Fachkräfte werden in der Metallverarbeitung und in vielen anderen Branchen händeringend gesucht. Die Handwerkskammer Freiburg und die IHK Südlicher Oberrhein planen deshalb ein "Welcome-Center" für Arbeitsmigranten. Foto: Skolimowska (Symbolbild)

Der Fachkräftemangel gehört neben der Energiekrise zu den größten Sorgen der Firmen in der Region. Eine Lösung für das Problem könnten Fachkräfte aus dem Ausland sein. Die Handwerkskammer und die IHK bringen dazu ein Projekt an den Start.

Freiburg/Ortenau - "Wir haben ein ernsthaftes, demografisches Problem", erklärt Handirk von Ungern-Sternberg von der Geschäftsführung der Handwerkskammer Freiburg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Der Fachkräftemangel betreffe alle Branchen, überall sei die Situation schwierig. "Das Halten und Ausbilden von Fachkräften wird immer schwieriger", skizziert von Ungern-Sternberg die Lage und stellt klar: "Zuwanderung ist kein Allheilmittel. Sie ist aber ein wesentliches Mittel der Fachkräftesicherung."

Damit dieses Mittel wirklich greift, seien jedoch noch einige Schritte zu gehen. "Zuwanderung ist ein zähes Geschäft, es ist sehr bürokratisch. Ein Umdenken muss erfolgen", schilderte von Ungern-Sternberg. Das betreffe nicht nur die Gesetzeslage, sondern auch die Willkommenskultur auf Seiten der Betriebe.

Alwin Wagner, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, stellte Zahlen zu ausländischen Fachkräften vor, die die IHK in einer Studie erhoben hat. Demnach waren in den vergangenen Jahren mehr Fachkräfte gefragt als zur Verfügung standen. Die Ausnahmen waren die Jahre 2010 im Anschluss an die Wirtschaftskrise und 2020 (Corona). Wagners Prognose: Geschieht nichts, wird diese Schere in den kommenden Jahren immer weiter auseinander gehen.

Anteil der ausländischen Azubis hat sich vervierfacht

Im Ortenaukreis hat, so die Studie, etwa jede fünfte sozialversicherungspflichtige Fachkraft keinen deutschen Pass. Bei den geringfügig Beschäftigten liegt der Anteil bei knapp 15 Prozent, bei den Auszubildenden bei 14 Prozent. Mit Blick auf die vergangenen 15 Jahre hat sich der Anteil der Beschäftigten am südlichen Oberrhein ohne deutschen Pass mehr als verdoppelt. Wagner präsentierte einen Anstieg um 169 Prozent. Noch höher ist der Anstieg bei den Auszubildenden. Im Vergleich zu 2006 hatten mehr als vier Mal so viele Azubis keinen deutschen Pass. Insgesamt liege man mit den Zahlen über dem Landesschnitt. "Wir können sagen, dass wir eine Zuwanderungsregion sind", so Wagner.

Für Ann Kareen Ilse, Abteilungsleiterin Fachkräftesicherung der Handwerkskammer Freiburg, ist nach Ansicht dieser Zahlen klar: "Wir sind auf ausländische Azubis angewiesen". Sorge bereite ihr, dass die Zahlen vor dem Ukraine-Krieg wieder leicht rückläufig waren. "Wir müssen weiter attraktiv sein", sagte sie. "Beide Kammern und die gesamte Gesellschaft müssen viel dafür tun, Azubis zu gewinnen."

Jedes vierte Unternehmen rekrutiert bereits im Ausland

Jedes vierte Unternehmen in der Region rekrutiert dabei bereits Fachkräfte aus dem Ausland. Dieses Ergebnis einer Unternehmensbefragung stellte Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein, vor. "Das geht quer durch alle Branchen. 40 Prozent in der Gastronomie machen es bereits", so Kaiser. Ein weiteres Viertel aller Unternehmen würde gerne im Ausland rekrutieren, benötigt dabei jedoch Unterstützung. Unter anderem dafür sei das gemeinsame Projekt der Handwerkskammer und der IHK, das "Welcome-Center", gedacht.

Diese Einrichtung, die es in der Vergangenheit bereits gab, bis Fördermodalitäten die Weiterführung nicht mehr möglich machen, soll als Anlaufstelle sowohl für Fachkräfte als auch für Unternehmen dienen. Das große Ziel sei regionale Vernetzung, erläuterte Kaiser. Entsprechend arbeiten Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Hochschulen und Arbeitsagenturen zusammen. In diesem Center will man Informationen bereitstellen, Prozesse beschleunigen und regionale Anwerbeprojekte unterstützen. "Wir wollen das Thema Willkommenskultur mit Leben füllen", sagt Kaiser. Es gehe auch um "weiche Faktoren", also das soziale Ankommen im neuen Land.

Info – Herkunftsländer

Laut der Studie der IHK Südlicher Oberrhein stammen Ausländische Fachkräfte in der Region aus insgesamt 176 Ländern. Dabei stechen vier Nationen mit jeweils mehr als 5000 Beschäftigten heraus: Frankreich, Italien, Rumänien und die Türkei. Bei den Auszubildenden verschiebt sich der Fokus etwas. Syrien und der Kosovo ersetzen Frankreich und Rumänien. Auch Afghanistan und der Irak sind als Herkunftsländer häufiger vertreten. Die Studie bezieht sich auf Zahlen von Ende 2021 – also vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs.