie sehr der Einsatz seiner älteren Schwester ihn berührte und wie viel Stärke Emma Riehle bewiesen haben muss, wird letztlich in Albert Fritz’ Abschiedsbrief an seine Familie, kurz vor seiner Hinrichtung am 24. Februar 1943 deutlich: "In letzter Stunde schreibe ich Euch in tiefer Dankbarkeit diesen Brief. Alle unsere Hoffnungen haben sich als eine grausame Illusion erwiesen. Und diese große Enttäuschung trifft Dich meine lb. Emma besonders hart. Du bist in Deinem Kampf um mein Leben geradezu über Dich hinausgewachsen. Deine Größe als Schwester und Mensch ist wirklich nur einmalig. Ganz klein und erbärmlich erscheinen Dir gegenüber jene Leute, die glauben, an Deiner Tätigkeit Kritik üben zu müssen."

Emma Riehle überlebte den Zweiten Krieg und starb 1971 im Alter von 75 Jahren. Ihr Sohn Bruno kehrte als Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Sie sah ihre Enkelinnen aufwachsen. Der 27. Januar als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus kann auch als Anlass dafür genommen werden, an Menschen wie sie zu denken. Eben an jene, die sich, im Hintergrund wirkend, für das Leben ihrer Mitmenschen einsetzten, die nicht in das menschenverachtende Bild der NS-Ideologie passten.

Der Gedenktag: Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Gefangenen des Konzentrationslager Au-schwitz. Der Jahrestag der Befreiung wurde 1996 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.

Albert Fritz’ Gedenken: Eine Dauerausstellung im Landgericht Stuttgart informiert über die Opfer der NS-Justiz. Im alten Justizgebäude wurden mindestens 423 Todesurteile vollstreckt. Drei Stelen vor dem Landgericht Stuttgart erinnern an die 402 Männer und 21 Frauen, die von 1933 bis 1944 im nördlichen Lichthof durch das Fallbeil starben. In der Ausstellung finden sich auch Informationen über Albert Fritz wieder.