Der Kirchhofbeck zählte einst zu den elf Gassenwirtschaften mit eingeschränktem Schankrecht – hier wurde nur an Sonntagen zugeprostet, aber auch Bankgeschäfte erledigt. Foto: Schrader Foto: Schwarzwälder-Bote

Reihe geschlossene Gasthäuser: der Kirchhofbeck / Von 28 Wirtschaften elf mit eingeschränktem Schankrecht

Von Frank Schrader

Wolfach. Einst viel besucht und fester Bestandteil des Dorf- und Stadtlebens, sind sie heute oft verwaist: traditionsreiche Gasthäuser, deren Betrieb längst Geschichte ist, deren Mauern aber von hochinteressanten Ereignissen berichten. Der Schwarzwälder Bote hat mit Zeitzeugen über deren Geschichte gesprochen – heute im letzten Teil dieser Reihe mit Angelika Kalmbach-Ruf über den Wolfacher Kirchhofbeck.

Nur an Sonntagen floss hier im Kirchhofbeck das Bier und galt das Bank- und Schankrecht. Ganz bewusst, so erläutert Frau Kalmbach-Ruf, habe sie sich bei der Rückkehr in ihre Heimatstadt Wolfach dafür entschieden, ein Haus "mit Geschichte" zu erwerben. Und so passte es gut, dass das Gebäude des Kirchhofbecks direkt am Kirchplatz im Besitz der über 90-jährigen Lydia Peter zum Verkauf stand, deren Mann Hermann Peter einer alteingesessenen Wolfacher Bäckersfamilie entstammte.

1835 war der Kirchhofbeck Florian Peter der erste Bäcker in Wolfach, der sein Gewerbe in einem Haus betrieb, auf dem zuvor keine Bäckergerechtigkeit lag. Ermöglicht wurde ihm dies durch eine gesetzliche Neuregelung im Großherzogtum Baden, die die Bäckergerechtigkeit nicht mehr an bestimmte Häuser band, sondern an die Person des Bäckermeisters.

Florian Peter hatte an Sonntagen auch das Bank- und Schankrecht als "Gassenwirt". Durch die Lage direkt neben der Kirche boten er und seine Nachfahren damit den Gottesdienstbesuchern die Möglichkeit, direkt nach der Messe ihren Frühschoppen zu halten sowie die Erstkommunion zu feiern. Die Bauern der Umgebung, die nur sonntags zum Gottesdienst in die Stadt kamen, konnten hier zugleich ihre Bankgeschäfte erledigen.

Zu dieser Zeit gab es in Wolfach 13 "Realwirtschaften" mit vollem Schankrecht, vier Bier- und Branntweinwirtschaften sowie elf Gassenwirtschaften mit eingeschränktem Schankrecht. Von diesen 28 Wirtschaften befanden sich zehn in der Vorstadt.

Unter den Gastwirten kam es auch immer wieder zu verwandtschaftlichen Beziehungen. So war beispielsweise Hermann Peters Tante Regina mit dem Löwenwirt Vinzenz Springmann verheiratet. Darum lieferte der Kirchhofbeck an der Fasnet bei den Elfemessen, die im benachbarten "Löwen" stattfanden, die Brezeln.

1961 schloss die Bäckerei für immer ihre Pforten, denn Hermann Peter machte eine Ausbildung zum Luftschiff-Piloten und hatte kein Interesse an einer Übernahme des elterlichen Betriebs. Ab und an flog er mit einem Zeppelin-Luftschiff übers Kinzigtal und grüßte von oben seine Heimatstadt. Am Gartenzaun des Kirchhofbecks ist deshalb auch der in Metall geformte Umriss eines Luftschiffs zu sehen.

An der Fassade des Hauses hängt eine Tonstatue der Heiligen Elisabeth von Thüringen, eine der Schutzheiligen der Bäcker, 1967 gestaltet von der 1919 in Baden-Baden geborenen Künstlerin Ruth Hartweg-Karcher. Ursprünglich erworben wurde sie von "Törlebeck" Albert Wöhrle für seine Bäckerei, die jedoch im Rahmen der Vorstadtsanierung abgerissen wurde.

Nach dem Kauf des "Kirchhofbecks" machte Kalmbach-Ruf eine Entdeckung. Als sie die Größe des Grundstücks neu vermessen ließ, schienen die Messwerte zunächst hinten und vorne nicht zu stimmen, bis sie bemerkte, dass ein Teil des Grundstücks in die Zufahrtsstraße zum Kirchplatz hineinreicht. Den Grund dafür erfuhr sie von der Vorbesitzerin. Die Kirchengemeinde hatte vom Kirchhofbeck das Wegerecht für diesen Grundstücksteil erhalten, damit bei Prozessionen die Gläubigen auf dem Weg vom Kirchplatz zur Vorstadtstraße in Viererreihen nebeneinander laufen können.