Bedrohlich ist das Hochwasser in Oberwolfach-Grünach 1990/1991 gewesen. (Archivfoto) Foto: Haas

Hochwasser: Wie gut funktionieren die Sirenen im Kinzigtal und wo sind diese überhaupt noch zu finden?

Mittleres Kinzigtal - Die Bilder aus den Flutgebieten sind auch in den Köpfen der Kinzigtäler präsent. Manche sehen die Flüsse und Bäche nun mit einem anderen Blick. Wie werden die Bewohner des Kinzigtals im Notfall gewarnt? Der Schwabo hat sich umgehört.

Übergelaufene Bäche, die einer Sturmflut gleichen. Fernseher, Möbel, Leitplanken und sogar Autos, die in dem Hochwasser schwimmen. Bilder wie diese bleiben wahrscheinlich noch lange im Gedächtnis. Deshalb ist es im Notfall besonders wichtig, dass die Bevölkerung schnell vor einer solchen Gefahr gewarnt wird, um sich selbst und möglichst auch Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Wie funktioniert das hier im Kinzigtal?

Bürgermeister Siegfried Scheffold, Hornberg

"Bund und Länder hatten sich im Jahr 1992 geeinigt, die Bevölkerung nicht mehr mit Sirenen, sondern per Rundfunk zu warnen. Die früheren Sirenen wurden dann in den 90er-Jahren außer Betrieb genommen und abgebaut. Für die Alarmauslösung im Katastrophenfall ist das Landratsamt als Katastrophenschutzbehörde zuständig. Als Gemeinde haben wir zusätzlich die Möglichkeit, Meldungen über örtliche Gefahrenlagen an die Integrierte Leitstelle (ILS) in Offenburg zu machen. Die ILS veranlasst die Eingabe der Warnung in das Modulare Warnsystem (MoWaS). Je nach Warnstufe beziehungsweise Gefahrenlage erfolgt die Verteilung an Rundfunk, Fernsehen und die Warn-Apps. Die am häufigsten genutzte Warn-App ist NINA. Jedem Smartphone-Nutzer wird dringend empfohlen, die App zu installieren. Außerdem sollte jeder Haushalt ein batteriebetriebenes Radio bereithalten, damit auch bei einem Stromausfall Durchsagen empfangen werden können. Damit wir die Bevölkerung auch über Lautsprecherdurchsagen warnen können, haben wir eine mobile Lautsprecheranlage für die Feuerwehr bestellt. Im kommenden Jahr ist die Beschaffung einer weiteren Anlage vorgesehen."  

Bürgermeister Siegfried Eckert, Gutach

Der Gutacher Bürgermeister setzt bei der Information der Bevölkerung auch auf die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr. Die Kameraden würden über die digitale Leitstelle informiert. An die Führungskräfte gingen im Ernstfall detailliertere Informationen heraus. Die Feuerwehr sei mit Lautsprechern ausgestattet. Die Sirenen wurden abgebaut. "Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir wieder Sirenen installieren, das würde ich unterstützen", so Eckert auf Anfrage unserer Zeitung. Er könne sich auch vorstellen, dass das Land dieses Vorhaben fördere.

Hauptamtsleiter Dirk Bregger, Wolfach

In Wolfach gibt es laut Hauptamtsleiter Dirk Bregger in jedem Ortsteil von der Stadt betriebene und funktionsfähige Sirenen, im Städtle selbst gibt es drei fest installierte. Allerdings seien die Warnsysteme nicht zentral ansteuerbar, sondern müssten noch vor Ort manuell bedient werden. Dazu gebe es auch Regeln im "Notstandsplan" der Stadt Wolfach. Klare Regelungen zum Voralarm und vorbereitenden Maßnahmen gibt es in Bezug auf ein Hochwasser an Kinzig und Wolf.

Hier wird der Bauhof automatisch schon ab einem Pegelstand von 1,60 Metern die Sperrung der Radwege entlang Kinzig und Wolf vorbereiten. Ab einem Pegelstand von 2,80 Metern gilt Voralarm und die festgelegten Schutzmaßnahmen im Stadtgebiet werden eingeleitet. Ob und wann der "Alarmfall" eintritt, bei dem die Bevölkerung vor Ort alarmiert wird, entscheidet grundsätzlich der Bürgermeister, üblicherweise zusammen mit der Einsatzleitung der Feuerwehr. Bei nächtlichem oder plötzlichem Unwetter kommen neben einem Sireneneinsatz auch Durchsagen über Lautsprecher mit Fahrzeugen in Betracht.

