Die bulgarische Autorin Tzveta Sofronieva schätzt am Leselenz die angenehme und inspirierende Atmosphäre: "Ich werde selber offener, wenn ich offen empfangen werde", sagt sie und freut sich, in diesem Jahr wieder dabei zu sein. Foto: Westphal Foto: Schwarzwälder-Bote

Leselenz-Autorin Tzveta Sofronieva spricht mit SchwaBo in Berlin über Lyrik, Zwischenräume und den Schwarzwald

Die S-Bahn donnert in regelmäßiger Eile an dem italienischen Ristorante in Berlin Lichterfelde West vorbei, in dem an einem Sonntagmittag die Autorin Tzveta Sofronieva zur SchwaBo-Mitarbeiterin Miriam Kumpf getroffen hat. Die gebürtige Bulgarin, Joseph Brodsky-Schülerin und Chamisso-Preisträgerin von 2009 liest beim diesjährigen Leselenz-Samstag um 14 Uhr auf der Bachterrasse in Hausach.

"In den Gedichten steckt immer die ganze Geschichte des Autors. Man muss nicht die Biographien lesen, sondern die Texte, daran glaube ich fest", sagt Sofronieva, die José F. A. Oliver einst eine "präzise Wissenschaftlerin und präzise Poetin" nannte. Sie selbst sagt: Um sie herum essen drei Generationen Familie zu Mittag, bestellen Rentner Weißweinschorle und Kinder mehr Ketchup zum Schnitzel.

Sofronieva wohnt nicht weit von hier, genießt die vielen Seen und die Nähe zu der Freien Universität. Unter der Woche sitzt sie lieber in einem Café beim Max-Planck -Institut für Wissenschaftsgeschichte auf der anderen Seite des Boulevards. Hier ist Berlin ruhig und nicht hip, sieht grün und idyllisch aus: alleinstehende Häuser, alte Bäume, viele Akademiker.

Seit mehr als 20 Jahren ist Berlin ihre Heimat. Deutsch brachte sich die gebürtige Bulgarin mit 28 Jahren autodidaktisch bei, vor allem durch die Lektüre von Gedichten. "Es ist ein sehr schwieriger und komplizierter Vorgang sich so spät mit einer Sprache zu beschäftigen", gibt sie zu – andererseits kann sie dadurch sein, wie sie ist.

"Dichter gehören zu den Berufsgruppen die mit einer Gehirnstruktur geboren sind die es ihnen erlaubt, Sprache so wahrzunehmen, dass sie diese weitergeben können", sagt sie. Mit 28 Jahren eine neue Sprache zu lernen ermöglichte es ihr, die Art und Weise wie sie Sprache wahrnimmt beizubehalten.

Sie schreibt Lyrik mal auf Deutsch, mal auf Bulgarisch, in den letzten Jahren immer mehr auf Deutsch, Prosa auf Deutsch und wissenschaftliche Artikel auf Englisch. "Gedichte sind geballte Energie, die Ausdruck will und nach Sprache verlangt. Worte suchen sich ihre Nachbarn aus", meint sie. So ist sie mal Bulgarin, mal Deutsche, dann wieder Kosmopolitin, Berlinerin oder Mutter. "Wir leben alle in mehreren Welten und Realitäten und es gilt, diese zu verbinden", sagt sie. Und: "Nichts ist separat und ich interessiere mich für das Überlappende, Zusammenhänge und Kreuzungen."

Tzveta Sofronieva lebt in Zwischenräumen, aber sie hat sich dafür entschieden, nicht zwischen den Stühlen zu sitzen. In Zwischenräume legt sie ein Brett und macht so aus zwei Stühlen eine Bank. "Das Dreiländereck ist auch so ein Zwischenraum", sagt sie – ihr Gedicht "Entscheidungen" ist übrigens in Hausach entstanden, denn sie ist in diesem Jahr nicht zum ersten Mal am Leselenz beteiligt.

Warum sie gerne wieder kommt? "Hausach ist nicht direkt Literaturbetrieb und deswegen so schön", erklärt Sofronieva, die sich in Hausach geborgen und willkommen fühlt: "José bringt Menschen zusammen: Dichter, Schriftsteller, Verleger und das Publikum. Er verwaltet nicht einfach ein Festival, sondern ruft Begegnungen hervor."

Und als sie über den Begriff Schwarzwald nachdenkt, kommt der Zwischenraum vom Vorschein, in dem sie sich als Poetin und Wissenschaftlerin befindet: "Schwarz bedeutet immer, dass jemand das Licht wahrnimmt – dann weiß man, was strahlend weiß bedeutet."

Von Miriam Kumpf