Die Integrierten Leitstelle Ortenau koordiniert im Ortenaukreis die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst: Mehr als 160.000 Notrufe nehmen die Mitarbeiter jedes Jahr entgegen. Foto: ILS

Verantwortliche geben Einblick in die Arbeit bei der Leitstelle Ortenau. Kooperation mit Frankreich.

Offenburg - Über 160 000 Notrufe und Hilfeersuchen gehen bei der Integrierten Leitstelle Ortenau (ILS) jedes Jahr ein. Die ILS ist für die gesamte sogenannte "nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr" im Ortenaukreis zuständig: für alle Notfallrettungen vom Herzinfarkt bis zum Autounfall und für alle Einsätze der Feuerwehr. Betrieben wird sie von der DRK Rettungsdienst Ortenau (DRK) und dem Landratsamt Ortenaukreis. Im Interview erläutern Leitstellen-Leiter Georg Santl vom DRK und sein Stellvertreter Torsten Wiucha vom Landratsamt die Aufgaben und Abläufe der ILS.

Herr Wiucha, viele Menschen können sich unter dem Begriff der Integrierten Leitstelle Ortenau nicht viel vorstellen, können Sie Licht ins Dunkel bringen?

Wiucha: Bei uns laufen alle Notrufe über die "Europaweite Notrufnummer 112" aus dem Ortenaukreis zusammen, egal ob es sich um einen schweren Verkehrsunfall mit Verletzten, einen medizinischen Notfall oder ein Feuer in einem Wohnhaus handelt.

Können Sie etwas zur Geschichte und Entstehung der ILS sagen?

Santl: Bevor 1998 die Integrierte Leistelle Ortenau ihren Betrieb aufgenommen hat, gab es eine Rettungsleitstelle des DRK in Offenburg, die alle Rettungsdiensteinsätze abgearbeitet hat. Daneben gab es vier Feuerwehrleitstellen in Offenburg, Lahr, Kehl und Achern. Mit dem Neubau der Feuerwache wurden auch die fünf Leitstellen zusammen geführt. Als erste Integrierte Leitstelle in Baden-Württemberg im Jahr 1998 gestartet, hat sich das Projekt inzwischen über das ganze Land ausgeweitet. Integriert bedeutet, dass sowohl Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätze, die über den "Europaweiten Notruf 112" eingehen, von den Disponenten bearbeitet werden.

Was für eine Qualifikation benötigt das Personal, um in einer ILS arbeiten zu können?

Wiucha: Hier bei uns wird das Personal von beiden Betreibern gestellt. Die Disponenten haben alle die Ausbildung zum Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter mit mehrjähriger Berufserfahrung. Weiterhin sind sie nahezu alle zum Zugführer einer freiwilligen Feuerwehr an der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal ausgebildet. So können alle Hilfeersuchen von ein und demselben Disponenten bearbeitet werden, egal ob daraus ein medizinischer Notfall oder ein Feuerwehreinsatz resultiert. Santl: In der Praxis ist es bei uns dann auch so, dass es manchmal Schicht mit ausschließlich Mitarbeitern des Rettungsdienstes oder des Landratsamtes gibt, genau so gut kann das Team auch "bunt gemischt" sein.

Wie viele Mitarbeiter sind bei Ihnen tätig?

Santl: Wir sind rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr immer mindestens mit zwei Disponenten im Schichtdienst da. Von Montag bis Freitag in der Zeit von 10 bis 16 Uhr, sind es bis zu fünf Disponenten die Notrufe über die 112 annehmen und die 51 Gemeindefeuerwehren im Landkreis oder bis zu 15 Rettungswagen und 8 Notarzteinsatzfahrzeuge alarmieren. Dazu kommen noch 20 Krankentransportwagen, die planbare Transporte von nicht gehfähigen Patienten übernehmen. Um all diese Schichten abdecken zu können, haben wir 32 ausgebildete Mitarbeiter, weitere befinden sich in der Ausbildung.

Wie sieht die Arbeit der Disponenten bei einem Einsatz konkret aus?

Wiucha: Die Disponenten arbeiten mit einem EDV-Einsatzleitsystem, in das alle relevanten und bei den Anrufern abgefragten Daten eingegeben werden. Das System errechnet dann, welcher Rettungswagen, Notarzt oder auch Rettungshubschrauber am schnellsten am Einsatzort ist. Bei den Feuerwehreinsätzen ist für die Auswahl der zu alarmierenden Feuerwehr die Gemarkung des Notfallortes das Kriterium. Anschließend entscheidet der Disponent anhand dieser Parameter, welches Rettungsmittel für den Notfall das geeignetste ist. Die eigentliche Alarmierung erfolgt dann auf einem landratsamteigenen digitalen Alarmierungssystem, welches den Alarmtext auf die Funkmeldeempfänger der Fahrzeugbesatzungen überträgt. Genauso werden auch alle Einheiten der anderen im Ortenaukreis tätigen Hilfsorganisationen alarmiert.

Die Ortenau grenzt an Frankreich, wie ist die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn?

Santl: Sehr gut. Als sogenannter "Meldekopf für Grenzüberschreitende Ereignisse" ist die ILS auch fest in die Gefahrenabwehr in Frankreich eingebunden. Wird beispielsweise das deutsch-französische Feuerlöschboot "Europa 1" auf französischem Gebiet gebraucht, ruft die Leitstelle der Feuerwehr Straßburg bei der Leitstelle an. Parallel dazu wird ein zweisprachiges Fax ausgefüllt und ebenfalls versendet. So wird sichergestellt, dass trotz der Sprachbarriere keine Daten verloren gehen. Die ILS alarmiert dann die Besatzung des Feuerlöschbootes der Feuerwehr Kehl, die dann zum Liegeplatz des Feuerlöschbootes in Straßburg fahren. Bei Einsätzen mit Personen im Wasser, die beispielsweise von einer Brücke in den Rhein springen, werden immer Einheiten auf beiden Seiten des Rheins alarmiert und arbeiten dann Hand in Hand.

Gibt es weitere Aufgaben, die die ILS erledigt?

Wiucha: Neben dem Bearbeiten des "Europaweiten Notrufs 112" ist auch der Krankentransport eine gesetzliche Aufgabe. Außerhalb der Sprechzeiten der Hausärzte bearbeiten wir auch den "Ärztlichen Bereitschaftsdienst" der Kassenärztlichen Vereinigung. Dafür steht zusätzliches geschultes Personal zur Verfügung, das am Mittwochnachmittag, am Wochenende und an Feiertagen die Anrufe bearbeitet und den Diensthabenden Ärzten weiter vermittelt. Wenn die Mitarbeiter beim Anruf einen Notfall erkennen, können sie diesen direkt an die Kollegen der Leitstelle weitergeben.

Wie haben sich die Einsatzzahlen in den vergangenen fast 20 Jahren entwickelt?

Santl: Sie haben sich nahezu verdoppelt. Dies hat verschiedene Ursachen. Zum einen wurden durch die alten Landkreisgrenzen bedingt bis im Jahr 2011 die medizinischen Notrufe durch die Leitstelle Mittelbaden in Rastatt abgearbeitet. Zum anderen steigen seit Jahren die telefonischen Hilfeersuchen an. Der demographische Wandel, das Älterwerden unserer Gesellschaft, aber auch die zunehmende "Hilflosigkeit" der Bevölkerung spiegelt dies wider. Die Hilfe zur Selbsthilfe hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Hieraus resultieren im Ergebnis dann auch immer mehr Einsätze für Rettungsdienst und Feuerwehr.