85 Menschen aus der Rohanstadt sind 1842 ausgewandert. Zusammen mit anderen Auswanderern aus dem Kaiserstuhl haben sie die Colonia Tovar gegründet. Am Donnerstag steht der Bürgersaal ganz im Zeichen der Auswanderer-Gemeinde und ihrer Historie.
Ihre Begeisterung ist ansteckend: Ralf Muttach, Michael Formella und Bernd Meyer vom Freundeskreis Colonia Tovar Endingen haben sich an diesem Abend bei Thomas Dees, dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Ettenheim des Historischen Vereins Mittelbaden, eingefunden. Gemeinsam besprechen sie eine geplante Abendveranstaltung am Donnerstag , 30. November, 19 Uhr, im Ettenheimer Bürgersaal. Dabei wird sich für die Ettenheimer Besucher ein neuer, bislang in der Rohanstadt wenig beachteter Blickwinkel in die eigene Geschichte eröffnen, den die Endinger seit langem in ihrem Blickfeld haben.
Die Colonia Tovar in Venezuela, die in diesem Jahr ihr 180-jähriges Bestehen gefeiert hat. Die Beziehungen der Kaiserstuhlgemeinde zur Colonia Tovar hat man auch hier in der südlichen Ortenau immer wieder wahrgenommen.
Großteil kam aus Ettenheim, Altdorf und Münchweier
Dass sich aber im Jahr 1842 deutlich mehr Ettenheimer auf den Weg in den Norden Südamerikas machten als Endinger, das war im Bewusstsein der Ettenheimer, selbst der geschichtsbeflissenen, nicht verankert. Dabei waren es immerhin 85 Ettenheimer, Münchweirer und Altdorfer, teilweise Familien mit kleinen Kindern, die wenige Jahre vor der 1848er-Revolution der Armut hierzulande entflohen sind, sich vom Versprechen auf besseres Leben drüben überm großen Teich anlocken ließen, wie weitere rund 300 Bewohner von Kaiserstuhl und Oberrhein.
Endingens Bürgermeister gibt die Initialzündung
Es bedurfte der „Verknüpfungen“ des Endinger Bürgermeisters Tobias Metz zum Wohnort seiner Eltern, Ettenheim eben, um nun auch dieses Fenster in die Geschichte Ettenheims zu öffnen. Im April reiste Tobias Metz mit einer Delegation nach Venezuela, um an der 180-Jahr-Feier der Colonia Tovar teilzunehmen. „Seither“, so berichten die drei Gesprächspartner im Gespräch mit unserer Redaktion, „brennt unser Bürgermeister für diese Verbindung“.
Und weil er in diesem Zusammenhang natürlich auch von der Vielzahl der Ettenheimer erfuhr, die sich damals mit Sack und Pack auf den langen, mehrere Monate dauernden Weg nach Südamerika machten, lag für ihn, zusammen mit dem Freundeskreis der Kaiserstuhlgemeinde, der Schluss nahe, auch in der Gemeinde, in der er aufgewachsen ist, auf diesen beachtenswerten Teil der Stadtgeschichte zurückzublicken. Im Historischen Verein in Ettenheim um Thomas Dees fand man schnell einen aufgeschlossenen Veranstaltungspartner.
Der historische Abend im Ettenheimer Bürgersaal kostet keinen Eintritt
Das Programm am kommenden Donnerstag verspricht, dass da viel Interessantes, das aus den drei Besuchern vom Kaiserstuhl beim Pressegespräch nur so heraussprudelt, zur Sprache kommen wird.
Nach der Begrüßung durch Thomas Dees, Bruno Metz und Tobias Metz wird Franz-Josef Vollherbst einen Abriss über „Die Auswanderergeschichte bis in die Gegenwart“ geben. Später wird Bernd Meyer als Ehrenvorsitzender die Stiftung und den Freundeskreis Colonia Tovar vorstellen. Ralf Muttach und Michael Formella runden mit Kurzfilmen über die Colonia die Präsentationen ab.
Auch der „Jokili“ spielt in Tovar eine Rolle
Die Besucher der Veranstaltung im Bürgersaal (Eintritt frei, Spenden willkommen) werden ebenso über die aktuelle Lage Venezuelas und der landwirtschaftlich reichen Colonia – es gibt dort drei Ernten im Jahr und Erdbeeren das ganze Jahr hindurch – über die Bedeutung des „Jokili“ auch in Tovar, über den Erhalt der badischen Kultur und Sprache auch heute noch, über die topographische Lage auf teilweise über 1800 Metern über dem Meeresspiegel – Tovars Fläche ist so groß wie der ganze Kaiserstuhl – über die Veränderung der politischen Lage in diesem Land, die vielfältige humanitäre Hilfe der Menschen in der Colonia durch den Freundeskreis und vieles andere mehr erfahren. Ein Abend, der sicherlich das geschichtliche Bewusstsein der Rohanstadt erweitern wird.
Die Gemeinde Colonia Tovar
Colonia Tovar ist eine mehr als 21 000 Einwohner zählende Gemeinde, etwa 70 Kilometer westlich von Caracas in Venezuela im Bundesstaat Aragua. Der größte Teil der Bevölkerung sind Nachfahren deutscher Einwanderer vom Kaiserstuhl unter anderem aus Ettenheim, Forchheim, Wasenweiler und Endingen.