"Ich freue mich, dass ihr hier bei einer richtigen Dichterlesung seid": Der Kieler Lyriker Arne Rautenberg gibt nach seiner Lesung Autogramme für Grundschüler aus Halbmeil. Foto: Schwannauer Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Lyriker Arne Rautenberg liest für Grundschulkinder aus seinen Gedichten / "Ich will für Gedichte begeistern"

Von Nicola Schwannauer

Hausach. "Wundert euch nicht über Mützen und die, welche Mützen besitzen" mahnt schelmisch der Dichter Arne Rautenberg und beginnt seine Lesung beim Leselenz denn auch mit einer Kostprobe aus seinem jüngsten Band "Montag ist Mützenfalschrumtag".

Unpädagogisch, unstreng, unangepasst und teils unsinnig sind die Gedichte, die er den Erst- und Zweitklässlern aus Halbmeil gestern in der Hausacher Stadthalle vorlas. Dabei ließ er nicht nur die Sprache spielen, sondern formte Stimmungen mit dem Klang seiner Stimme und der Vielfalt der Betonung. Der Kieler Lyriker hat eine Mission, so sagt er. Er will junge Leute, besser gesagt: überhaupt Leute für die Lyrik begeistern. Er selbst, so erzählt er seinen jungen Zuhörern, schreibt seit rund 30 Jahren Gedichte. "Ich will zeigen, dass Sprache auch zu etwas anderem dienen kann, als Systeme der Vergleichs- und Bewertbarkeit zu bedienen", sagt er im Vorfeld zu Erwachsenen und mit innerem Seitenblick auf die Urteils- und Bewertungsmechanismen der Gegenwart und ihren Institutionen.

Mit Statements wie diesen verhehlt er zwar nicht eine gewisse gesellschaftspolitische Dimension in seiner Arbeit, doch er spart sich weitschweifige Ausführungen. Er wirkt unpathetisch und bescheiden und will doch nichts weniger als "sprachliche Anarchie entfesseln".

Das tut er mit seinen versponnenen, liebevollen und berührenden Gedichten. Mit Gedichten, die von Monstern handeln, von Hexen, von Mützen, Müttern, vom Abbeldibabbeldibu und vom Uga-Uga-Uga-Uga-Uga. "Die Uga-Sprache, die habe ich erfunden, doch weist sie ein paar Schwierigkeiten auf": Ein paar Ugas zuviel oder zuwenig können Missverständnisse schaffen.

Und das Abbeldibabbeldibu? Das ist so etwas wie ein guter Geist für schwierige Lebenslagen. "Wenn der Haufen Hausaufgaben zu groß ist, wenn du wie ausgeleert am Schultisch sitzt, wenn die Spinne kriecht aus dem Zimmereck – immer dann ist es zur Stelle und schafft ein Aufatmen.

Arne Rautenberg will vor allem eine gute Stimmung schaffen. In seiner Lesung beim Hausacher Leselenz gelingt ihm das schon allein durch seine Art des Seins. Er führt einen Dialog mit den Kindern und lässt sie abstimmen: "Welches meiner drei Gruselgedichte fandet ihr am besten? Das ist wichtig für mich, damit ich weiß, welches ich in meine Sammlung aufnehmen muss."

Der Lyriker ist viel an Schulen unterwegs, und das merkt man ihm an. Den Kindern schildert er einen seiner normalen Arbeitstage: "Ich stehe früh auf, denn ich habe zwei Kinder, dann setz’ ich mich an den Schreibtisch und schreib’, schreib’, schreib’, schreib’ – aber die Hauptarbeitszeit, die habe ich später am Abend, wenn keiner mehr was von mir will."

Er gibt sich als Alltagsmensch aus, der auch "ganz normale Familienpapasachen" macht: Den Abwasch, im Garten buddeln, die Tochter zum Pferd und den Sohn zum Fußball fahren. Und: "Am Wochenende hab’ ich frei, da ist Urlaub von der Woche."

Den verbringt er gerne am Strand seiner Heimatstadt Kiel, wo er lebt und arbeitet. Dort hat ihn einmal ein Gedicht angesprungen, das er als sein berühmtestes Vorlesegedicht bezeichnet: "Mutter zu Sascha, Sarah und Saskia am Meer" lautet der Titel. Das Gedicht besteht aus den ruppigen Ermahnungen einer unfreundlich gestimmten Mutter an ihre drei Kinder. Der Dichter berichtet: "Ich lag am Strand, da kam eine Mutter mit ihren Kindern und legte sich direkt neben mich, obwohl überall Platz war. Sie ermahnte die ganze Zeit die Kinder, ich habe es einfach aufgeschrieben. Könnt ihr Euch das vorstellen, mein berühmtestes Gedicht, und kein Wort davon ist von mir?" "Halt die Klappe", heißt es in dem Gedicht, "verzieh’ dich" und: "Ich warne dich". Hier wäre das Abbeldibabbeldibu ein willkommener Freund.

Die Kinder hörten der Lesung mit aufgerissenen Augen zu. Wahrscheinlich hat Arne Rautenberg einige Lyrikfans dazugewonnen. Mission erfüllt.