Hauptamstsleiter Adrian Ritter, Haslach

"Die Stadt Haslach hält Sirenen vor, die digital an die Integrierte Leitstelle Ortenau angebunden sind. Über einen Sammel-RIC (Radio Identification Code) können zeitgleich alle digitalen Sirenen ausgelöst und bei Unglücksfällen genutzt werden", beantwortet Ritter unsere Anfrage. Zudem gebe es Sirenen, die manuell ausgelöst werden können. "Durch diese zusätzliche Maßnahme ist die Stadt Haslach unabhängig von zentralen Alarmierungen und kann – wenn nötig – selbstständig handeln", so Ritter weiter. Die Bevölkerung werde durch den jährlichen Kreis- beziehungsweise Bundeswarntag, der im Amtsblatt angekündigt und entsprechend erläutert wird, für den Ernstfall aufgeklärt. Der nächste Kreiswarntag findet am 9. September 2021 statt. "Auch als es diese zentralen Warntage noch nicht gab, hat die Stadt Haslach einmal jährlich in Eigenregie die Bevölkerung bei Sirenen-Probealarmen entsprechend informiert", so Ritter.   

Feuerwehrkommandant Peter Neumaier, Hofstetten

"Wir haben in Hofstetten noch eine Sirene, die wir auf die digitale Technik umgebaut haben", informiert Neumaier. Seit Kurzem gebe es für solche digital gesteuerten Sirenen eine eigene Alarmadresse, mit der flächendeckend im Ortenaukreis Sirenen alarmiert werden können. "Im Ernstfall würde das so aussehen, dass entweder die Feuerwehr oder auch der Bürgermeister einen entsprechenden Alarm über die Leitstelle Ortenau alarmieren lässt", so Neumaier. Über die Pegelmessung des Rückhaltebeckens werden zuständige Personen frühzeitig alarmiert. "Zudem gibt es einen Vertrag der Feuerwehren Haslach, Hofstetten und Mühlenbach, dass in Hochwasserlagen die Nachbarfeuerwehr umgehend über das drohende Hochwasser informiert wird und entsprechende Warnungen an die Bevölkerung ausgeben kann", so Neumaier. Allerdings sei der Sirenen-Standort auf dem Hofstetter Feuerwehrhaus eher suboptimal, (siehe Infokasten).  

Nicole Schmider, Steinach

Aus dem Bürgermeisteramt Steinach informiert Nicole Schmider über das Vorgehen in der Gemeinde. "Im Katastrophenfall wird das Verfahren gemäß dem geltenden ›Notfallplan der Gemeinde Steinach‹ eingeleitet, so Schmider. Nach Rücksprache mit der Feuerwehr und dem Bürgermeister werden dann, wenn notwendig, die Sirenen ausgelöst. Das geschehe über die zuständige Leitstelle. Insgesamt hat die Gemeinde vier Sirenen: In Welschensteinach beim Sägewerk Maier und auf der Schule, in Steinach beim Bauhof und auf dem Feuerwehrhaus.

Bürgermeister Wolfgang Hermann, Hausach

Ein Sirenensystem gibt es in Hausach schon lange nicht mehr, informiert Wolfgang Hermann. Die Warnung an die Bevölkerung erfolgt mithilfe des Modularen Warnsystems (MoWaS) sowie "NINA". Von Seiten der Stadt Hausach ist als erster und hauptverantwortlicher Ansprechpartner der Bürgermeister und danach dessen Stellvertreter Bernhard Kohmann beim Landratsamt hinterlegt.

Der Ablauf sieht folgendermaßen aus: Die veranlassende Stelle legt der integrierten Leitstelle Ortenau (ILS) eine Warnmeldung anhand einer Formularvorlage schriftlich oder mündlich vor und übermittelt dadurch die erforderlichen Informationen. Die ILS veranlasst die Eingabe der Warnung in das MoWaS-System. "Je nach Warnstufe wird es landesweit oder bundesweit verteilt, auch über Rundfunk, Medien und so weiter", so Hermann.

Peter Neumaier hatte in der jüngsten Hofstetter Gemeinderatssitzung über den problematischen Standort der Sirene informiert. Viele Bürger des Orts, der in den Nullerjahren zweimal stark von Hochwasserereignissen gebeutelt wurde, hören die Sirene kaum oder gar nicht. Neumaier schlug vor, diese gegen eine elektronsche Sirene auszutauschen. Bei letzterer werde der Ton nicht mehr "mechanisch", sondern über einen Druckkammerlautsprecher erzeugt. "Der Vorteil ist: Es können nicht nur Sirenensignale, sondern auch Durchsagen gesendet werden." Der optimale Standort wäre aus seiner Sicht der Kirchturm. Die Umrüstung soll nun geprüft und der Invest in den nächsten Haushalt mit aufgenommen werden. Laut Neumaier haben beispielsweise die Gemeinde Oberwolfach oder die Stadt Karlsruhe dieses Konzept der elektronischen Sirenen bereits umgesetzt. In Nachbarländern wie Österreich oder der Schweiz seien diese Systeme schon sehr lange verbreitet.