Unechte Teilortswahl: Während Niederwasser für die Abschaffung ist, sagt Reichenbach mehrheitlich Nein

Von Fritz Gebauer

Niederwasser/Reichenbach. Mit der Aufhebung der unechten Teilortswahl befassten sich die Kommunalpolitiker in der Vergangenheit mehrfach. Herrschte früher die ablehnende Haltung gegenüber einer Abschaffung vor, so zeichnete sich in jüngerer Zeit – zumindest in Niederwasser – ein Wandel ab. "Bei den Bürgern sieht man das Vorhaben überwiegend positiv" lautete die Erfahrung von Ortsvorsteher Bernhard Dold und auch im Ortschaftsrat Niederwasser sieht man die Zeit reif für die Abschaffung des "alten Zopfes". Immerhin ist Hornberg mit seinen Ortsteilen der letzte Ort im Umkreis, an dem die unechte Teilortswahl noch besteht.

Die Diskussion zu diesem Thema dauerte in der öffentlichen Ortschaftsratssitzung am Dienstagabend daher auch nicht lang. Dem Hornberger Gemeinderat wurden "immer faire Entscheidungen" attestiert, so dass man auf die unechte Teilortswahl, die ja auch manche "Schieflagen" produziert, verzichten könne.

Die Aussprache war aber auch verbunden mit dem Aufruf an die Bürger, sich künftig kommunalpolitisch stärker zu engagieren und nicht zur zu "goschen". Die Entscheidung des Ortschaftsrats zur Abschaffung der unechten Teilortswahl fiel einstimmig.

Anders in Reichenbach, dort lehnte der Ortschaftsrat in seiner öffentlichen Sitzung am Mittwochabend die Aufhebung mehrheitlich ab. Schon des Öfteren war die Aufhebung in dem Ortsteil im Gespräch, zuletzt in der Bürgerversammlung. Ortschaftsrat Martin Haas (Freie Wähler) vermutete, dass man sich im Hornberger Gemeinderat über die Abschaffung schon einig sei und sprach sich deswegen dagegen aus.

"Die Aufhebung soll nicht überstürzt herbeigeführt werden"

Dass Hornberg eine der letzten Gemeinden mit unechter Teilortswahl sei, wollte sein Fraktionskollege Bernhard Jogerst nicht gelten lassen und meinte, es seien im Ortenaukreis noch mindestens zehn. Dass die Aufhebung "überstürzt" herbeigeführt werden solle, ließ Ortsvorsteherin Evelyn Lauble unter Hinweis auf entsprechende Veröffentlichungen nicht gelten.

"Ich bin im Zweifel, wie ich entscheiden soll", räumte Helmut Aberle (CDU) ein, nachdem er in der Bürgerversammlung nur zwei Gegenstimmen, aber mehrere für die Aufhebung gehört habe. Roland Aberle (SPD) sprach vom "kämpfen für eigene Positionen" und sprach sich gegen eine Aufhebung aus. Helmut Aberle bezeichnete die Tätigkeit des Ortschaftsrates als sehr wichtig für den Ortsteil, Hermann Lehmann (CDU) sprach sich für eine bessere Kommunikation mit dem Gemeinderat aus.

Ortsvorsteherin Lauble und Hans Hildbrand hoben hervor, dass im Gemeinderat nicht für oder gegen Ortsteile entschieden werde, sondern Fairness herrsche und jeder im Gemeinderat sich für die Gesamtheit verantwortlich fühle. Welches Interesse die Reichenbacher Mitbürger dem Thema "unechte Teilortswahl" wirklich beimessen, lässt sich vielleicht am Besuch der Sitzung ablesen. Anwesend war gerade mal ein Bewohner und der hatte eh ein anderes Anliegen.

Als die Ortsvorsteherin nach längerer Diskussion ihrem Gremium die "Gretchenfrage" stellte, ergaben sich drei Stimmen für die Aufhebung der unechten Teilortswahl und vier für die Beibehaltung.

Außerdem gab es eine Stimmenthaltung. Der Ortschaftsrat Reichenbach stimmte also mehrheitlich für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl

u Die unechte Teilortswahl ist eine Sonderregelung im Kommunalwahlrecht von Baden-Württemberg. Auf Hornberg und seine Stadtteilen bezogen heißt das: Diese Art der Wahl garantiert, dass Reichenbach und Niederwasser im Hornberger Gemeinderat vertreten ist. Im Zuge der Gemeindereformen 1972 hatten einige Gemeinden nämlich befürchtet, dass sie nach der Aufgabe ihrer Selbständigkeit nicht mehr genug Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen könnten. Die Gemeinderatsmitglieder können somit von allen Wahlberechtigten der gesamtgemeinde gewählt werden, daher der Begriff "unecht". Bei einer echten Teilortswahl würde dagegen jeder Teilort nur seine eigene Vetreter wählen.

Lokalredaktion

Hornberg und Gutach

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Von Eckhard Gräff

Es wird kumuliert und panaschiert: Die unechte Teilortswahl ist kompliziert und überfordert viele Wähler. Zahlreiche Fehlstimmen sind vorprogrammiert. Also stellt sich die Frage: Soll sie abgeschafft werden? Spätestens da scheiden sich die Geister. Während Niederwasser Ja sagt, lehnt Reichenbach das Ansinnen ab. Fakt ist: Bei einer Abschaffung befürchten viele Einwohner eine Unterrepräsentation ihres Ortsteils im Stadtrat. Sie hätten ohne diesen im Gemeinderat nämlich kein Antrags- und Stimmrecht mehr. Das kann man verstehen. Die andere Seite ist aber: Wenn die unechte Teilortswahl abgeschafft ist, können auch Wähler in den kleineren Orten der Gemeinde die volle Stimmenzahl auf ortsansässige Räte vergeben. Der Hornberger Gemeinderat hat im Übrigen durch seine Arbeit gezeigt, dass sie das Ortsteildenken längst überwunden haben: Beschlossene Maßnahmen haben sich stets an den Notwendigkeiten orientiert. Zumindest Niederwasser hat das erkannt, Ein weiteres Problem, welches für eine Abschaffung spricht: Die politischen Parteien haben zunehmend Schwierigkeiten, in allen Ortsteilen und der Stadt ihre Kandidatenliste zu füllen. Dass die Abschaffung übrigens funktioniert, zeigen Beispiele in anderen Gemeinden in der Ortenau. Reichenbach sollte da noch einmal in sich gehen.