Wo die einen lachen und toben, suchen die anderen Einkehr und eine Verbindung zu Gott. Andrea Ziegler und Thomas Schneeberger berichten darüber, wie es ist, als Seelsorger im Europa-Park tätig zu sein – und warum man sich auch außerhalb des Freizeitparks mit Gott auf der Achterbahn befindet.
Zwischen Rafting und der Schiffschaukel Vindjammer steht mitten im Skandinavischen Themenbereich des Europa-Parks die Stabkirche. Sie ist eine der drei Kirchen, die im Rahmen von „Kirche im Europa-Park“ ihren Besuchern die Möglichkeit zur Einkehr, Besinnung und Flucht vor dem Trubel bieten. Für die seelsorgerische Betreuung sorgen die evangelische Diakonin Andrea Ziegler und der katholische Diakon Thomas Schneeberger.
Frau Ziegler, Herr Schneeberger, hatten Sie sich bewusst entschieden, als Geistliche im Europa-Park tätig zu sein?
Schneeberger: Ich glaube nicht, dass das jemand gezielt werden will. Ich habe lange überlegt und viele Gespräche mit meinem Vorgänger Andreas Wilhelm geführt, bis ich gesagt habe: Ja, das mache ich. Und es war die wichtigste, richtigste und beste Entscheidung. Durch Kirche im Europa-Park erreichen wir Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden.
Ziegler: Mein Vorgänger hatte mich herausgepickt, weil ich schon einiges mit Erlebnispädagogik gemacht und das wirklich geliebt habe. Ich habe zunächst hospitiert und bin mehrmals in mich gegangen. Aber dann dachte ich, dass es ein einmaliges Angebot ist – und inzwischen bin ich sehr dankbar darüber, es angenommen zu haben. Es ist total klasse hier.
Was unterscheidet die Seelsorge im Europa-Park von einer normalen Seelsorge?
Schneeberger: Das ist für mich schon fast eine theologische Frage. Denn dazu müsste man sich erst einmal Gedanken machen, was „normale“ Kirche überhaupt ist. Kirche ist für mich überall dort, wo Menschen unterwegs sind – in allen Phasen, die das Leben so hergibt. Und es ist die Aufgabe der Kirche, diese Wege zu begleiten, mit der Perspektive des Glaubens, dass einer mitgeht, die Höhen und Tiefen miterlebt. Es ist wirklich so: Auch außerhalb des Parks befindet man sich im Leben mit Gott in der Achterbahn. Allerdings ist es so, dass die Kirche hier im Park anders ist, als viele es erwarten. Eine Frau hat mal zu mir gesagt: Sie gehören dazu? Sie sind ja ganz sympathisch! Manchmal sind die Leute einfach davon überrascht, wie Kirche sein kann.
Ziegler: Die Leute haben Vorurteile, wie die Kirche normalerweise ist – besonders die Leute, die selber nicht hingehen. Wir geben die Chance und den Mut, Kirche neu zu denken. Wir ermutigen die Menschen mit dem, was sie an Bedrängnis haben, zu uns zu kommen und ihnen zuzuhören und zu verstehen, wie der Gottesdienst zum Gottesdienst für die Menschen werden kann – und nicht zum Abfeiern der Liturgie. Aber: Es gibt auch viele Ortsgemeinden, die genau dieses Anliegen ebenfalls verfolgen. Wir sind Teil der Ortsgemeinde, wir unterstehen ganz normal der Landeskirche Baden, beziehungsweise dem Erzbistum Freiburg und werden von diesen bezahlt. Und wir sind mit den Gemeinden vor Ort auch im Austausch – in meinem Fall etwa mit Pfarrer Jörg Herbert in Mahlberg und im Fall von Thomas Schneeberger mit Pfarrer Josef Rösch in Rust.
Sorgt Ihr besonderes Wirkungsfeld dafür, dass vieles anders läuft als gewohnt?
Ziegler: Das schon. Wir halten zum Beispiel keinen klassischen Sonntagsgottesdienst. Öffentliche Gottesdienste gibt es bei uns nur an Erntedank, dem ersten Advent oder Ostermontag. Auch bereiten wir nicht auf die Kommunion oder Konfirmation vor.
Schneeberger: Das könnten wir auch gar nicht leisten. Wir beide haben zusammen weniger als zwei volle Stellen. Ohne Ehrenamtliche wäre auch Kirche im Park nicht denkbar. Was wir an Gottesdiensten feiern, ist ein Dreiklang an Ehejubiläen, beziehungsweise Segnungsfeiern, Taufen und Trauungen. Die Gottesdienste für private Feiern sind für die Gäste ohne Eintrittsticket zugänglich. Was noch eine Sache ist, die ganz wichtig ist: Wir beide können und wollen Kirche nicht anders denken als als ökumenische Idee.
Und wer ist die Zielgruppe von Kirche im Europa-Park?
Ziegler: Das sind zum einen die Gäste des Parks. Es ist allerdings eher selten, dass wir in der Kirche sitzen und darauf warten, dass jemand kommt – außer es läuft gerade ein bestimmtes Projekt. So haben wir etwa über Ostern zehn Tage lang als Wikinger verkleidet in der Stabkirche ein Rätselspiel organisiert. Da kommt man dann durchaus ins Gespräch. Viele Gäste finden uns über Instagram und wollen uns vor Ort kennen lernen oder wenden sich mit einem konkreten seelsorgerischen Anliegen an uns, wofür wir dann einen geschützten Ort aufsuchen. Viele Menschen freuen sich, im Europa-Park der Kirche zu begegnen, festzustellen, dass sie kein Dekogegenstand ist und dort mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Die Möglichkeit, Kerzen anzuzünden nutzen sehr viele – etwa für die, die sonst mit ihnen dort hingehen oder gegangen sind.
