Walter L. Bernecke ist Professor für neuere Geschichte mit den Schwerpunkten Spanien und Lateinamerika. Foto: Reinhard

Professor hält vor Gymnasiasten Vortrag über Entwicklung der Demokratie Lateinamerikas

Einen Einblick in die Demokratie Lateinamerikas bekamen Gymnasiasten am Dienstagnachmittag. Walther Bernecker hielt einen lebhaften Vortrag, in dem er die Verschiebung zu einer linken Demokratie erläuterte und jüngste Entwicklungen aufzeigte.

Hausach. Dass er ein Experte mit viel Fachwissen ist, bewies Referent Walther L. Bernecke schon dadurch, dass er seinen Vortrag frei hielt und keinerlei Notizen benötigte. Kein Wunder: Bernecker ist Professor an der Universität Erlangen und lehrt neuere Geschichte mit den Schwerpunkten Spanien und Lateinamerika. Anschaulich und verständlich erläuterte er den Schülern den Weg der lateinamerikanischen Staaten von Militärdiktaturen zu links geprägten Demokratien. Dabei unterteilte er diese in drei Phasen.

Phase eins: Militärdiktatur

So unterstützten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg die Abschaffung der demokratischen Verhältnisse, um die Guerilliakriege niederzuringen, die sich um einen Ausgleich im sozialen Bereich bemühten. "Überall ergriffen Militärs die Macht und die Demokratie wurde abgeschafft", fasste Bernecker zusammen. Dies ging paradoxerweise mit einer Liberalisierung der Wirtschaft einher, ebenfalls unterstützt durch die USA. "Wir haben also eine wirtschaftsliberale Unterdrückung der Bevölkerung", zog der Professor als Fazit.

Phase zwei: Demokratie

Diese Phase sei Ende der 70er-Jahre allerdings vorbei gewesen. Die "Sponsoren", also die USA, allen voran Präsident Jimmy Carter, meldeten Zweifel an, dass sie als "Vorreiter der Demokratie" diktatorische Systeme unterstützten. Nachdem die Militärs beim Krieg auf den Falkland-Inseln versagten, wuchsen die Schuldenberge der lateinamerikanischen Staaten ins Unermessliche. Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre zogen sich die Militärs in ihre Kasernen zurück – der Weg war frei für neue Verhältnisse. "1982 wurde zum Schlüsseljahr. Mexiko erklärte als erstes seinen Bankrott", wusste Bernecker. Lateinamerika kehrte zur Demokratie zurück, als die Wirtschaft am Boden war. Diese Zeit werde als "verlorenes Jahrzehnt" bezeichnet. "Das Dilemma: Die für die Misere Verantwortlichen zogen sich zurück, für die Schulden wurden die nachkommenden Machthaber verantwortlich gemacht", erläutere Bernecker.

Um die Schulden abzubauen, musste gespart werden, vor allem bei den Sozialhilfen. Die politische Freiheit nahm zu, aber die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich. "Das ist eine paradoxe Situation: Trotz Demokratie waren die Bürger unzufrieden mit ihrer Regierung", sagte der Referent.

"Washington Consensus"

Mit dem "Washington Consensus" verpflichteten sich die lateinamerikanischen Staaten, ihre Schuldenberge so gut es ihnen irgendwie möglich war, abzubauen. Um das zu erreichen, gab es nur einen Weg: "Die Grenzen mussten geöffnet werden, die Wirtschaft liberalisiert werden", fasste Bernecker zusammen. Die Folge: Die soziale Schere ging durch diesen Neoliberalismus noch weiter auseinander."

Phase drei: Linke gewinnen

In den 90er-Jahren begann der dritte Zyklus: Die Ideen der Linkspopulisten, die eine grundlegende Änderung des Systems forderten, fanden fruchtbaren Boden, besaßen die meisten Länder doch reiche Bodenschätze, während die Bevölkerung von diesen Reichtümern nichts abbekam. Die Linken forderten eine Umverteilung der Reichtümer und gewannen so die Wahlen in Lateinamerika. "Praktisch überall sind die Liberalen und Konservativen von den gemäßigten und radikalen Linken regelrecht weggefegt worden", sagte Bernecker. "Die offensichtliche Folge: Eine gewaltige Verbesserung der sozialen Situation. Die Armut sank drastisch."

Konservative auf Kurs

Doch auch wenn diese Regierungen teilweise seit Jahrzehnten an der Macht sind, scheint diese Phase nun allmählich zu enden. Die Rohstoffpreise sind gesunken und damit geraten die linken Regierungen zunehmend in Schwierigkeiten. "Die Armut nimmt wieder zu, die vormals Profitierenden werden wieder unzufrieden", erläuterte der Experte. Damit gewännen konservative und liberale Kräfte wieder an Boden.

"Keine einzige Regierung hat es geschafft, strukturelle Veränderung hervorzurufen. Grundlegende Reformen stehen weiter aus", begründete Bernecker die derzeitigen Probleme. Außerdem müsse das Bildungsniveau angehoben werden und es werde eine Gesundheitsreform benötigt.

"Eine Prognose ist nicht möglich, da sie von konjunkturellen Weltfaktoren abhängig ist. Die Zukunft ist offen und unbestimmt". Mit diesen Worten beendete der Professor den interessanten Vortrag.