Sichtbarer Protest der 400 Delegierten gegen das neue Jagdgesetz beim Landesjägertag: Sie strecken Ministerpräsident Winfried Kretschmann rote Stimmkarten mit dem Wort "Nein" entgegen. Foto: Wittek

Ministerpräsident Kretschmann fordert die Waidmänner bei deren Tagung zum Dialog auf. Diese wehren sich gegen Verbot.

Oppenau - Ob er sich auf den nächsten Termin einstimme, hat Gerlinde Kretschmann ihren Mann gefragt, als der Ministerpräsident am Samstagvormittag dem Jägerchor aus dem "Freischütz" lauschte. Doch so romantisch wie die Waidmänner in Winfried Kretschmanns Lieblingsoper klingen die rund 400 Delegierten am Nachmittag beim Landesjägertag in Oppenau (Ortenaukreis) nicht.

Als der grüne Ministerpräsident gemeinsam mit Jagd- und Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) die Günter-Bimmerle-Halle betritt, wird er mit Buh-Rufen und roten Karten empfangen.

Kompromiss macht bislang keine Seite glücklich

Damit hatte Kretschmann schon gerechnet: "Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen zum Landesjägertag gehe", hatte er im Vorfeld des Termins bekannt. Denn das Thema an diesem Nachmittag ist emotionsgeladen und – wie Kretschmann meint – "zum Hemden-nass-Schwitzen" geeignet. Es geht um den umstrittenen Entwurf für das neue Jagdgesetz, den die Grünkittel am liebsten zum Abschuss freigeben würden: Zu viel Tier- und Naturschutz, zu viel Bürokratie und zu wenig Praxistauglichkeit enthält ihrer Meinung nach das Papier, das die grün-rote Landesregierung nach zweijährigem Beteiligungsverfahren mit den Interessenverbänden als Kompromisslösung auf den Tisch legte.

Allerdings scheint über diesen Kompromiss keiner so richtig glücklich. Denn auch Naturschutzverbände wie der NABU kritisieren ihn umgekehrt als zu jägerfreundlich und nehmen ihn nur zähneknirschend an. "Wir mussten nicht nur Kröten, sondern gleich den ganzen Tümpel schlucken", sagt NABU-Landeschef Andre Baumann, da viele tier- und naturschutzfachlichen Forderungen nicht im Entwurf aufgenommen worden seien. Dennoch fordert Baumann den Landesjagdverband am Wochenende dazu auf, den Kompromiss für ein neues Landesjagdgesetz zu akzeptieren: "Wir reichen Ihnen die Hand, zeigen Sie uns nicht die Faust", appelliert er in einer Pressemitteilung an die Jäger.

Die finden am Samstag allerdings klare Worte: "Der Landesjagdverband Baden-Württemberg lehnt den Gesetzesentwurf ab, es sei denn, dieser erfährt wesentliche und tiefgreifende Änderungen", steht fett gedruckt in einer Resolution der Delegierten, die Landesjägermeister Jörg Friedmann dem Ministerpräsidenten überreicht. Auch seinem Verband, so Friedmann, sei nicht zum fröhlichen Pfeifen zumute, denn der vorliegende Entwurf stelle die Jagd unter das Diktat des Naturschutzes und mache die Jäger zu Erfüllungsgehilfen.

In Salamitaktik seien die Rechte der Jäger Stück für Stück beschnitten worden, hält er Kretschmann vor: "Der Gesetzesentwurf ist ein Blattschuss, mit dem Sie unseren empfindlichsten Nerv getroffen haben", kritisiert der Jägerchef. Als Beispiel für Bevormundung und Gängelung nennt er das im Gesetz vorgesehene Verbot von Totfangfallen, das zeitlich begrenzte Fütterungsverbot und vor allem die geplante zweimonatige Jagdruhe im Frühjahr.

Auch das unkontrollierte Abschießen streunender Hunde und Katzen soll das neue Gesetz verbieten. Von 2017 an soll nur noch bleifreie Munition verwendet werden.

Wenn dies tatsächlich komme, warnt Friedmann, werden die Schäden unkontrollierbar, weil sich die Wildschweine explosionsartig vermehren. "Das tun sie doch jetzt schon, obwohl das Gesetz noch gar nicht da ist", kontert der Ministerpräsident und ruft zur Mäßigung auf. "Lassen sie uns Maß und Mitte behalten und Kompromisse finden", spielt Kretschmann auf den Dissens zwischen den Forderungen von Jägern und Naturschützern an.

"Wir dürfen keine Kulturkampfmentalität entwickeln, die die Gesellschaft spaltet", appelliert er an die Delegierten. Sich gegenseitig unter Ideologieverdacht zu stellen, sei der Sache nicht dienlich. Das Jagdgesetz, so Kretschmann, sei zuletzt vor 20 Jahren geändert worden, seither habe sich in der Gesellschaft vieles verändert. Dinge, die früher selbstverständlich waren, würden heute hinterfragt. "Das gilt auch für die Jagd, die selbst im ländlichen Raum nicht mehr unumstritten ist", mahnt der Ministerpräsident. Deshalb brauche Baden-Württemberg ein modernes, den gesellschaftlichen Veränderungen angepasstes Jagdgesetz.

"Wir wollen damit erreichen, dass die Jagd wieder mehr Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Wenn wir die Dinge einfach laufen lassen, schwächen wir die Jäger", so Kretschmann. Für manches hat der Ministerpräsident aber kein Verständnis, beispielsweise für den Protest gegen das zeitlich eingeschränkte Fütterungsverbot im Gesetzesentwurf: "Wir wollen die Jagd nicht zur Wildtierhaltung machen und wir wollen keine Verhausschweinung des Wilds", hält er den Kritikern vor, denen er erneut das Gespräch anbietet: "Geben Sie Ihre ablehnende Haltung auf und bringen Sie sachliche Argumente. Die Anhörung läuft, und wir sollten auf einem guten und konstruktiven Weg bleiben", mahnt Kretschmann. Schließlich sei man dem Gemeinwohl verpflichtet.

Minister Bonde appelliert an die Gemeinsamkeiten

"Wir wollen Sie nicht bevormunden und Ihnen nicht die Leidenschaft nehmen, sondern ein sachgerechtes Gesetz auf den Weg bringen", versichert auch Jagdminister Alexander Bonde. Bei einigen Punkten sei man sich näher, als es die Tonlage derzeit scheinen lässt, vermutet er und appelliert daher an die Jäger: "Lassen Sie uns das nicht mit Munition austragen, sondern mit Weitblick."

Das Gesprächsangebot will der Landesverband zwar annehmen, in der Sache aber hart bleiben: "Wir reichen ihnen eine Hand, aber wir lassen die Faust geballt in der Tasche", kündigt Jägerchef Friedmann an und versichert dem Ministerpräsidenten: "Wir wollen lieber gar keine Gesetzesnovelle als die vorgeschlagene ohne Änderungen."