Gericht: Prozess wegen Messerattacke auf ehemaligen Lehrer / Gutachter: Wiederholung "sehr wahrscheinlich"

Von Endrik Baublies

Warum hat die Angeklagte ein Messer gezückt? Das Offenburger Landgericht hat am zweiten Verhandlungstag versucht, diese Frage zu klären. Die 22-jährige Frau wird beschuldigt, einen ehemaligen Lehrer angegriffen zu haben.

Offenburg. Zwei Polizeibeamte bestätigten die Aussagen von Lehrern und Schülern. Demnach hat die Beschuldigte im November 2015 den Leiter der Theater-AG mit einem Messer angegriffen und dabei leicht verletzt (wir berichteten).

Was für eine Persönlichkeit die junge Frau hat, wurde durch die Aussagen der Mutter besonders gut dargestellt. Die 60-jährige geschiedene Französin beschrieb die Tochter als auffällig. Sie habe bereits als kleines Kind zu Wutanfällen geneigt und sei immer eher alleine gewesen. Ein aufkommender Streit im Gericht beendete die Mutter folgendermaßen: "Du hattest immer Schwierigkeiten, dich unter Kontrolle zu halten."

Die Angeklagte sprach mit der Mutter Französisch und wechselte gegenüber dem Gericht in einwandfreies Hochdeutsch. Sie selbst beschrieb sich sowohl auf einem Gymnasium in Kehl und – nach dem dortigen Rauswurf – in Offenburg als Außenseiterin.

"Wo gibt es eine objektive Wahrheit?" Der Vorsitzende Richter Heinz Walter stellte die Erinnerung der Beschuldigten, wie die der Zeugen als "subjektive Wahrheit" dar. Die Rolle des Gerichts sei diese: "Wir versuchen zu klären, warum Sie an dem 16. November 2015 zum Messer gegriffen haben."

Dazu hatte das Gericht Vorfälle an der Kehler Schule im Jahr 2011 ebenfalls beleuchtet. Auch damals habe sich die Schülerin zu eng an einen Lehrer angelehnt. Nach den Angaben der Angeklagten hätten die anwesenden Zeugen die Vorfälle in Kehl allerdings falsch wiedergegeben.

Walter stellte mehrfach fest, dass es für das Gericht entscheidend sein würde, wie die Beschuldigte zu ihrer Tat in Offenburg stehe. Die Messerattacke steht nach allen Aussagen außer Zweifel. Allerdings machte die junge Frau verschiedene Angabe, die erheblich voneinander abweichen. Hat sie den Lehrer tatsächlich angreifen wollen oder wollte sie eher sich mit dem Messer verletzten?

Der Sachverständige, der die Diagnose aufgrund der ersten Therapie in der psychiatrischen Landesklinik in Emmendingen stellte, erklärte die vier verschiedenen Aussagen der Angeklagten so: Sie habe bei der polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Angriff in der Offenburger Schule Angst gehabt. Bei der Vernehmung gegenüber der Polizei einen Tag später habe er Wut erkannt. Die Protokolle in der Unterbringung seien von Enttäuschung und Frust geprägt.

Der Sachverständige hält die Angeklagte aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung für schuldunfähig. Allerdings befürwortete er klar eine Unterbringung in eine psychiatrische Anstalt. Durch insgesamt vier aktenkundige Vorfälle der heute 22-Jährigen sei eine Wiederholung "sehr wahrscheinlich". Die Verhandlung vor dem Offenburger Landgericht wird am 31. Mai fortgesetzt.