Glücklich über ihre geglückte Machtübernahme sind in Ettenheim nicht nur die Hoorig. Bei ihrer Stürmung erhielten sie Hilfe von den Hähnlefeldhexen, der Stadtkapelle und vielen Bürgern. Foto: Decoux/Sandra

Egal, ob Ettenheim, Kappel-Grafenhausen, Kippenheim, Orschweier, Ringsheim oder Rust: Mit Begeisterung und dem Rückhalt der Bevölkerung haben die Zünfte die Rathäuser und Ortsverwaltungen gestürmt und die jeweiligen Bürgermeister vorerst vertrieben. Nun sind sie bis Aschermittwoch an der Macht.

So mancher Rathauschef sträubte sich, doch am Ende mussten sich alle ihrem Schicksal ergeben: In der südlichen Ortenau regieren bis Aschermittwoch wieder die Narren.

Ettenheim: Zum 177-jährigen Bestehen der Narrenvereinigung Hoorig in Ettenheim wurde ein 20 Meter hoher Narrenbaum gestellt. Hästrägerin Carina Kratt moderierte die Aktion, die jede Menge Muskelkraft erforderte. Danach zog die Stadtkapelle mit den Muckedatschern, Stadtlatschi und den Hähnlefeldhexen gefolgt von zahlreichen Hemdglunkern durch die Ettenheimer Straßen. Doch nicht nur in der Kernstadt, auch in den Ortsteilen herrschte närrisches Treiben, so etwa in Münchweier: „Auch wenn sie einen Migrationshintergrund haben, nehmen wir das neue Prinzenpaar mit Handkuss, denn wir Gelruewe sind ja tolerant und weltoffen“, sagte Ortsvorsteherin Charlotte Götz. Die Zwillinge Rebecca und Judith König stammen ursprünglich aus Ettenheim und regieren jetzt das Gelruewe-Land. Vor dem Rathaussturm wurde das Prinzenpaar von der Hemdglunkerschar in Begleitung des Musikvereins Münchweier zu Hause abgeholt. Dann führte der Umzug ans Rathaus, wo Götz den beiden Damen symbolisch den Rathausschlüssel überreichte.

Kappel-Grafenhausen: Auch in seinem letzten Amtsjahr kannten die Narren gegenüber Rathauschef Jochen Paleit keine Gnade – beide Rathäuser musste er räumen. „Herr Paleit, ein Widerstand lohnt sich nicht“, so Oberzunftmeister Benjamin Utz, der in Grafenhausen mit einer großen Hexenschar und dem Teufel vor dem Rathaus erschienen ist. Während des Rathaussturms wurde ein Hexentanz aufgeführt zur Unterhaltung der Hemdklunker. Nach dem die Hexen im Besitz des Rathausschlüssel waren, wurde das Oberhaupt auf einen alten Leiterwagen unter den Klängen der Musikkapelle und einer großen Anzahl von Hemdklunkern des Dorfes verbannt. In Kappel zeigten die „Rhinschnooge“ mit einem eindrucksvollen Hemdglunkerumzug durchs Dorf, dass sich die Bürgerschaft auf ihre Seite geschlagen hat. Nach einem kleinen Kampf gab Paleit den Schlüssel. Im Anschluss löste Landesjustizministerin Marion Gentges den Urteilsspruch des Kappeler Narrengerichts von 2023 ein und verteilte Weck und Würste an die Kinder.

Kippenheims Bürgermeister wurde aus dem Rathaus getragen

Kippenheim: Unter den Blicken der versammelten Bürgerschaft von Kippenheim wurde Rathauschef Matthias Gutbrod aus dem Rathaus gezerrt und in einer Verhandlung vor dem Narrengericht seines Amtes enthoben. Die Narren-Gerichtsbarkeit – bestehend aus Jahn Himmelspach von den Schelmewinklern, Sara Hoppe von den Kippener Hexen und Isabell Oßwald von den Moore-Bätschern – machte kurzen Prozess mit dem Würdenträger. Seiner Insignien, Rathausschlüssel und Gemeindekasse beraubt, wurde er zur Ablegung von Schwüren verurteilt, welchen zufolge er den Anweisungen der Narren Folge leisten würde sowie über Fastnacht die Spendierhosen tragen würde. Nach erfolgten Schwüren wurde das entmachtete Gemeindeoberhaupt verpflichtet, den eben abgelegten Meineid öffentlich zuzugeben. „Ihr sehe mich nid lache, bis zum Aschermittwoch derf ich jetzt de’ Chef in Kippene nimmi mache. Die Kass’ isch weg, jetzt hab ich nix me’ zu sage – glaube mir des wer’e für mich ganz schwere Tage“ waren die Worte Gutbrods zu seiner Entmachtung, die von seinen ehemaligen Untertanen laut bejubelt wurden. Mit wilden Tänzen um das Hexenfeuer wurde die erfolgreiche Stürmung des Kippenheimer Rathauses gefeiert. Zu gewollt schrägen Tönen der Guggenmusik setzten sich die Eroberer im Hemdglunkerumzug in Richtung Schützenhaus in Bewegung, wo der Sieg zünftig gefeiert wurde.

In Orschweier mussten die Narren zunächst heiraten

Orschweier: Vor das Standesamt ziehen mussten Prinzessin Ina und Prinz Jens von der Hornig Narrenzunft Orschweier. Bürgermeister Dietmar Benz fungierte als Standesbeamter und vollzog die Ehe der beiden, die aber am Aschermittwoch wieder geschieden wird. Das sind die Regularien in Orschweier, ohne Ehe rückte Ortsvorsteher Bernd Dosch und Benz trotz lauter Protestrufe aus dem „Volk“ den Schlüssel nicht heraus.

Auch das beste Menü half Pascal Weber nichts

Ringsheim: Der Hemdglunkerumzug am Schmutzige Dunschdig ist auch in Ringsheim jahrzehntelange Tradition der Ringsheimer Narrenzünfte. Auch dieses Mal war es das Ziel bis zum Aschermittwoch die Herrschaftsgewalt über den Rathausschlüssel und über die Gemeindekasse zu erlangen. Bereits um 18.11 Uhr versammelten sich die Ringsheimer, ausgestattet mit Nachthemd und Schlafmütze, an der Schule. Eine Stunde später zog der Hemdglunkerzug mit musikalischer Begleitung der Musikkapelle zum Rathaus, wo Bürgermeister Pascal Weber als Koch gekleidet auf die Hemdglunker, unter ihnen viele Kinder, auf seine Amtsenthebung wartete. Das vorbereitete mehrgängige Menue des Ringsheimer „Starkochs BMW“ half ihm nicht weiter. Letztlich erlag er dem Charme der neugekrönten Rämässerkönigin Jennifer Enis. Sowohl sie, als auch die Oberzunftmeisterin Eva Obergföll überzeugten den Bürgermeister letztlich mit schlagenden Argumenten. Geduldig warteten die vielen Kinder in vorderster Reihe bis am Schluss auf den Güzili-Regen. Zum Ausklang zogen die Narren in das nahe gelegene Bürgerhaus, wo beim Hemdglunkerball weiter gefeiert wurde.

Auch das Ruster Rathaus wurde erobert

Rust: Seit Donnerstagabend haben die Narren das Sagen in Rust. Noch bis kommenden Dienstag werden sie im Besitz des Rathausschlüssels bleiben. Bürgermeister Klare wurde für die nächsten Tage in den Urlaub geschickt. Aus diesem Grund bleibt das Rathaus am Montag und Dienstag auch geschlossen.