Bisher ist die Straße von Waisenhaus und Schule ein Schotterweg mit Fußgängern. So sieht es dagegen auf der Baustelle für die neue Nationalstraße aus. Foto: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Wegen des Baus einer Nationalstraße in Beaumont muss für Schule und Waisenhaus ein neuer Standort her

Von Markus Adler Wolfach. Keine guten Nachrichten aus Haiti für den Verein "Pwojé men Kontre": Weil eine Nationalstraße am bisherigen Standort von Schule und Waisenhaus gebaut werden soll, muss ein Neubau ins Auge gefasst werden. Dies berichtet die Vorsitzende Anke Brügmann in einem Rundbrief an die Mitglieder.Die Nachricht kam einigermaßen überraschend, da es ursprünglich geheißen hatte, die Umgehungsstraße betreffe den Verein nicht. "Anfang Mai kam aber von der Straßenbaufirma das endgültige Aus für die Umgehung. Wir haben viel gekämpft, aber es ist zwecklos, wir können gegen mächtige Unternehmen nichts ausrichten", schreibt Brügmann an die Mitglieder.

Warum das vor allem für die Anwohner und Kinder ein Problem ist, erläutert die Vorsitzende so: "Eine Nationalstraße entspricht etwa den Verkehrsregeln einer deutschen Autobahn mit Absicherung und Infrastruktur eines deutschen Feldwegs." Zu den Herausforderungen zählen neben dem Lärm die Erschütterungen durch den Verkehr, der entstehende Staub und Dreck sowie die Tatsache, dass Müll entlang solcher Straßen einfach achtlos entsorgt wird. Bereits jetzt gebe es eine Zunahme von Asthmafällen unter den Kindern.

Doch vor allem stelle eine Nationalstraße eine große Gefahr für die Kinder dar, weil die Fahrzeuge dort sehr rücksichtslos unterwegs seien, berichtet Anke Brügmann. Insbesondere für die geistig Behinderten unter den Kindern sei die Verantwortung nicht mehr zu übernehmen. Gleichzeitig befürchtet "Pwojè men kontre", dass auch Kriminalität, Alkohol und Drogen in dem bisher stillen und abgeschirmten Bereich von Beaumont ein Thema werden könnten. Das Ziel, einen geschützten Platz abseits der Stadt für Kinder zu schaffen, wäre direkt an einer Nationalstraße absurd. "Trotz aller Opfer der vergangenen Jahre bleibt uns nichts anderes übrig als unseren Standort für Waisenhaus und Schule aufzugeben, so sehr es uns auch schmerzt, unser Zuhause seit zehn Jahren mit aller Arbeit und Investitionen, die darin stecken, zu verlassen", bilanziert Anke Brügmann die bittere Schlussfolgerung für den Verein.

Suche nach neuem Standort nicht einfach

Die Suche nach einem neuen Standort sei auch nicht einfach: "Wir können nicht aus Beaumont wegziehen, weil alle unsere Hauptverantwortlichen, die ja für unsere Kinder die Eltern ersetzen, nicht mitkommen würden", beschreibt die Vorsitzende. Der Verein prüfe im Moment, ob es auf einer Gemarkung namens "Fon Trakil" (zu Deutsch "Stiller Grund") ausreichend Land inklusive einer eigenen Wasserversorgung durch eine Quelle gibt. Außerdem würde der Verein die Gelegenheit nutzen, die Wohngruppen in kleinere und familiärere Einheiten aufzusplitten. Aus den Rücklagen werde der Verein nun Geld entnehmen, um mit den Planungen zu beginnen. Allerdings werde dies eine riesige Investition, die ohne zusätzliche Unterstützung nicht zu leisten sein werde. Für die Schule gibt es noch keine Lösung, doch seien die Beteiligten noch auf der Suche nach einem neuen Platz.

Der bisherige Standort soll für die Zwecke umfunktioniert werden, was in den nächsten Jahren ansonsten an anderer Stelle hätte gebaut werden müssen: Produktions- und Werkstätten, Lager und Wohnraum für die jungen Erwachsenen, Sekundarschüler und Lehrlinge. Durch das Landwirtschaftsprogramm würden nun wesentlich mehr Lebensmittel produziert, so dass nun Raum für die Weiterverarbeitung geschaffen werden müsse. Bisher gibt es eine vage Ideensammlung, was mit den aktuellen Räumlichkeiten geschehen soll. Allerdings seien diese Vorstellungen nur realisierbar, wenn die Bauarbeiten an der Straße bereits weiter fortgeschritten sein werden.

Intensive Suche nach ehrenamtlichen Helfern

Das wichtigste Signal aus Haiti ist, dass es auf jeden Fall weitergehen wird. "Wir werden versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ein Neuanfang bietet auch die Chance, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu verwirklichen, wo wir bisher immer nur notfallmäßig angebaut haben", schreibt Anke Brügmann. Allerdings brauche der Verein für diese Energieleistung die Unterstützung der Mitglieder, um diesen Umbruch zu schaffen. "Neben der Finanzierung ist vor allem die Arbeitsleistung ein Problem für uns", erläutert Anke Brügmann. "Wir suchen ehrenamtliche, professionelle Mitarbeiter aus dem Baubereich, die uns zum Beispiel bei der Bauaufsicht und bei der Organisation der Bauarbeiten helfen können", schreibt die Vorsitzende des in Wolfach beheimateten Vereins wörtlich. Voraussetzung sind allerdings Französischkenntnisse, betont die Vorsitzende. "Auch die Verwaltungsarbeiten in Haiti nehmen viel zu viel meiner Zeit in Anspruch", schreibt Anke Brügmann, die sich inzwischen wieder vor Ort aufhält. Die Ministerien forderten immer mehr Berichte, außerdem müssten die Abrechnungen mit dem Buchhalter durchgegangen werden. "Auch hier wäre ich froh über jeden Mitarbeiter mit guten Französischkenntnissen, der einmal für ein paar Wochen mit rüber geht", schreibt Anke Brügmann abschließend.