Um mehr Wohneigentum zu ermöglichen, fordert das Institut ein Darlehen des Bundes. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Julian Stratenschulte

Im ersten Halbjahr 2023 wurden in der Ortenau 212 Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser gegeben – 103 weniger als im gleichen Zeitraum 2022. Das Pestel-Institut fordert ein Darlehen des Bundes um mehr Wohneigentum zu ermöglichen.

Vom Einfamilienhaus über das Reihenhaus bis zur Eigentumswohnung – im Ortenaukreis gibt es rund 106 100 Wohnungen, für die keine Miete bezahlt werden muss. Der Grund dafür: Ihre Eigentümer nutzen sie selbst. Die Wohneigentumsquote im Kreis liegt damit bei rund 52,5 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Analyse zum Wohnungsmarkt hervor, die das Pestel-Institut gemacht hat.

Darin geben die Wissenschaftler eine düstere Prognose, wenn es um Wohneigentum in der Ortenau geht: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe es nach Angaben des Pestel-Instituts im gesamten Kreis nur 212 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser gegeben.

Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 seien es noch 315 Baugenehmigungen gewesen. „Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um 33 Prozent zurückgegangen“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Er sieht „das Wohneigentum weiter auf der Rutschbahn“. Um eine Kehrtwende zu erreichen, müsse der Staat dringend ein effektives Wohneigentumsprogramm auf die Beine stellen.

Traum vom eigenen Haus platzt

„Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Ortenaukreis quasi in eine Schockstarre verfallen“, sagt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Wohnungsmarkt-Untersuchung beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. Nur wenige Menschen könnten sich die eigenen vier Wände noch leisten. „Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten, die vor allem auch durch hohe Klimaschutz-Auflagen nach oben getrieben werden: Wohneigentum scheitert am Geld“, so Metzger.

Die Wissenschaftler des Pestel-Instituts sprechen sich für ein „Bundes-Baustartkapital“ aus. „Wer heute neu bauen will, der braucht vor allem günstiges Geld. Notwendig ist deshalb ein Bundes-Baudarlehen mit höchstens 1,5 Prozent Zinsen als Startkredit fürs Wohneigentum. Der Staat sollte den Menschen den festen Niedrigzins für 20 Jahre bieten – und das für einen Kredit in Höhe von bis zu 4 000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche“, fordert Wohnungsmarktforscher Matthias Günther. Dadurch ließe sich der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen auch im Ortenaukreis wieder fördern.

Um mehr Wohneigentum möglich zu machen, sei ein mehrere Milliarden Euro schweres Darlehenspaket des Bundes notwendig.

Institut will 100 000 neue Eigenheime pro Jahr

Die bestehende, neu eingeführte Wohneigentumsförderung des Bundes erklärt das Institut für gescheitert: Mit 350 Millionen Euro ließe sich bestenfalls der Neubau von 2 000 Eigenheimen anschieben. Das Ziel des Bundes sollte es aber sein, 100 000 neu gebaute Eigenheime pro Jahr zu schaffen und damit an frühere Kapazitäten bei der Bildung von Wohneigentum anzuknüpfen. „Außerdem geht die aktuelle Wohneigentumsförderung der Ampel völlig an der Lebensrealität vorbei: Wer sie in Anspruch nimmt, braucht ein niedriges Einkommen. Er muss aber gleichzeitig genug Geld auf der hohen Kante haben, um sich bei hohen Grundstückspreisen und hohen Baukosten einen Neubau leisten zu können“, so Institutsleiter Günther.

Kritik gibt es auch von Metzger: „Ins Geld geht vor allem der Energiespar-Zwang. Hier muss der Bund einen Gang zurückzuschalten.“ Wer für sein Wohneigentum die Förderung nutzen wolle, müsse nach dem „extrem ehrgeizigen Effizienz-Standard 40“ bauen. „Das ist aber auch extrem teuer. Also macht es kaum einer. Der Staat muss endlich davon wegkommen, nur ‚Super-Klimaschutzhäuser‘ zu fördern. Die hohen Standards machen das Bauen richtig teuer“, so Metzger. Und das bei einer Kosten-Nutzen-Relation, die schon rechnerisch nicht passe. „Das Geld, das zusätzlich beim Neubau in den Klimaschutz gesteckt werden muss, holt auf Jahre keiner beim Energiesparen mehr heraus“, so Metzger.

Über das Pestel-Institut

Das Pestel-Institut ist ein Forschungsinstitut und Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände. Seit 40 Jahren unterstützt das Institut anhand von Recherchen, Analysen, Befragungen und Modellrechnungen in Bereichen wie Klimaschutz, Wohnungsmarkt, Regionalwirtschaft oder Nachhaltigkeit.