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24-Stunden-Sommerserie: Frühschwimmen im Hausacher Freibad

15 Grad, der Himmel über Hausach ist wolkenverhangen, es sieht nach Regen aus. Auf der Herfahrt habe ich kurz überlegt, im Auto die Heizung anzustellen. Es ist 6.56 Uhr, noch vier Minuten bis zum Beginn des Freibadbetriebs für Frühschwimmer. "Zutritt nur für Jahreskarteninhaber", heißt es auf der Preistafel. Anders als der Tagesbetrieb findet das Frühschwimmen aber bei jeder Witterung statt, keiner der aufgeführten Ausnahmebestände "Regen, Hagel, Unwetter, Sturm oder Lufttemperaturen unter zehn Grad" ist erfüllt.

6.59 Uhr, die erste Frühschwimmerin kommt mit dem Fahrrad, Andrea Schmid aus Hausach, wie alle anderen zählt sie zur Stammkundschaft und weiß zu erzählen, dass um diese Zeit auch mal gut und gerne ein Dutzend Frühschwimmer auf Einlass warten. Punkt 7 Uhr schließt Schwimmmeister Michael Hug die Tür auf. Wenn ich noch ein Foto von der unberührten Wasseroberfläche machen wollte, so müsse ich mich beeilen, gibt mir Hug gleich mit auf den Weg. Und tatsächlich, um 7.02 Uhr zieht Andrea Schmid als Erste ihre Bahnen.

Die Wassertemperatur beträgt 24 Grad, die Lufttemperatur 15 Grad, lediglich die angezeigte Uhrzeit stimmt nicht. Die Uhr steht seit gestern auf 8.43 Uhr und hat sich erfolgreich einem ersten Reparaturversuch widersetzt. Im von der Diskussion um die Zukunft des Badeparks und des Freibads aufgeheizten Hausach ist der Stillstand der Uhr für manche wieder ein Zeichen für den schleichenden Abschied vom lieb gewonnenen Freibad mit seiner 50-Meter-Bahn.

Auf selbiger ziehen eine Viertelstunde nach Öffnung eine Handvoll Frühschwimmer ihre Bahnen. Michael Hug beginnt mit seinen routinemäßigen Aufräum- und Säuberungstätigkeiten. Der Saugroboter, der über Nacht schon den Grund des Schwimmerbeckens von Blättern und Schmutz gereinigt hat, wird ins Sprungbecken eingesetzt. Auf Laufketten gleitet die Maschine geschmeidig ins Becken. Mit schweizerischer Präzision nimmt das Gerät nach dreiminütiger Kalibrierung in der Tiefe seine Tätigkeit auf und wird dann in 30 Minuten Zick-Zack-Kurs das geleistet haben, wofür die Schwimmmeister früherer Jahre händisch mehr als doppelt so lang gebraucht hätten.

Dank der modernen Technik kann Hug das Freibad heute quasi im Ein-Mann-Betrieb "fahren". Ein kurzer Gang hinauf auf die beiden Sprungtürme: Es ist alles in Ordnung, heute Morgen sind keine Bierflaschen oder Zigarettenkippen auf den Plattformen zu entsorgen. Nächtliche Gäste seien im Hausacher Freibad keine Seltenheit, richtige Vandalen waren glücklicherweise kaum noch darunter. Seit zwei Jahren sind keine nennenswerten Schäden mehr zu beklagen. Gegen 7.30 Uhr verschwinden der Schwimmmeister und ich in den Katakomben des Hallenbads, mit dessen Technik im Sommer das Freibad gesteuert wird. Großgewachsen darf man hier nicht sein, in gebückter Haltung folge ich Hug in das Gewirr aus Rohren und Betonsockeln.

Für den Wasserüberlauf, den selbst die wenigen Schwimmer in den Überlaufrinnen erzeugen, müssen die Pumpen ein klein wenig nachgestellt werden, sonst würde das Bad auf längere Zeit gesehen "leer" laufen – Erfahrungswerte im Bereich weniger mechanischer Millimeter, für die ein Schwimmmeister sein Bad genau kennen muss. Michael Hug kennt seine "alte Dame" jetzt seit zehn Jahren und weiß um die größer werdenden Befindlichkeiten.

Draußen hat Andrea Schmid ihr Frühschwimmen inzwischen beendet. Gegen 7.45 Uhr findet ein Schichtwechsel statt, wer vor der Arbeit noch einige Runden geschwommen ist, verlässt fit für den Arbeitstag das Bad und macht Platz für die Rentner, eine stereotype Vorstellung – die so aber an diesem Morgen tatsächlich zutrifft.

