Foto: Edition Salzgeber Foto: Schwarzwälder-Bote

"Nach diesem Film möchte man eigentlich sofort nach Hause", sagt die Drehbuchautorin.

Hausach - Als der Abspann zu Ende ist, taucht die dunkle Leinwand die Hausacher Stadthalle in Zwielicht. Es ist still, als bräuchten die rund 160 Zuschauer einen Moment, um sich zu sammeln. Verhalten beginnt Applaus, der lauter wird, als Nicole Armbruster im Scheinwerferlicht die Bühne betritt. "Nach diesem Film möchte man eigentlich sofort nach Hause", sagt die Drehbuchautorin.

Aus den Zuschauerreihen ist Zustimmung zu vernehmen. Trotzdem bleiben alle, bis die kurze Podiumsdiskussion, die sich an den Film anschließt, beendet ist. In der Hausacher Stadthalle wurde am Donnerstag die "Ortenau-Premiere" des Films "Freistatt" begangen. Nicole Armbruster, die Drehbuchautorin, stammt aus der Stadt unter der Burg.

"Freistatt" beginnt in hellen Farben: Wolfgang (Louis Hofmann), der 14-jährige Protagonist des Films, vergnügt sich mit seinen Freunden. Doch bald schon lehnt er sich gegen seinen Stiefvater auf. Dem reicht es, der Junge kommt in ein Erziehungsheim. Nach Freistatt.

Das Erziehungsheim in Freistatt war ein sogenanntes "Arbeitserziehungslager", getragen von der Diakonie. Der Film basiert auf den Erinnerungen Wolfgang Rosenkötters, der dort selbst Zögling gewesen ist. Teilweise wurde an Originalschauplätzen gedreht.

Viele der Besucher sind gekommen, weil sie Armbruster persönlich kennen. Andere freuen sich über die "Ortenau-Premiere" des Films oder sind neugierig darauf, was die Hausacherin geschaffen hat.

Dass der Film keine leichte Kost sein wird, darauf weist Bürgermeister Manfred Wöhrle bereits in der Begrüßung hin. Tatsächlich kippt die Stimmung schnell. Dem warmem, in gelbliches Licht getauchten Beginn in der Familie Wolfgangs, Osnabrück 1968, weichen kalte Farben, als er seine neue Heimat betritt. Karge Duschen, ein eiskalter "Oberbruder" (Stephan Grossmann), der die Minderjährigen schikaniert, ein übervoller Schlafraum ohne jegliche Privatsphäre. Selbst die Zahnpasta wird rationiert.

Wolfgang rebelliert gegen die unmenschlichen Bedingungen. Bei seinem ersten Arbeitseinsatz im Moor muss er beim Torfstechen noch Holzschuhe tragen. Anton (Langston Uibel), der bald sein Freund wird, erklärt ihm: "Die Gummistiefel kommen in zwei Monaten." Wolfgang braust auf, schreit den Oberbruder an – und wird zur Antwort mit einer Schaufel geschlagen. Durch die Hausacher Stadthalle geht ein Raunen.

Es ist eine von zahllosen Schikanen, die Wolfgang über sich ergehen lassen muss. Immer wieder gibt es Prügeleien. Auch unter den Jungs. Nach einem letzten Fluchtversuch, der für Anton katastrophal endet, ist Wolfgang schließlich gebrochen.

Armbruster erzählt Wolfgangs Geschichte schonungslos, die Kamera zeichnet sie in erschütternden Bildern. Die von der Heimleitung ausgehende Gewalt macht aus den schwer erziehbaren Kindern Menschen, die auf Konflikte nur noch eine Antwort kennen: Prügeln. Hausvater Brockmanns (Alexander Held) Aussage klingt da wie eine Drohung: "Ich bin seit 25 Jahren in Freistatt." Es gibt kein Entkommen – die Zeit in Freistatt verändert.

Die Atmosphäre in der Stadthalle ist gedämpft. Leise Gesprächsfetzen zeugen von der "kalten Wut", die die Zuschauer empfunden haben, vom Mitleid mit den Kindern. "Man kann nur hoffen, dass es nirgends mehr so zugeht", sagt Wöhrle. Gleichzeitig ist aber auch zu bemerken, dass die Hausacher stolz auf Armbruster sind. "Bei einem solchen Werk ist zu erkennen, dass Drehbuchpreise hier in Deutschland einen gewissen Wert haben", stellt Wöhrle fest.                               Lisa Kleinberger