Aufgrund steigender Flüchtlingszahlen wappnet sich das Ortenauer Landratsamt für Herausforderungen. Foto: Kästle (Symbolbild)

Die Flüchtlingslage im Ortenaukreis wird prekärer: "Die Zahlen explodieren", sagt Dezernent Michael Loritz. Um Tausende von Flüchtlingen unterzubringen, erhöht der Kreis den Personalaufwand. Landrat Scherer kritisiert indes Land und Bund.

Ortenau - "Wir schaffen das" – mit diesen Worten, angelehnt an die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, will Landrat Frank Scherer die Flüchtlingskrise angehen. Dennoch zeichnen sich auf der Stirn des Landrats einige Sorgenfalten ab. Welche Herausforderungen auf die Ortenau zukommen, schilderte Dezernent Michael Loritz im Verwaltungsausschuss.

Zahlen steigen stetig

Seit Ausbruch des Kriegs haben in der Ortenau in kreiseigenen und privaten Unterkünften schätzungsweise 5000 Ukrainer Zuflucht gefunden, berichtet Loritz.

Nach dem Aufteilungsschlüssel des Bundes sollten es jedoch 5200 sein. Die Verwaltung rechnet daher mit weiteren Zugängen im Ortenaukreis. "Wenn wir die unterbringen, sind wir am Limit", so Loritz.

Unterkünfte müssen ausgebaut werden

Der Plan des Landratsamts: weitere Unterkünfte zur Verfügung stellen. "Das liegt aber nicht an den Ukrainern", stellt Loritz klar. Denn auch "sonstige Asylbewerberzahlen explodieren".

Zu einem bestimmten Zeitpunkt haben laut Loritz zehn Ukrainer einen Antrag gestellt und 180 Flüchtlinge aus sonstigen Ländern. Die Konsequenz: Die kreiseigenen Sporthallen in Lahr (Ortenauhalle, 180 Plätze), Kehl (200 Plätze) und Gengenbach (Mattenhof, 60 Plätze) wurden ertüchtigt.

Personal wird aufgestockt

Für Loritz ist klar: "Wir können nicht einfach Container irgendwo hinstellen. Entscheidend ist, dass die Menschen betreut werden." Das schließe Hausmeister ebenso mit ein wie Verwaltungs- und Betreuungspersonal.

Aus der Beschlussvorlage geht hervor, wie der Ortenaukreis reagieren will: Insgesamt 56 neue Stellen in den Bereichen Sozialarbeit, Heimleitungen, Verwaltungsmitarbeiter und Hausmeister sind vorgesehen.

Eine Millionen Euro mehr investiert

Der erhöhte Aufwand macht sich im Haushalt des Ortenaukreises bemerkbar. Für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge, das Personal, die kommunale Arbeitsförderung, erhöhten Aufwand in Schulen und andere Bereiche hatte der Ortenaukreis bislang sieben Millionen Euro im Haushalt vorgesehen.

Im laufenden Haushaltsjahr, so geht aus der Vorlage hervor, erhöht sich dieses Ergebnis noch einmal um eine Millionen Euro.

Höhere Behörden lassen den Kreis im Stich

"Wir haben ein großes Problem damit, dass wir stark im Unreinen gelassen werden, wie viele und wer zu uns kommt", übt Loritz Kritik an Land und Bund. Teilweise würden in einem Bus nur die Hälfte der angekündigten Flüchtlinge in der Ortenau ankommen.

Auch bekomme man keine Informationen, wenn es sich bei Flüchtlingen um eine Großfamilie handelt. Die Unterstützung der Kommunen sei eine große Hilfe für den Ortenaukreis, appellierte Loritz an die anwesenden Bürgermeister.

Landrat äußert scharfe Kritik

"2015 hatten wir zu diesem Zeitpunkt weniger Flüchtlinge aufgenommen als heute", erinnerte sich Landrat Scherer an die Lage vor sieben Jahren, "ich hatte gehofft, wir hatten aus der Flüchtlingssituation gelernt. Wir haben aber zu wenig gelernt und fast wieder bei Null angefangen".

Eine "zu komplizierte Registrierung" der Flüchtlinge und fehlende Kommunikation über die Verwaltungsebenen machten ihn "fassungslos". "Wir kriegen am Freitag Bescheid, wie viele Flüchtlinge wir am Wochenende aufnehmen müssen", gab der Landrat ein Beispiel, wiederholte jedoch seinen kämpferisches Motto: "Es ist nicht einfach, aber wir schaffen das".

Fraktionen unterstützen

In der Fraktionsrunde zeigten sich alle Sprecher der schwierigen Lage bewusst und bestätigten die Überlastung der Kommunen. "Wir werden die staatliche Unterstützung brauchen", sagte etwa Kai Achim-Klare (SPD).

Klaus Muttach (CDU) hofft, auf die Belegung der Sporthallen zu verzichten. Sportliche Aktivitäten seien schließlich während der Corona-Pandemie bereits sehr eingeschränkt worden. "Es ist auch die eine oder andere Chance, jemanden gewinnen zu können", sah es Alfred Baum (Grüne) positiver, brauche man doch dringend Fachkräfte.