Der 64-jährige Franz Herrmann aus Wolfach findet im Ruhestand nach 45 Arbeitsjahren endlich die Zeit, seine Frau zum Frühschwimmen zu begleiten und genießt den erfrischenden Start in den Tag. Die Hausacherin Alice Grassinger, 62 Jahre alt und als Lehrerin noch im Berufsleben, nutzt die unterrichtsfreie Zeit, um endlich mal früh ins Schwimmbad gehen zu können. Sie schwimmt wie jeden Morgen ihre 1000 Meter. Beide lassen sich vom einsetzenden Regen nicht stören, die 24 Grad-Wassertemperatur erscheinen so sogar noch ein wenig wärmer.

Der Saugroboter im Sprungbecken ist fertig: Im Schmutzbehälter finden sich heute morgen weder Halskettchen noch Ohrringe. Im Schwimmbad geht nichts über einer bestimmten Partikelgröße verloren, es dauert mitunter nur einige Zeit, bis es gefunden wird. Die Saugbürsten im Schmutzbehälters müssen gereinigt werden, in einem der Durchschreitebecken schließt Hug den Puromat an. Vom Wasserdruck in Rotation versetzt, wird das angesaugte Laub und anderer Schmutz in den Abfluss gespült.

In den Katakomben läuft derweil der Filter-Spülgang, hier ist die Technik so weit gediehen, dass Schwimmmeister Hug tatsächlich nur den berühmten einen Knopf drücken muss. Auf dem hindernisreichen Rückweg zur Leitwarte fällt der Blick auf die beiden neuen, je 250 Kilogramm schweren Pumpen – das neue leistungsstarke Herz des Hausacher Badeparks. Ein letzter Blick auf die Kontrollanzeige der Chlorungsanlage, dann geht es wieder nach oben, wo der Regen noch stärker geworden ist.

Um 8.15 Uhr würde bei schönem Wetter damit begonnen werden, das Kinderbecken zu füllen,Doch heute bleibt es leer, die Energie, beziehungsweise die die Hackschnitzel für die Erwärmung auf 28 bis 29 Grad verbleiben erst einmal im Bunker. Bei einer Tasse Kaffee erläutert der Schwimmmeister sein Arbeitszeit-Modell: Im Zwei-Schicht-Betrieb halten er und sein Kollege Benjamin Becherer den Badebetrieb aufrecht. Die Kernbetriebszeit ist von 9 bis 20 Uhr, davor und danach würden die Anlagen gereinigt und gewartet. Die Angebote "Frühschwimmen ab 7 Uhr" und "Spätschwimmen bis 21 Uhr" liefen parallel dazu und seien so fast kostenneutral.

Und in der Tat scheint es, als seien der Schwimmmeister und "seine" Frühschwimmer eine eingeschworene Gemeinschaft, heute früh nur ein wenig gestört von einem neugierigen Mann von der Zeitung.

Eine halbe Stunde vor dem offiziellen Ende des Frühschwimmens hat es aufgehört zu regnen und ich wage den Selbstversuch. Das 24 Grad warme Wasser erscheint nach dem Abduschen erstaunlich warm und erfrischend zugleich, die lange 50-Meter-Bahn sorgt für wenig Begegnungsverkehr. Am Nichtschwimmer-Ende mit einer Wassertiefe von nur 1,25 Meter versuche ich mich mehrmals an einer Rollwende – sie klappt genau so schlecht wie am tiefen Schwimmerende der Bahn.

An der Kasse wechselt das Bad vom Frühschwimmbetrieb in den Tagesbetrieb, wer jetzt noch oder erst seine Bahnen schwimmt, zählt schon als Tagesgast. Hug hat der Kollegin für den Betrieb der Hauptkasse abtelefoniert und wird das Freibad vom Frühschwimmer-Eingang bis zur Mittagszeit weiter im Ein-Mann-Betrieb fahren. Gegen 13.45 Uhr wird ihn sein Kollege ablösen und es bleibt Zeit für einen Nachmittag mit der Familie.

Die Uhr steht indes immer noch auf 8.43 Uhr und wird bis zur Lieferung eines Ersatzteils wohl weiter Gesprächsstoff über die Zukunft des Bads liefern.          Matthias Dorn

INFO

Sommerserie

Unsere 24-Stunden-SommerSerie erscheint dreimal wöchentlich. In dieser begleiten wir verschiedene Betriebe, Dienstleister und Personen aus dem Kinzigtal zu verschiedenen Tageszeiten. Die Serie geht bis September.