Anke Brügmann, ehemals Oberärztin des Wolfacher Krankenhauses, setzt sich auch in der Geburtshilfe rund um Beaumont ein. Bei Notfällen wird es aufgrund der angespannten Lage jedoch immer schwieriger. Foto: privat

Explodierende Lebensmittelpreise, Naturkatastrophen und Anarchie in Beaumont treiben die Verantwortlichen des Wolfacher Vereins "Pwojè men kontre" um. Gründerin Anke Brügmann berichtet von einer katastrophale Lage.

Wolfach - Seitens des Auswärtigen Amts besteht aktuell aufgrund der innenpolitischen Lage eine offizielle Reisewarnung für Haiti. Doch für Anke Brügmann und ihre engagierten Helfer gibt es keine Alternative zum Engagement für die Ärmsten, Ende August reist sie wieder zurück nach Beaumont. "Die Lage in Haiti ist fast hoffnungslos, es herrscht absolute Anarchie und eine Polizei haben wir schon lange nicht mehr", schildert sie die Situation vor Ort.

Für Kaiserschnitte ist die Krankenstation nicht ausgerichtet

Im abgelegenen Stuckhäusle, hoch über St. Roman, benennt sie die Ermordung des Präsidenten im vergangenen Jahr als Ausgangspunkt der unsicheren politischen Lage. Sie kann zudem nicht erkennen, dass sich an dieser dramatischen Lage ernsthaft etwas ändern könnte. Von staatlicher Seite seien alle Stellen nur provisorisch eingerichtet und die größte Gefahr seien die Entführungen durch Banden.

Auf die Arbeit des Vereins im Waisenhaus, der Schule und der Krankenstation wirke sich das natürlich auch aus. Denn gerade in der Krankenstation würden immer wieder Schwerstverletzte eingeliefert, die Opfer von Verbrechen wurden und schnell versorgt werden müssten.

Doch auch die Betreuung schwangerer Frauen aus der Region um Beaumont sei schwierig geworden, obwohl der Großteil der medizinischen Notfälle im Zusammenhang mit Geburten stehe. In deren Vorbereitung könne sie zwar eine Ultraschall-Untersuchung durchführen, aber für einen Kaiserschnitt sei sie nicht ausgerüstet. Wenn es bei der Geburt dann zu Komplikationen komme, habe sie die Frauen früher ins nächste Krankenhaus verlegt. Doch jetzt gäbe es nachts keine Ärzte mehr in den Krankenhäusern, die helfen könnten – die Angst vor Überfällen und Entführung sei zu groß. Also behalte sie alle Notfälle in Beaumont, was oft mit einem hohen Risiko verbunden sei.

"Doch im Moment sind die Lebensmittel das Wichtigste, alles ist extrem teuer geworden", erklärt Anke Brügmann. Jeden Monat werde das Budget für die 480 Schülerinnen und Schüler aus ärmsten Verhältnissen, Waisenkinder und Helfende ausgerechnet. Allein im Juli hätten trotz der Ferien – und damit ohne die externen Schüler – 40 000 Haitianische Gourdes gefehlt, was umgerechnet etwa 2000 Euro entspricht. Wenn zum Schuljahresbeginn auch die externen Schüler wieder mit einem kleinen Pausen-Vesper und warmer Mahlzeit versorgt werden, muss das Budget für Nahrungsmittel künftig deutlich höher angesetzt werden.

Schulbücher, Nahrung, Bildung: Es fehlt an allen Ecken und Enden

"Und es fehlen Schulbücher", verweist die ehemalige Oberärztin des Wolfacher Krankenhauses auf eine weitere Notwendigkeit. Die Schule von "Pwojè men kontre" sei für Bedürftige, die sich sonst keine Schulbildung leisten könnten. Das bedeute aber auch, dass sämtliches Unterrichtsmaterial gestellt werde. Und weil Natur- und Sozialwissenschaftliche Schulbücher auf dem Markt komplett vergriffen wären, entwerfe Anke Brügmann mit ihrem Team eigenes Lernmaterial, das dann gedruckt werden müsse.

"Es ist ganz wichtig, dass wir uns an der Bildung beteiligen, weil das Niveau vor Ort sehr niedrig ist", erklärt sie den großen Einsatz. Es werde gelernt, ohne den Inhalt zu verstehen – und das wirke sich auch auf die Qualität der Lehrer aus. Mit wöchentlichen Lehrer-Fortbildungen will sie dem entgegenwirken und modernere Unterrichtsmethoden einführen.

Ein trauriges Gesprächsdetail über das herrschende Schulsystem ergibt sich dann fast beiläufig, wenn Anke Brügmann sagt: "Unsere Schule ist landesweit die einzige, in der Kinder nicht verprügelt werden."

Finanzierung über Spenden

Die Arbeit des zehnköpfigen Vorstands von "Pwojè men kontre" ist rein ehrenamtlich. Das Waisenhaus, die Schule, die Sozial- und Nothilfe, die Landwirtschaft, die medizinische Hilfe und die neue Propangas-Tankstelle finanzieren sich ausschließlich durch Spenden. Wer helfen möchte kann bei der Sparkasse Wolfach unter der IBAN DE 07 66 45 27 76 00 10 14 80  72, bei der Volksbank Kinzigtal unter der IBAN DE 72 66 49 27 00 00 20 01 25 01 oder dem Wolfacher Bankhaus J. Faisst unter IBAN DE 97 66 43 27 00 00 00 04 94 78 spenden. Für eine Zuwendungsbescheinigung wird außerdem die Adresse im Verwendungszweck benötigt. Weitere Infos über den Verein gibt es auch im Internet unter www.menkontre.com.