Heike Pfingsten-Kleefeld liest aus ihrem Buch "Kriegsenkelgefühle". Foto: Reinhard Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Heike Pfingsten-Kleefeld liest aus "Kriegsenkelgefühle" / Diskussion zeigt ähnliche Erfahrungen

Sie hatten es gut. Oder doch nicht? Zu einer Lesung aus ihrem Buch "Kriegsenkel-Gefühle" war Heike Pfingsten-Kleefeld nach Hausach gekommen, um dort mit Kriegskindern und deren nachfolgenden Generation ins Gespräch zu kommen.

Hausach. Trotz des Zugchaos‘, das am vergangenen Freitag aufgrund von Unwettern herrschte, hatte es Pfingsten-Kleefeld nach Hausach geschafft, wo sie im evangelischen Pfarrheim aus ihrem Buch "Kriegsenkel-Gefühle" vorlas. Ihr gehe es nicht darum, miteinander abzurechnen oder sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, betonte Pfingsten-Kleefeld zu Anfang. "Es ist wichtig, dass die Generationen miteinander ins Gespräch kommen", sagte sie. Ein Indiz dafür soll auch das Cover des Buchs sein, das die Autorin bewusst farbig gestalten ließ und nicht, wie es oft bei Büchern über solche Themen der Fall ist, in Grautönen. "Man kann es verarbeiten und die Kriegsenkel haben die Möglichkeit, auch mit 50, 60 Jahren noch einmal durchzustarten", erklärte sie.

Das beste Beispiel dafür sei sie selbst. Zwar habe sie schon immer gerne geschrieben und deswegen davon geträumt, Journalistin zu werden, doch mangelte es ihr aufgrund ihrer Erziehung an dem dafür erforderlichen Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen. Also wurde sie Sozialpädagogin, denn "helfen kann ich", so die Autorin. Während ihrer Arbeit an dem Buch habe sie erfahren, dass viele Kriegsenkel aus der gleichen Motivation heraus einen ähnlichen Beruf wählten. Mit 50 Jahren habe sie mehrere Kurse besucht und sich ihren Traum vom Schreiben erfüllt.

Das Sprechen über Gefühle war tabu

Zuerst las sie die Einleitung vor, in der sie ihre Erfahrungen als Kriegsenkelin schilderte. In Bezug zu den Erlebnissen ihrer Eltern schrieb sie darin: "Das Echo ihrer Erfahrungen hallte in meiner Kindheit wider." Konkret bedeutete das: "Über meinen Kopf schwebte immer ein ›Uko‹ – ein unbekanntes Katastrophenobjekt". Über glückliche Umstände freute man sich nicht, immer wurde mit dem Schlimmsten gerechnet und überhaupt war das Sprechen über Gefühle tabu. "Wir schauten immer mit einer Riesenlupe auf das Risiko", fasste sie zusammen. Das schuf zwischen den Familienmitgliedern eine große Distanz.

Aber es sei auch möglich, Aspekte am Kriegsenkel-Dasein mit Humor zu nehmen, so wie Sabine Fuchs es in ihrem Gedicht "Der Vorratskeller" tat. Dieser mit allem fürs Überleben Notwendigen vollgepackte "Bunker" ist anscheinend ein Phänomen, das die meisten Kriegsenkel kennen, wie zustimmendes Kopfnicken und vereinzeltes Kichern unter den Zuhörern zeigte.

Auch der Umgang mit dem Muttertag stellte die Kriegsenkel-Generation vor eine Herausforderung, denn oft fand in den Familien eine sogenannte "Parentifizierung" statt, erklärte Pfingsten-Kleefeld. Das bedeutet, dass die Kinder die Elternrolle einnehmen und für ihre Eltern sorgen, nicht umgekehrt. Das führte oft zu einer emotionalen Distanz, so dass sich eine der Autorinnen in dem Buch am Muttertag oft in einer Endlosschleife bestehend aus der Frage "anrufen oder nicht anrufen?" wiederfindet.

Ihr Gedicht "Familienkäfig" las Kriegsenkelin Kerstin Anders selbst vor und tauschte damit kurz mit Pfingsten-Kleefeld den Platz.

Kinder nehmen die Elternrolle ein

Darin beschrieb sie die Abhängigkeiten, in denen sich die Familienmitglieder zueinander befanden und wie sie als Tochter sich in die Pflicht genommen fühlte, ihre Mutter zu lieben, so dass es ein Abnabeln nicht geben konnte.

Schweigen, Angst, Distanz, Unsicherheit, Wut – in der anschließenden Diskussion zwischen Zuhörern und Pfingsten-Kleefeld wurde deutlich, wie sehr vieles von dem im Buch beschriebenen auch anwesende Kriegsenkel und Kriegskinder erfahren haben.

Das Buch "Kriegsenkel-Gefühle" von Heike Pfingsten-Kleefeld ist eine Sammlung von 31 Gedichten und Prosa-Texten, in denen sich die Kinder der Kriegskinder, also die Kriegsenkel, mit ihren familiären Mustern und ihrer Erziehung auseinandersetzen. Oft spiegeln sich darin die Kriegs-Traumata der Eltern wider.