Burnout und Depression sind unterschiedliche Erkrankungen, welche die Psyche des Betroffenen angreifen. Symbolfoto: Beule Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erklärt Unterschiede zwischen Burnout und Depression

Hausach. Burnout ist in der Gesellschaft weit verbreitet. Tobias Hornig ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und kommt für den Vortrag "Burnout und depressive Störungen" nach Hausach. Mit dem Schwabo sprach er im Vorfeld über Tücken und Verwechslungen bei den Krankheiten.

Herr Hornig, nehmen wir mal an, dass ich 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeite. Bekomme ich jetzt ein Burnout?

Die Wochenarbeitszeit ist in den Augen vieler ein wichtiger Risikofaktor. Man kann aber nicht generell sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen Wochenarbeitszeit und dem Auftreten eines Burnoutsyndroms gibt. Da müssen noch andere Faktoren hinzukommen. Entscheidend ist der Ausgleich zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Hier sind die Bedürfnisse ganz individuell.

Können Sie in drei Sätzen zusammenfassen, was genau ein Burnout überhaupt ist?

Da möchte ich erst einmal den Mann zitieren, der den Begriff etabliert hat. Das war Herbert Freudenberg, ein deutscher Arzt, der in den 70er-Jahren in New York gearbeitet hat. Er schrieb in seiner ersten Veröffentlichung: "Je müder ich wurde, desto mehr trieb ich mich an. Ein Zustand totaler physischer und psychischer Erschöpfung folgte."

Er hat selbst an einem Burnout gelitten?

Er und seine Kollegen haben an einem Zustand gelitten, den er später als Burnout bezeichnet hat. Wenn man in wenigen Sätzen zusammenfassen will, was ein Burnout ist, würde ich sagen: Nach anfänglicher Euphorie für eine Tätigkeit folgt unter bestimmten Voraussetzungen wie geringem Freizeitausgleich, fehlender Wertschätzung oder fehlendem Erfolg ein anhaltendes Gefühl der psychischen und körperlichen Erschöpfung, der zunehmenden Entfremdung von der entsprechenden Tätigkeit, gefolgt von einem Abbau der kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit. Es handelt sich dabei um einen kontinuierlichen Prozess, der psychische sowie somatische Störungen hervorrufen kann.

Der Vortrag, den Sie in Hausach halten, hat den Titel "Burnout und depressive Störungen". Wo ist da der Zusammenhang?

Ich referiere über diese beiden Erkrankungen, weil man das heutzutage fälschlicherweise oft in eine Schublade steckt. Es sind aber zwei unterschiedliche Störungsbilder. Oft wird eine Symptomatik, die einer depressiven Episode entspricht – vielleicht damit es der Patient eher akzeptiert – als Burnout bezeichnet. Das lässt sich in der Öffentlichkeit häufig besser verkaufen. Aber das ist, insbesondere mit Blick auf das unterschiedliche Vorgehen hinsichtlich der Behandlung, ein Riesenproblem. Deshalb werde ich in meinem Vortrag großen Wert darauf legen, gerade auf die Unterschiede hinzuweisen.

Wie seht denn Ihr typischer Patient aus?

Den Burnout-Patienten gibt es nicht. Aber es gibt bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die viele von Haus aus mitbringen. Das ist zum einen ein Hang zum Perfektionismus. Zum anderen ist es die Bereitschaft, sich aufzuopfern.

In Ihrem Vortrag geht es unter anderem um die "unreflektierte und verharmlosende Anwendung in der Alltagssprache". Was meinen Sie damit?

Mir ist diese "Unart" aufgefallen, Krankheitsbegriffe, die für Betroffene mit sehr viel Leid verbunden sind, für Alltagssorgen zu missbrauchen. Wenn sich ein Politiker widerspricht, dann ist das "schizophren". Oder wenn man einen schlechten Tag hat, dann ist man depressiv. Darüber kann ich mich richtig ärgern. Das sind Alltagssorgen, die jeder kennt, und das wird dann in Verbindung gebracht mit wirklich schweren Erkrankungen. Die Begriffe werden sukzessive in den Sprachgebrauch aufgenommen. Die Dramatik für viele Betroffene und deren Familien, das Leid, das dahintersteht, sieht man dann nicht mehr. Ich möchte die Menschen dafür sensibilisieren, dass es sich bei psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel dem Burnoutsyndrom oder einer depressiven Störungen um Krankheiten und nicht nur um Befindlichkeitsstörungen handelt.

In der Ankündigung ist aber auch von der "Entstigmatisierung" der Begriffe Burnout und Depression die Rede.

Auf der anderen Seite ist es natürlich ein guter Prozess, wenn die nicht medizinisch ausgebildete Bevölkerung im Hinterkopf hat, dass es so etwas wie psychische Erkrankungen gibt und dass das Krankheiten sind, die man behandeln kann. Das ist die Entstigmatisierung. Aber wenn man das bagatellisiert, kann es dazu führen, dass sich die Leute irgendwann nicht mehr trauen, deswegen zum Arzt zu gehen oder mit Kollegen sowie Angehörigen darüber zu sprechen.

Ich habe letztens eine Postkarte gesehen, auf der "Burnout ist was für Anfänger, ich habe bereits "Fuck off" zu lesen ist. Was halten Sie von dieser Einstellung?

Ok, da musste ich erstmal lachen. Humor kann durchaus ein probates Mittel sein, um mit Stress und fehlendem Ausgleich umzugehen. Im Prinzip sieht man an diesem Spruch aber genau das angesprochene Problem. Derjenige scheint seinen Burnout nicht behandelt zu haben, er leidet ja mittlerweile an etwas anderem, nämlich an "Fuck off". Er hat die Symptomatik also nicht ernst genommen. Das kann auf einen läppischen Umgang mit ernst zu nehmenden psychischen Störungen hindeuten. Es kann natürlich auch einfach ein guter Witz sein und als solchen kann man ihn stehen lassen. Die Fragen stellte Charlotte Reinhard.

Tobias Hornig spricht am Mittwoch, 23. Oktober, zum Thema "Burn-Out-Syndrom und Depressive Störung. Was macht den Unterschied?" in der evangelischen Stadtkirche Hausach. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.