51 000 Ortenauer Arbeitnehmer sind nicht in Vollzeit tätig – das ist ein Drittel aller Erwerbstätigen. In der Teilzeitarbeit liegt ein großes Potenzial, ist Theresia Denzer-Urschel, Chefin der Arbeitsagentur Offenburg, überzeugt. Sie wünscht sich von Unternehmen mehr Flexibilität.
Eine teilzeitbeschäftigte Frau – die meisten Betroffenen sind immer noch weiblich – arbeitet in Deutschland laut Zahlen der Arbeitsagentur durchschnittlich rund 22 Stunden pro Woche. Damit landet die Bundesrepublik auf Platz 15 im EU-Vergleich.
An der Spitze steht Schweden mit 26 wöchentlichen Arbeitsstunden. In der Erhöhung der Teilzeit-Arbeitsstunden sieht Theresia Denzer-Urschel, Chefin der Arbeitsagentur Offenburg, ein Riesen-Potenzial.
„Teilzeit ist keine Einschränkung, sondern eine Chance, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und halten“, betonte die Arbeitsmarkt-Expertin bei einem Pressetermin am Mittwochmorgen in Offenburg.
140 000 Ortenauer arbeiten in einem 40-Stunden-Job
Eingeladen hatte Denzer-Urschel, um auf dieses Potenzial und die vielen Möglichkeiten sowie das Beratungsangebot der Agentur hinzuweisen. Mit dabei waren Elke Leihbrand, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Dominik Vatter, Geschäftsführer Vatter-Bildungszentrums, und Tatiana Schwan, Steuerfachangestellte bei der Lahrer Kanzlei Himmelsbach und Streif – und Absolventin einer Teilzeit-Umschulung.
Viele Teilzeit-Beschäftigte würden eigentlich gerne mehr Stunden arbeiten, ist Denzer-Urschel überzeugt, sie fänden aber keine passende Stelle oder zierten sich noch. „Es ist ein unglaublicher Hebel, das Arbeitsvolumen zu steigern.“ Allein in der Ortenau sind laut Arbeitsagentur rund 51 000 Menschen in Teilzeit tätig.
Das entspricht einem Drittel der Erwerbstätigen im Kreis, in einem klassischen 40-Stunden-Job arbeiten derweil 140 000 Ortenauer. Bundesweit betrage die Teilzeitquote gar mehr als 40 Prozent, so die Agenturchefin. In ganz Baden-Württemberg liege in der Erhöhung des sogenannten Arbeitszeitvolumens ein „Fachkräftepotenzial“ von 112 000 Beschäftigten.
Dabei sei das Phänomen Teilzeit-Arbeit kein rein weibliches mehr: „Es sind schon viele Frauen – aber der Trend, dass auch Männer dazu neigen, in reduzierter Arbeitszeit tätig zu sein, ist sehr stark.“ Die Gründe seien vielfältig, nicht immer gehe es um familiäre Verpflichtungen. Firmen kämen um das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach reduzierter Arbeitszeit nicht mehr herum, wenn sie Fachkräfte gewinnen – aber auch halten – wollten. „Die Teilzeit-Potenziale zu sehen, ist alternativlos“, konstatierte Denzer-Urschel.
Das hätten viele Unternehmen durchaus erkannt und würden vermehrt alternative Modelle – etwa Teilzeit-Ausbildungen – anbieten. Auch Branchen, die anders als etwa das Hotel- und Gastgewerbe bisher wenig auf Teilzeit setzten, würden sich zudem verstärkt daran herantrauen. „Es gibt einige Firmen, die darüber nachdenken, trotz Schichtbetrieb auch Teilzeitarbeit anzubieten“, weiß die Agenturchefin.
Auch Umschulungen in Teilzeit sind möglich
Auch Teilzeit-Umschulungen sind möglich. „Umschulungen generell sind eine verkürzte Ausbildungszeit“, erläuterte Dominik Vatter, Geschäftsführer des Vatter-Bildungszentrums, mit dem die Agentur für Arbeit kooperiert. „Wir haben Modelle entwickelt, die speziell für unsere Teilzeitinteressenten möglich sind.“ So etwa die Umschulung zur Steuerfachangestellten: Diese findet 18 Monate schulisch und 18 Monate in einer Kanzlei statt.
„Damals hätte ich nie gedacht, dass ich’s überhaupt schaffen würde“, berichtete Tatiana Schwan vom Anfang ihrer Umschulungszeit. Ihr IT-Studium im Ausland lag lange zurück, als Mutter eines Kindes konnte sie nicht Vollzeit arbeiten. Die Teilzeit-Umschulung sei eine gute Option für sie gewesen. Durch die professionelle Unterstützung – und ihren eigenen Willens – habe sie den Abschluss geschafft. „Habt keine Angst, glaubt an euch selbst!“, riet sie Interessierten.
Großes Info-Angebot
Die Agentur für Arbeit Offenburg beteiligt sich an den „Aktionswochen zur Fachkräftesicherung“. Dabei stehen Chancen, Vorteile und Möglichkeiten von Teilzeitarbeit im Fokus. Am 20. September, von 9 bis 13 Uhr bietet die Agentur in Offenburg eine große Info-Veranstaltung an. Zehn Arbeitgeber aus der Ortenau, die Teilzeitarbeit oder -ausbildung anbieten, präsentieren sich, berichtet Elke Leihbrand. Zudem gibt es Infos und Beratung zu Fördermöglichkeiten oder dem beruflichen Wiedereinstieg. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.