Der Verein spielte sich unter der Leitung von Thomas Scheiflinger in wahren Rausch Foto: Dorn

Musikverein Niederwasser begeistert und gibt Ohrwurm mit auf den Nachhauseweg

Auch die bis auf den letzten Platz besetzte Hornberger Stadthalle darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Nabel der Blasmusikwelt etliche Kilometer südöstlich des Schwarzwalds liegt. Das hat das Konzert des Musikvereins Trachtenkapelle Niederwasser gezeigt.

Hornberg. Im ersten Teil lud Moderatorin Stefanie Kern die Zuhörer zu einer Reise dorthin ein. Schmissige Schrammel-Musik aus der ehemaligen K.u.K.-Hauptstadt Wien, der Marsch "Wien bleibt Wien" ließ gleich zu Beginn keine Wünsche an klassische Blasmusik offen. Noch weiter südöstlich liegt der Grenzfluß Drina. Der gleichnamige Marsch aus der Feder von Stanislav Binicki brachte die Tenor- und Flügelhörner der Kapelle in Stellung. Besungen wird darin die Tapferkeit der Serben in der Schlacht an der Drina im ersten Weltkrieg. Man konnte darin aber auch "nur" die Beschreibung eines Flusses auf seinem Weg vom Dinarischen Gebirge bis zur Mündung in die Save heraushören.

Das anschließende Medley aus den Opern La Traviata, Rigoletto, Nabucco und Aida bot für jedes Ohr etwas. Wie kein anderer Komponist seiner Zeit verstand es Giuseppe Verdi, den Geschmack der Massen zu treffen. "Gefällige Musik für die Massen", diesen Vorwurf musste sich seinerzeit auch der deutsche Komponist Brahms gefallen lassen, als er nach Melodien suchte, die er verkaufen konnte, um damit seine Miete zahlen zu können. Heraus kamen die "Ungarischen Tänze", die auch in der Adaption für Blasorchester nichts von ihrem höllischen Tempo verloren haben. Dirigent Thomas Scheiflinger verlangte seinem Klarinetten- und Flötenregister dafür vor der Pause ein Höchstmaß an Fingerfertigkeit ab.

Danach ging die "Weltreise" über in eine Reise ins Land der Liebe. De Haans "Concerto D’Amore" war dafür so etwas wie der Fahrplan, die Züge darin nahmen merklich Fahrt auf und das Konzert war im 20. Jahrhundert angekommen. Liebe, sich auf den anderen verlassen können, Paul Simon und Art Garfunkel haben dafür 1970 die Soft-Rock-Ballade "Bridge over troubled water" komponiert, an der sich seither schon zahlreiche Sänger versucht haben. Die Trachtenkapelle Niederwasser fügte mit Bernd "Simon" Hock und Erich "Garfunkel" Kaltenbach dieser Reihe eine weitere Perle hinzu.

Mit Auszügen aus den beiden Musicals "Die Schöne und das Biest" und "Pocahontas" war das Programm dann dort angelangt, wo sich Blasmusik mit dem Signet "symphonisch" schmückt. Weit ausholende Solo-Läufe, ein in verschiedenen Formen wiederkehrendes Thema ("die Schöne und das Biest", "das Farbenspiel des Winds"), dazu das den Marsch-Korsetten des ersten Konzertteils entstiegene Ensemble rechtzeitig für die Ehrungen ihrer verdienten Musikerkollegen spielten sich die Akteure in einen wahren Rausch.

Nach der Pause nahmen die Musiker wieder auf der Bühne Platz und "rockten" dieselbe mit dem 1985er-Stück "We are the world". Es war der Beitrag der US-amerikanischen Musiker zum großen weltumspannenden Hilfskonzert zugunsten der Hungernden in Afrika. Diese Aktion erscheint in der von nationalen Egoismen geprägten Welt des Jahres 2017 wie aus einem Märchen vor langer Zeit. Bernd Hock, Erich Kaltenbach, Irma Kern und Ute Löffler liehen dem Lied ihre Stimmen.

Für die finale Zugabe hatte sich Scheiflinger eine musikpädagogische Aufgabe für das Publikum ausgedacht. Es galt den Refrain des Chansons "Champs-Elysées" zu intonieren. Spätestens mit dieser Nummer wurde das Jahreskonzert der Trachtenkapelle Niederwasser von einem technisch sehr guten zu einem besonderen Konzert. Nicht wenige Zuschauer hatten den Refrain noch auf dem Weg hinab ins Städtle auf ihren Lippen.