Bei der Radlesung im Molerhisli unterhielt Stadtschreiber Joachim Zelter die zahlreich anwesenden Literaturfreunde, darunter auch Initiator José F.A. Oliver (Dritter von rechts) mit vergnüglichen Ausschnitten aus seinem Roman "Die Würde des Lügens". Foto: Becker

Stadtschreiber Joachim Zelter liest aus "Die Würde des Lügens", neues Konzept kommt an.

Hausach - Trotz Regens begaben sich fast 30 Teilnehmer am Sonntagnachmittag beim ersten Radlesen mit Stadtschreiber Joachim Zelter auf Tour. Vorgesehen waren mit dem Gasthaus Hirsch im Einbach, der "Sonne" in Gutach-Turm und zum Abschluss im Molerhiisle drei Stationen.

Wegen des schlechten Wetters verlegten die Veranstalter die beiden ersten Lesungen jedoch in den Hirschen.

Als die ziemlich durchnässten aber unentwegten Radler dann am Molerhiisle eintrafen, begaben sich alle gerne in die warme Stube der Wohnung des Stadtschreibers. Dort schlug Joachim Zelter gleich sein viel beachtetes Buch "Die Würde des Lügens" auf und gab einige Ausschnitte zum Besten. Dieser 2000 veröffentlichte Roman wurde noch im selben Jahr mit dem "Thaddäus-Troll-Preis" ausgezeichnet. Darin beschreibt der Erzähler, wie er als Kind mit seinen Lügengeschichten die Zufriedenheit und Zuneigung seiner Großmutter gewann. Er fing mit kleinen, harmlosen Berichten an, die sich dann zu ganzen Lügengebäuden steigerten.

Köstlich war, wie der Autor mit feinsinniger und bildhafter Sprache in perfekten Textpassagen "aus einer Mücke einen Elefanten" machte. Es fing schon damit an, dass die Großmutter auf ihre adlige Herkunft "von und zu Witzleben" größten Wert legte und dem Enkel einimpfte, damit überall Tür und Tor zu höchster Beachtung öffnen zu können. Ob das beste Fleisch beim Metzger, die frischesten Brötchen beim Bäcker oder eine bevorzugte Behandlung in allen Geschäften, in die sie das Kind schickte, der Erzähler übertrieb alles ins Maßlose, obwohl sich die Wahrheit völlig unauffällig und normal darstellte. Die Großmutter war indessen davon sehr angetan. Je absonderlicher der Kleine ihr seine Lügengeschichten auftischte, desto stolzer reagierte die Großmutter, was den Enkel zu immer eifrigerem Tun anstachelte.

Auf Bitten der aufmerksam zuhörenden und begeisterten Gäste, die im Zimmer die letzte Sitzgelegenheit ausnutzten, gab Zelter noch weitere Kostproben aus seinem auch als Hörbuch erschienenen Werk. Es ist ein Paradebeispiel des trockenen Humors, der den Deutschen an und für sich nicht so sehr als Eigenschaft zugeschrieben wird. Deshalb "ist es mein Traum, dass das Buch auch einmal ins Englische übersetzt wird". Denn England gilt als Mutterland des Humors dieser Art.

Als Vorbote des 20. Leselenzes vom 7. bis 14. Juli bezeichnete Initiator José F. A. Oliver in seinen Dankesworten den Nachmittag mit dem Stadtschreiber. Denn die Verbindung des leidenschaftlichen Hobby-Radrennfahrers Zelter mit seiner Literatur führte zu diesem rundum gelungenen und vergnüglichen Experiment.