Und die zweite Zielgruppe?
Schneeberger: Das sind die 4750 Europa-Park-Mitarbeiter, die mit ihren persönlichen Anliegen gerne und regelmäßig zu uns kommen.
Spielt auch die Euromaus im Gottesdienst eine Rolle?
Ziegler: Ich habe auch schon die Euromaus mit im Gottesdienst gehabt, weil es bei Ehejubiläen und Hochzeiten so gewünscht war. Warum denn nicht? Für manche ist das das liebste Wesen und ein Lebensbegleiter! Wenn man sieht, wie manche mit dieser Maus – die ja nicht spricht – interagieren, mit ihr reden, ihr das Herz ausschütten – da geht einem das Herz auf!
Gab es in Ihrer Zeit als Seelsorger auch besonders bewegende Momente?
Ziegler: Ein Moment, der mich im positiven Sinne bewegt hat, war die Taufe einer Vierjährigen. Die Eltern hatten sie im Vorfeld als sehr unruhig und chaotisch beschrieben und waren sehr besorgt gewesen, ob sie die Tauffeier „durchhält“. Und dann war dieser Taufgottesdienst da. Ich habe bei dieser bewusst den Fokus auf das Mädchen gelegt – und sie hat so gestrahlt. Dieses Kind war so selig, hat so mitgemacht, weil sie diese Taufe so sehr wollte. Das war so ein Moment, wo ich dachte: Das ist einfach schön!
Schneeberger: Es ist bewegend, Menschen auch in schwierigen Situationen zu begleiten, das kommt durchaus auch vor. Ich glaube, unser Auftrag als Seelsorger ist zu zeigen: Es gibt mehr, als wir sicher messen können. Zu vermitteln, dass Gott im Alltag ist, ist unser Anliegen: Die Menschen in Beziehung mit Gott zu setzen und sie ihn spüren zu lassen, ihnen ein Stück weit den Himmel zu öffnen. Wenn ich etwa erlebe, wie junge Menschen kurz still werden und über den Glauben nachdenken, ist das etwas Besonderes. Das ist die eine – vertikale – Beziehung zu Gott, die direkte. Die andere Beziehung zu Gott – die horizontale – geschieht mit unseren Mitmenschen über Momente von gelungenem Miteinander. Und das macht den Park auch aus.
Jetzt gab es im Park zwei schlimme Momente dieses Jahr: Der Unfall und der Brand. Sind Sie auch in so einem Fall im Einsatz?
Schneeberger: Ja, wir sind überall dort, wo die Menschen sind, mittendrin, wo wir gebraucht werden.
Wie viele Ehrenamtliche unterstützen Sie?
Ziegler: Ich habe einen E-Mail-Verteiler mit 70 bis 80 Adressen. Bis auf etwa zwölf Leute, die immer dabei sind, gibt es viele, die sich ihre Projekte gezielt aussuchen. Aber das ist in Ordnung. Wenn sich für ein Projekt nicht genug Freiwillige finden, dann war es nicht gut genug oder der falsche Zeitpunkt dafür.
Schneeberger: Außerdem haben wir Ansprechpartner bei der Landeskirche und beim Erzbistum und von Seiten des Parks, von dem wir unglaublich viel Wertschätzung erfahren haben, unseren Weg als Kirche im Park zu gehen.
Kirche im Europa-Park
wurde im Europa-Park 2005 gemeinsam mit der Erzdiözese Freiburg und der Landeskirche Baden ins Leben gerufen, die die Seelsorger bezahlen. Es sollte den vorhandenen geweihten Kapellen Leben einhauchen und den Mitarbeitern einen Anlaufpunkt bieten. Es war von Anfang an ein ökumenisches Projekt.
Thomas Schneeberger
arbeitete mehrere Jahre in Bochum als examinierter Krankenpfleger. Es schlossen sich das Studium der Katholischen Theologie sowie ein Referendariat für das Lehramt an Beruflichen Schulen an. Seit 2017 ist Thomas Schneeberger Diakon und unterstützt als Diakon im Zivilberuf die pastorale Arbeit in seiner Kirchengemeinde in Friesenheim. Im September 2022 trat Diakon Thomas Schneeberger die Nachfolge von Andreas Wilhelm im Europa-Park an. Er ist weiterhin als Lehrer und Beratungslehrer an den Kaufmännischen Schulen in Hausach im Einsatz.
Andrea Ziegler absolvierte ein Studium zur Religionspädagogin an der Evangelischen Hochschule in Freiburg und arbeitete dann als Jugendreferentin im Evangelischen Kirchenbezirk Ortenau. Im März 2020 trat sie die Nachfolge von Martin Lampeitl als evangelische Diakonin im Europa-Park an.
Die drei Wirkungsstätten von Kirche im Park sind die Stabkirche im Skandinavischen Themenbereich, die Jakobus-Kapelle im Hotel Santa Isabel und die Böcklinkapelle/Marienkapelle im Themenbereich Holland.