Die neue Moschee entsteht in der VogesenstraßeFoto: Künstle Foto: Lahrer Zeitung

Stadtrat Lukas Oßwald (Linke Liste) fordert Distanzierung. OB Müller gegen "Generalverdacht".

Lahr - Wie unabhängig ist die Türkisch-Islamische Gemeinde in Lahr, die in der Vogesenstraße eine neue Moschee baut? Diese Frage wirft Stadtrat Lukas Oßwald (Linke Liste) auf. Er fordert eine "Moschee für alle Muslime".

Hintergrund ist der Erbbauvertrag über das Grundstück in der Vogesenstraße in der Nähe des Landesgartenschau-Geländes, den die Stadt vor rund einem Jahr mit der Türkisch-Islamischen Gemeinde abgeschlossen und auf dem derzeit die Moschee gebaut wird. Wie Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller gegenüber unserer Zeitung bestätigt, war es damals ausdrücklicher Wunsch des Lahrer Gemeinderats, den Vertrag nicht mit dem DITIP-Dachverband (siehe Info), sondern direkt mit der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Lahr abzuschließen, die ebenfalls zu DITIP gehört.

Auch er habe für einen Vertrag mit dem Lahrer Verein plädiert, schreibt Oßwald in einer Presseerklärung: "Ich wollte keinen verlängerten Arm Erdogans". Er zitiert den Vorsitzenden der Lahrer Gemeinde, Hasan Babur, der davon gesprochen habe, dass die neue Moschee "für alle Islam-Gläubigen, ein Projekt der Integration und für alle offen" sein soll.

"Ich habe mittlerweile den Glauben daran verloren", schreibt Oßwald. "Das Sagen" habe heute immer noch die DITIP-Zentrale in Köln. Das gesamte Vermögen der Lahrer Gemeinde falle bei einer Auflösung der DITIP- Zentrale in Köln zu. Die dramatischen Entwicklungen in der Türkei nach dem Putschversuch habe er nicht vorhergesehen. Aus heutiger Sicht würde er einem Vertrag mit der Lahrer Gemeinde nicht mehr zustimmen. Oßwald: "Eine ›Moschee für alle Muslime‹ braucht einen eigenständigen, unabhängigen Moscheeverein als Initiator und Betreiber." Die "dringend notwendige" Distanzierung zum türkischen Regime sei bisher ausgeblieben.

Von der Türkisch-Islamischen Gemeinde war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

"Natürlich wussten wir, dass die Lahrer Gemeinde zum DITIP-Dachverband in Köln gehört", sagte Oberbürgermeister Müller unserer Zeitung. "Für uns hat es aber einen Unterschied gemacht: Es ist ein Vertrag, den Lahrer mit Lah-rern abgeschlossen haben", so der OB. Er empfinde die Türkisch-Islamische Gemeinde als "offenen Verein", und auch der Standort der Moschee sei Ausdruck des Wunschs, "noch offener zu werden", betonte Müller. Die Situation in der Türkei beobachte er mit Sorge, so Müller mit Blick auf die Entwicklung seit dem Putschversuch. Das dürfe nicht nach Deutschland "überschwappen". Grundsätzlich hält es Müller jedoch für falsch, alle DITIP-Gemeinden unter "Generalverdacht" zu stellen. "Ich weiß nicht, ob alle Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde Erdogan-Anhänger sind", so der Oberbürgermeister. Auffallend sei dabei, dass "populistische Parteien versuchen, sich anhand der türkischen Verhältnisse innenpolitisch zu profilieren".

INFO DITIB

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) ist laut Wikipedia ein bundesweiter Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden. Der Verband mit Sitz in Köln-Ehrenfeld ist ein seit dem 5. Juli 1984 beim Amtsgericht Köln eingetragener Verein. Er untersteht nach Angaben der Internet-Enzyklopädie der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, das dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert ist. Die an staatlichen theologischen Hochschulen in der Türkei ausgebildeten Imame der DITIB würden für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und seien de facto Beamte des türkischen Staats, von dem sie auch bezahlt werden.