Maria und Peter Strack sind seit 76 Jahren zusammen und feierten in diesem Jahr ihre Kronjuwelenhochzeit. Foto: Bohnert-Seidel

Maria und Peter Strack feiern mit ihrer Kronjuwelenhochzeit ein ganz seltenes Fest. Seit mehr als 75 Jahren gehen sie einen gemeinsamen Weg. Ineinander verliebt hatten sie sich im Jahr 1947 hinter Stacheldraht in Sibirien.

Mit der Familie haben sie bereits vor einem Monat ihre Kronjuwelenhochzeit am 20. Juli gefeiert. Aber auf einem offiziellen Dokument steht der 20. August als Hochzeitstag. Maria Strack winkt ab und meint: „Auf einen Monat mehr oder weniger kommt es bei 75 oder besser 76 gemeinsamen Lebensjahren wirklich nicht an.“ Selig lächeln die beiden sich an. Wichtig ist ihnen seit 76 Jahren, dass sie zusammen sind. „Alles haben wir gemeinsam durchgemacht“, ergänzt Peter Strack. In diesem „Alles“ liegen Jahre in der Zwangsarbeit in Sibirien, Hunger, der Verlust der Heimat, die Ausreise nach Deutschland und der Tod der ältesten Tochter.

Eine Kronjuwelenhochzeit gibt es nur noch sehr selten zu feiern. Vor allem nicht, wenn beide noch geistig rege sind. Gut, die ein oder anderen Gebrechen gebe es auch bei der 97-Jährigen und dem 96-Jährigen. Vor allem die Beine wollen nicht mehr so flink, erzählen sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein großes Geheimnis ihrer Ehe formuliert Maria Strack: „Immer vorwärts, immer weitergehen. Nie zurückschauen. Was hinter einem liegt, lässt sich nicht mehr ändern.“ Nur was komme, ließe sich über den ein oder anderen Weg beeinflussen.

In Sibirien haben sich die beiden im März 1947 kennengelernt

Dass die beiden zusammengehören, wissen sie seit dem 6. März 1947. In Sibirien hinter dem Stacheldraht der Trudarmee arbeitete das Paar in der Kohlengrube. Während Peter Strack den Pferdewagen für die Kohlen lenkte, sorgte Maria Strack bis in 300 Metern Tiefe für Licht und Sicherheitsflammen, die vor Gasauströmungen warnten. Die Hochzeit folgte Wochen später nach dem ersten Kennenlernen. Die Armut der Wolgadeutschen ließ sich kaum fassen.

Im Winter 1947 erblickte Tochter Anne das Licht der Welt. Die offizielle Einschreibung beim Amt hat noch immer ausgestanden, da das Ehepaar keine Ausweise besaß. Schon einen Monat nach der Geburt der Tochter musste Maria Strack wieder unter Tage. Eine ältere Bekannte kümmerte sich um die Tochter. Erst am 20. Juli 1948 folgte eine offizielle Beurkundung. Eine Hochzeit wurde nie gefeiert. „Es waren nur wir beide am 8. Mai 1947“, erzählt Maria Strack. Etwas später erhielten sie ihren geistlichen Segen – im Untergrund. Dort, wo Deutschstämmige in Russland ihre Gottesdienste in Wohnzimmern oder Kellern feierten.

Erst 1949 spürte das Paar eine politische Lockerung und dem Ausreiseantrag nach Nowosibirsk wurde stattgegeben. Im Jahr 1988 zogen sie nach Wolgograd. Groß war die Sehnsucht nach der ursprünglichen Heimat. „Aber das Leben war nicht mehr vergleichbar“, erzählen sie. Beengt lebte die sechsköpfige Familie in einer kleinen Wohnung. Der Ausreiseantrag nach Deutschland wurde gestellt. Seit 1993 leben die beiden in Friesenheim.

Tochter Anna ist im Jahr 2019 verstorben. Tochter Katharina und Sohn Johannes kümmern sich um die beiden. Tochter Frieda wohnt im Stuttgarter Raum. Glücklich sind sie über ihre Großfamilie mit neun Enkeln und 17 Urenkeln. „Aus allen ist etwas geworden“, sagen die beiden wie aus einem Mund voller Stolz.

Gegenseitig geben sie sich immer wieder Kraft und genießen die Zweisamkeit

Peter Strack erklärt: Nur mit Ehrlichkeit kommt man weiter. „Mit Ehrlichkeit und Gottes Segen“, ergänzt Maria Strack. Die beiden haben schon früh Ökumene gelebt. Er ist katholisch und sie evangelisch und die Erkenntnis gewinnt: „Es gibt nur einen Gott.“ Gegenseitig geben sie sich Kraft und genießen die Zweisamkeit. Sicher habe es Höhen und Tiefen im Leben gegeben. Aber mit dem einen wertvollen Menschen an der Seite, der seit 76 Jahren unerschütterlich das Leben mit einem teilt, das sei ein unfassbares Glück. Diese eine Entscheidung vor 76 Jahren, das Leben gemeinsam zu bewältigen, zeugt für die beiden von unvergleichlicher Schönheit und Liebe.

Viel Glück gehabt

In ihrem Leben hätten sie viel Glück gehabt, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion erzählen. Maria Strack erinnert sich beispielsweise an ein Unglück damals in den 1940er-Jahren im Kohlenschacht, als die Bohrung auf eine Wasserquelle gestoßen ist und 60 Menschen ertrunken sind.