Können Frauen frei wählen, entscheiden sich die meisten für längerfristige Verhütungsmittel wie beispielsweise die Pille. Foto: dpa-Zentralbild

Arbeitskreis fordert 100.000 Euro für Pille, Spirale und Co. Mit Geld sollen einkommensschwache Frauen unterstützt werden.

Ortenau - Soll der Ortenaukreis Frauen, die Hartz IV bekommen verschreibungspflichtige Verhütungsmittel bezahlen? Ja, sagt der Arbeitskreis "Frauen in Not". Nein, sagt der Sozialausschuss. Bald entscheidet der Kreistag darüber.

"Jede Frau muss, unabhängig von ihrer finanziellen Situation, über ihren Körper und ihre Familienplanung selbstständig entscheiden können", fordert Offenburgs Gleichstellungsbeauftragte Regina Geppert im Namen des Ortenauer Arbeitskreises "Frauen in Not". Daher hat der Arbeitskreis beantragt, für Hartz-IV-Empfängerinnen und Asylbewerberinnen die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel aus dem Geldbeutel des Ortenaukreises zu bezahlen. 100 000 Euro würden dafür im Doppelhaushalt 20015/16 fällig. Im Sozialausschuss ist das Begehr im vergangenen Juni mit zehn zu zwölf Stimmen durchgefallen. Bald soll sich der Kreistag damit beschäftigen und der Arbeitskreis rührt kräftig die Werbetrommel für sein Anliegen. Bis zur Einführung des Hartz-IV-Satzes sind die Gelder für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel wie Verhütungspflaster, Pille oder die Spirale in den Hilfsgeldern für einkommensschwache Frauen enthalten gewesen. Mit der Reform fielen sie aus den Leistungen raus – Abtreibungen werden aber immer noch bezahlt. Seit 2011 bekommen Hartz-IV-Empfängerinnen und Asylbewerberinnen über eine Stiftung die verschreibungspflichtigen Verhütungsmittel bezahlt: 6200 Euro flossen dafür jährlich – mittlerweile wurde die Kreisstadt auf 7500 Euro aufgestockt. "Aber es kann nicht sein, dass die Verhütung davon abhängt, wo die Frau lebt", betont Regina Geppert. "Daher fordern wir, dass alle einkommensschwachen Frauen diese Verhütungsmittel bezahlt bekommen." Die Erfahrung zeige: Wenn die Verhütung vom Regelsatz finanziert werden muss, würden Frauen unzureichend bis gar nicht verhüten.

Viele der Frauen, die in Offenburg die Zuschüsse in Anspruch nehmen, seien bereits Mütter von zwei bis vier Kindern, würden gerne wieder arbeiten gehen, ihren Weg zurück in den Beruf finden. Manche seien auch Alleinerziehend – ein ungeplantes Kind könne, so Geppert, ihre Existenz gefährden. "Zuschüsse für Verhütungsmittel ermöglichen diesen Frauen, sichere und für sie passende Verhütungsmittel anzuwenden. Alle Frauen sollen so verhüten können, wie sie es für ihre Familienplanung als richtig empfinden", fordert der Arbeitskreis.

Verhütung funktioniert doch auch mit Kondomen – müssen es Stäbchen, Pille und Co. sein? Bei freier Wahl und unabhängig von der finanziellen Situation würden Frauen generell längerfristige Verhütungsmethoden wählen, erklärt Geppert. Und ob ein Kondom verwendet werde, hänge auch oft vom Partner ab, so die Gleichstellungsbeauftragte. "Die Frau muss die Verhütungsart für sich selbst wählen können", fordert Geppert. Denn: "Im Endeffekt ist es die Frau, die die Schwangerschaft durchzustehen hat. Und manche Beziehungen gehen auch wegen einer ungewollten Schwangerschaft in die Brüche – dann steht sie alleine da."

Unterstützung in seinem Anliegen, 100.000 Euro im Doppelhaushalt des Ortenaukreises dafür bereitzustellen, bekommt der Arbeitskreis von der SPD: "Wir haben kein Verständnis für die zögerliche Haltung anderer Fraktionen", betont Christoph Jopen, stellvertretende Fraktionsvorsitzender. "Es macht sozialpolitisch und aus humanitären Gründen absolut Sinn diese Förderung zu gewähren, die sich in Offenburg sehr bewährt hat." Der ehemalige Offenburger Finanzchef kündigte an, "eine offene und notfalls kontroverse Debatte im Kreistag" führen zu wollen. "Einen entsprechenden Antrag haben wir vor der Sommerpause gestellt." Auch Lahrs Bürgermeister Guido Schöneboom findet, dass "Frauen in Not" geholfen werden müsse. An den Finanzen dürfe das nicht scheitern.

Anders sieht das die CDU-Fraktion: Frank Edelmann, sozialpolitischer Sprecher, sagte, dass den Christdemokraten die Kosten von 100 000 Euro "zu hoch" gewesen seien. "Mit einem versuchsweisen Programmstart mit einem Volumen von 50 000 Euro hätten wir uns anfreunden können. Diesen Vorschlag wollte die Verwaltung nicht zur Abstimmung stellen", so Edelmann.

Langfristig, so Offenburgs Gleichstellungbeauftragte, müsse sich auf Landes- und Bundespolitik-Ebene etwas ändern – nur so würden alle Frauen gleich behandelt. "Wir werden darum kämpfen dass unser Anliegen durchgesetzt wird. Bis das so weit ist, müssen wir den Frauen aber anderweitig helfen."