Sandra Boser besichtigte beim DRK auch die Fahrzeugflotte. Foto: Reinhard Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Boser besucht DRK Hausach

Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser hat jüngst die DRK-Wache in Hausach besucht. Die DRKler sprachen mit ihr über Kompetenzen von Sanitätern, Altersteilzeit und Nachwuchsmangel in der Notfallmedizin.

Hausach. Wie Notarzt Manuel Abels gegenüber der GrünenLandtagsabgeordneten ausführte, gibt es im Berufsalltag der Notfallsanitäter und -mediziner immer wieder Situationen, in denen die Rechtslage dafür sorgt, dass für den Patienten überlebenswichtige Zeit verloren geht. Sanitäter dürfen Medikamente nämlich nur dann verabreichen, wenn kein Arzt greifbar ist – auch wenn sie eigentlich die nötigen Kompetenzen dafür erworben haben. "Meistens dauert es von der Entscheidung, dass ein Medikament intravenös gespritzt werden muss, bis der Notarzt gerufen ist, 15 bis 20 Minuten", so Abels. Gerade bei Herzinfarkten, bei denen "Zeit ist Herzmuskel" gilt, sei das mehr als unbefriedigend.

Bis der gerufene Notarzt eintrifft, können 15 bis 20 Minuten vergehen

Auch wenn keine Lebensgefahr besteht, zum Beispiel, wenn sich ein Kind ein Bein bricht und furchtbare Schmerzen leidet, dürften Sanitäter kein Schmerzmittel intravenös geben. "Moralisch gesehen ist das kein schönes Gefühl", fasste der Rettungsdienstleiter des Kreisverbands, Peter Giardini, zusammen. Der Paragraf, nach dem bei einem rechtfertigenden Notstand Sanitäter medikamentös handeln dürfen, sei "die tägliche Arbeit" der DRKler. "Unter gewissen Umständen begehen wir eine Straftat", sagte er. Und schlussendlich müsse der Notarzt hinterher seinen "Kopf hinhalten" für das Handeln der Sanitäter. "Mir wäre es lieber, wenn ich selbst für mein Handeln verantwortlich bin", so Giardini, auch in Hinblick auf den bürokratischen Aufwand, wenn ein Sanitäter unter einem rechtfertigenden Notstand handelt.

Boser sah das ähnlich: "Es sollte nach den erworbenen Kompetenzen gehen, welche Kompetenzen man ausüben darf", sagte sie. Sie sah Parallelen zu der Situation in der Pflege. Auch dort dürften Pflegekräfte viele Tätigkeiten nicht ausüben, obwohl sie die Kompetenzen dafür hätten. "Natürlich können Sie nicht im rechtsfreien Raum agieren", befand sie.

Roland Klemm, der stellvertretende Rettungsdienstleiter, brachte die Sprache auf den Rettungsdienst-Nachwuchs. "Die neue Generation von Sanitätern ist ganz anders aufgewachsen. Sie ist sehr selbstbewusst und hat eine hohe Erwartungshaltung. Sie fordern gute Arbeitsbedingungen und wenn das nicht eingelöst wird, sind sie gleich wieder weg", sagte er. "Wir haben gerade einen Generationenwechsel und wenn wir die Jungen jetzt nichts ins Boot holen, haben wir ein Problem."

Kreisgeschäftsführer Volker Halbe bemängelte, dass es für Notfallsanitäter im Gegensatz zu Feuerwehrleuten keine Altersteilzeit gebe. Damit könnte der Generationenwechsel erleichtert werden. "Wir sind hier alle zusammen alt geworden, der Altersdurchschnitt ist sehr hoch. Wir haben viele Langzeitkranke über 60 Jahre. Wir haben keine Kräfte zum Puffern; es geht alles immer Spitz auf Knopf", so Halbe. "Alle buhlen mit Wahnsinnsangeboten um die jungen Leute. Im Vergleich zu BMW oder Mercedes können wir nicht so große Anreize bieten."

"Der Bedarf an Fachkräften ist wegen der umgekehrten Alterspyramide hoch. Wir graben uns gegenseitig das Wasser ab. Wenn die Wirtschaft brummt, nimmt das Interesse an sozialen Berufen ab", meinte Klemm. Die Perspektiven für junge Menschen müssten verbessert werden. "Wir brauchen neues Personal nicht nur zum Auswechseln, sondern auch um den heutigen Bedingungen gerecht zu werden."

Die Landtagsabgeordnete wollte wissen, ob die DRKler mit mangelndem Respekt zu kämpfen hätten und ob die Patienten heute schneller zum Telefon griffen. Klemm erklärte, dass früher der Hausarzt Tag und Nacht zur Verfügung stand und Kreisverbandsarzt Wolfgang Stunder merkte an, dass seine Generation noch "alles gemacht" habe. "Die wenigsten jungen Ärzte machen heute noch Notfallmedizin."

In Bezug auf den respektlosen Umgang meinte Giardini, dass der zwar zugenommen habe, "aber insgesamt gesehen haben wir hier noch ›heile Welt‹". Ein Kollege habe aber tatsächlich nun zum ersten Mal Strafanzeige gestellt.

Notfallsanitäter können durch zusätzliche Ausbildungen sogenannte Notfallkompetenzen erwerben. Damit dürfen sie unter bestimmten Umständen Maßnahmen aergreifen, die normalerweise Ärzte vorbehalten sind. Was sich in den oft entscheidenen ersten Minuten an einem Einsatzort abspielt, geschieht dann in einer rechtlichen Grauzone. Wer in Deutschland nicht Arzt oder Heilpraktiker ist, darf nämlich nicht heilkundlich tätig werden. Das heißt, eigentlich ist der Sanitäter nicht formal zuständig. Natürlich helfen die sie, sofern sie die erworbenen Kompetenzen haben, dennoch. Sie können sich dann auf den "rechtfertigenden Notstand" berufen. Rechtlich ist das heikel. Der setzt nämlich voraus, dass der Zustand des Patienten so bedrohlich ist, dass ein Warten auf das Eintreffen des Notarztes nicht möglich ist. Das ist im Nachhinein nicht immer eindeutig. Der Notfallsanitäter handelt also sehr oft unter einem gewissen Strafbarkeitsrisiko.