Von Berlin nach Ettenheim: Diplom-Heilpädagoge Sebastian Krauß wird ab Montag in dem historischen Spitalgebäude in der Innenstadt erste Patienten empfangen. Er bietet psychiatrische und psychologische Hilfe für Heranwachsende bis 21 Jahren an.
„Das Warten hat sich gelohnt“, freute sich Bürgermeister Bruno Metz beim Pressetermin im Spitalgebäude. Nachdem die früher dort beheimatete Sozialstation St. Vinzenz 2023 in neue Räume gezogen war, hatte sich die Frage gestellt, wie es mit den Spitalräumen in der Innenstadt weitergehen würde. „Die Räume in Wohnungen zu verwandeln, wäre ein Leichtes gewesen“, sagte Metz beim Pressetermin mit Krauß und Katharina Augsten, Leiterin des Liegenschaftsamts.
Jedoch hatte er sich für das Gebäude, in dem vom Mittelalter an bis 1951 das erste Krankenhaus Ettenheims beheimatet gewesen war, eine andere Nutzung erhofft.
Mit der kinder- und jugendpsychotherapeutischen Praxiseröffnung von Diplom-Heilpädagoge Sebastian Krauß wird diese jetzt kommen. Krauß zieht aus Berlin in die Rohanstadt und hat den Kassensitz der Ettenheimer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Verena Altfuldisch übernommen. Bereits am Montag wird er in den Praxisräumen im Spitalgebäude mit den ersten Terminen starten. „Die Freude ist wahnsinnig groß, dass in das Spitalgebäude wieder eine Nutzer aus dem Gesundheitssektor kommt. Mit Herrn Krauß erhalten wir einen engagierten und jungen Therapeuten für Ettenheim“, so Metz.
Bedarf an psychologischer Hilfe ist durch Corona weiter gestiegen
Der Bedarf an psychiatrischer und psychologischer Hilfe für Kinder und Jugendliche war schon vor der Corona-Pandemie groß. Während dieser und auch danach haben emotionale Störungen oder Anpassungsstörungen stark zugenommen. Ein deutschlandweiter Trend, den Krauß auch aus seinem Praxisalltag in Berlin bestätigen kann. Hauptthemen der dort von ihm behandelten Kinder und Jugendlichen seien Ängste und Depressionen sowie ADHS gewesen. Aber auch Essstörungen und Zwangsstörungen hätten durch die Pandemie zugenommen.
Deshalb sei es wichtig, dass mit der kinder- und psychotherapeutischen Praxis Abhilfe geschaffen werde. Auch deshalb, weil Ettenheim ein Schulstandort ist, betonte Metz. Die neue Praxis könnte besser nicht gelegen sein: Die zukünftige Mediathek im ehemaligen Volksbankgebäude, für das erst diese Woche weitere Rohbauarbeiten beauftragt wurden, ist nebenan. Sie soll nach ihrer Fertigstellung auch ein Treffpunkt für Familien und Jugendliche werden. Durch den Abbruch des dortigen ehemaligen Druckereigebäudes wurde von der zukünftigen Mediathek zum Spitalgebäude ein Durchgang geschaffen, der über einen Platz führt, an dem Familien – sei es etwa durch Kunst, Bewegungsmöglichkeiten oder vielleicht auch Spielgeräte – Aufenthaltsqualität geboten werden soll. Die hellen Praxisräume von Krauß befinden sich im ersten Stock des Spitalgebäudes. Im Erdgeschoß soll – zumindest zunächst – das städtische Jugendbüro untergebracht werden. Es werde dort also quasi ein kleiner Campus für Familien geschaffen, freute sich das Stadtoberhaupt Metz.
Weitere Stärkung des Gesundheitsstandorts Ettenheims
Auch sei die Erleichterung groß, dass durch die Psychotherapie der für die Region so wichtige Gesundheitsstandort Ettenheim weiter gestärkt wird. Denn, so betonte Metz ausdrücklich, „die Gesundheitsversorgung Ettenheims liegt mir besonders am Herzen“. Nach der Schließung des Krankenhauses habe er eine schrittweise Abwanderung des Gesundheitssektors befürchtet. Doch das Jahr 2023 habe gezeigt, dass mit dem neuen Zentrum für Gesundheit glücklicherweise das Gegenteil der Fall sei – wie sich etwa mit Kraußes Praxiseröffnung und auch der Verstärkung durch eine weitere Fachärztin im HNO-Zentrum zeige. „Wenn auch nicht ohne unser Zutun“, wie Metz beim Pressetermin ergänzte.
So hat die Stadt etwa zum Teil die Innenräume der Praxis und den Eingangsbereich mit der Sprechanlage saniert und einen anderen Teil der Praxisräume hat Krauß in Eigenregie sanieren lassen. „Es war überraschend unkompliziert, ein Mietverhältnis zu bekommen. In Berlin hätte es mir nichts gebracht, mich an die Stadt zu wenden“, lobte Krauß die kurzen Wege Ettenheims.
Über die Praxis
Sebastian Krauß hat als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut bereits seit 2018 in Berlin eine Praxis. Er behandelt Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr. Da bei der Jugendpsychologie das Umfeld stärker einbezogen werde als bei der Erwachsenenpsychologie sei diese Übergangsmöglichkeit vom 18. bis zum 21. Lebensjahr, die seine Praxis bietet, sehr wichtig. Krauß wendet das Therapieverfahren der Verhaltenstherapie an. Diese stellt aktuelle psychische Problem und deren zeitnahe Behandlungsmöglichkeiten in den Vordergrund. Der Zugang zur Behandlung in seiner Praxis solle unkompliziert gestaltet werden, erklärte Krauß. Zunächst könne man auch ohne Überweisung vom Hausarzt einen Termin bekommen.