Weg von der Sonderwelt in Kehl-Kork, hin zu kleinen zentralen Häusern, in denen die Menschen mit Behinderung leben. Das ist das Ziel der Diakonie. Foto: Diakonie

Ab 2019 müssen alle Heimbewohner in Einzelzimmern leben. Vorstandsvorsitzender mahnt von Grün-Rot Gegenfinanzierung an.

Kehl-Kork - Die Diakonie Kork erlebt »spannungsvollen Zeiten«. So hat es Vorstandsvorsitzender Frank Stefan auf der Mitgliederversammlung des Trägervereins in seinem Rechenschaftsbericht formuliert. Er begrüße den gesellschaftlichen Wandel von der Fürsorge hin zu gelebter Inklusion. Gesetzliche Anforderungen und deren Finanzierung klafften jedoch häufig auseinander, da die Träger der Sozialleistungen die Kosten der Eingliederungshilfe begrenzen wollen. Zu erbringende Leistungen in der Behindertenhilfe seien unzureichend refinanziert.

Auch in baulicher Hinsicht seien der Einrichtung in den kommenden Jahren schwierige Aufgaben gestellt: Bis auf die neuen Häuser für je 24 Personen in Willstätt und Kehl-Goldscheuer entspreche kein Gebäude der neuen Landesheimbauverordnung, die von 2019 an vorschreibt, dass alle Bewohner in Heimen in Einzelzimmern leben. »Wir begrüßen ausdrücklich das Einzelzimmergebot«, betonte Stefan. »Allerdings stehen der Realisierung noch große Herausforderungen entgegen, da wichtige Fragen der Finanzierung der erforderlichen Neubauten und der Rahmenbedingungen für den langfristigen Betrieb noch nicht hinreichend geklärt sind.« Geeignete Grundstücke, die die notwendigen Gebäudegrößen zulassen, gebe es in den meisten Gemeinden nicht. Das gelte ganz besonders für die sozialpolitisch erwünschten und geforderten Lagen in den Wohngebieten der Kommunen und nicht fernab jeder Infrastruktur. Die Diakonie Kork verfolgt seit den 1980er-Jahren das Ziel des gemeindenahen Wohnens.

Seit 2000 gibt es Bemühungen, mehrere kleine Häuser zentral zu haben

Unter geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Einrichtung seit der Jahrtausendwende mit großer Energie dabei, ihre Struktur zu verändern. Ziel ist es, von der Sonderwelt auf dem Stammgelände in Kehl-Kork wegzukommen und kleinere, wohnliche und in die Gemeinden integrierte Wohnangebote aufzubauen.

Für die Diakonie wie für die meisten Anbieter von Hilfen für Menschen mit Behinderungen haben die gesetzlichen Vorgaben der Landesheimbauverordnung die Konsequenz, dass sie nur in begrenztem Umfang bestehende Bausubstanz umbauen könne, jedoch vor allem neue Häuser bauen müsse, erläuterte Stefan.

»Insofern erleben wir die Landesheimbauverordnung als Bestätigung und Unterstützung für unseren Weg. Leider hat aber das Land Baden-Württemberg versäumt, die notwendigen Ressourcen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierzu gehören angemessene Finanzierungsmodelle ebenso wie Änderungen des Bau- und Planungsrechts, damit auch hinreichend Grundstücke für diese Herangehensweise zur Verfügung stehen«, betont der Vorstandsvorsitzende.

Auch bei einer Realisierung des Einzelzimmergebots können Menschen, die das zukünftig möchten, ihre Zimmer gemeinsam nutzen, beispielsweise eines als Schlaf- und eines als Wohnzimmer.

Den Mitgliedern des Vereins »Wassertropfen Kork« dankte er für ihr außergewöhnliches Engagement für den Erhalt des Therapiebads. Ihr Einsatz habe neben zahlreichen Einzelspendern ermöglicht, dass die SWR-Herzenssache und die Bürgerstiftung Kehl das Projekt großzügig förderten. Am 27. September wird die Wiedereröffnung gefeiert.

Robert Büchel, Kaufmännischer Vorsitzender der Diakonie Kork, präsentierte der Mitgliederversammlung für das vergangene Jahr ein knapp ausgeglichenes wirtschaftliches Ergebnis. Als zentrale Punkte nannte er die härter werdende internationale Konkurrenz für die Hanauerland Werkstätten, Rückstellungen für angefallene Mehrarbeit wegen Fachkräftemangels, die Umsetzung des neuen Tarifrechts sowie die hohen Umlagen zur Finanzierung der Zusatzversorgungskasse. Das ausgeglichene Ergebnis sei vor allem dem außerordentlichen Einsatz der Mitarbeitenden zu verdanken. Im vergangenen Jahr arbeiteten 1250 Menschen auf durchschnittlich 796 Vollzeitstellen.

Die Bilanzsumme der Diakonie Kork lag für bei 64 Millionen Euro. Im Auseinanderklaffen zwischen gesetzlichen Vorgaben und der restriktiven Finanzierung der in der Einrichtung zu erbringenden Leistungen sieht Büchel die Hauptrisiken für die Zukunft. Ein besonderes Thema sei dabei die Finanzierung der Neubauten zur Umsetzung der Landesheimbauverordnung.

Für den Verwaltungsrat zog deren Vorsitzende Erna Dörenbecher eine positive Bilanz. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen konnte das Aufsichtsgremium Projekte, wie den Aufbau des Textil-Services Kork (wir berichteten), die Epilepsieberatungsstelle, den Protest für einen besseren Personalschlüssel in der Aktion »1 für 11 das ist zu wenig«, die Errichtung eines neuen Gebäudes für Kinder und Jugendliche sowie die Pläne für eine inklusive Schule in Kork begleiten, teilt die Diakonie mit.